51 - Gangster

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„Also ich weiß ja nicht, Jungs. Irgendwie sitzt das komisch. Ich glaube nicht, dass das so sein soll." sprach ich in der Umkleidekabine einer kleinen Boutique nur ein paar Meter von unserem Hotel entfernt. Das dunkelgrüne Kleid mit Spaghettiträgern, das ich grade anprobierte, schmiegte sich eng an meinen Hüften und meinem Po entlang und hatte einen, für meinen Geschmack, viel zu tiefen Ausschnitt. Ich drehte mich einmal und betrachtete mich von hinten.
Oh je. Bücken sollte ich mich in dem Ding auf jeden Fall nicht.
„Ich seh aus wie die nuttige Version einer Slytherin-Schülerin."
Felix und Tommi saßen auf zwei Stühlen vor der Kabine und bewerteten abwechselnd die von ihnen ausgewählten Outfits für Julian und mich.
„Einer was?" fragte Tommi verwirrt.
„Komm einfach mal raus." rief Felix zurück.
Ich trat hinter dem Vorhang hervor und schaute Tommi vorwurfsvoll an. „Harry Potter, du Muggel."
„Holla die Waldfee! Das ist... eng." sprach er vorsichtig und musterte mich.
„Und kurz." ergänzte Felix mit leuchtenden Augen und einem leichten Grinsen.
„Das dir das gefällt war mir klar." warf ich ihm vor. „Nein, das geht nicht. So kann ich nicht raus gehen."
„Ey, wieso nicht? Ich hab das ausgesucht." sprach Felix enttäuscht.
„Ja, das dachte ich mir. Hast du dir beim aussuchen auch mal vorgestellt, wie ich mich in dem Ding bücke?"
Er blickte mich mit einem schiefen Grinsen an. „Und wie ick mir dit vorjestellt habe."
Ich verdrehte die Augen. „Nee, das ist mir eindeutig zu kurz."

„Du beschwerst dich?" hörte ich Julian aus der Kabine neben mir. „Was bitte ist das hier?" langsam trat er hinter dem Vorhang hervor. Er trug ein hautenges, rosafarbenes Hemd mit kleinen Glitzerpailletten am Kragen und schaute bedröppelt drein. „Ich seh aus wie Miss Piggy."
Felix prustete als erster los, gefolgt von Tommi und mir.
„Wer hat bitte dieses hässliche Teil ausgesucht? Warum wird Katha angekleidet wie auf der Met Gala und ich wie jemand aus der Sesamstraße?" fragte er und blickte Tommi und Felix an.
„Also erstens, ist Miss Piggy eine Figur aus der Muppet Show, nicht aus der Sesamstraße, du Kulturbanause." sprach Tommi. „und zweitens, ich dachte, es würde deinem Teint schmeicheln."
Felix kriegte sich kaum mehr ein vor Lachen. „Ey mit diesem Hemd fickst du heute nicht, dit schwör' ick dir. No one's gonna fuck you like that, Alter." kicherte er in einem hohen Ton.
„Vielen Dank für eure Hilfe, aber ich kleide mich in Zukunft wieder selber ein." sprach Julian schnippisch und verschwand wieder in der Kabine.
„Ihr seid gemein." lachte ich.
„Ey, ich hab's wirklich nur gut gemeint!" verteidigte sich Tommi.
„Was ist jetzt? Nimmst du das Kleid?" fragte Felix erwartungsvoll.
„Auf keinen Fall." sprach ich und schüttelte heftig den Kopf. „Viel zu kurz."
„Oh menno." murmelte er schmollend und überkreuzte seine Arme vor der Brust.

Nachdem Julian und ich letztendlich doch jeder noch ein paar passende Teile gefunden hatten, die wir uns größtenteils selbst ausgesucht hatten, gingen wir zurück in's Hotel. Ich zog mir eines meiner neuen Teile, ein luftiges, gelbes Sommerkleid und dazu passende Birkenstocks an. Das einzige, sommerliche Kleidungsstück, das ich im Koffer hatte. Dann liefen wir mit Tommi zusammen zum Strand, während Julian sich für sein Date fertig machte.
Ich konnte es kaum erwarten. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich das Meer. Nicht nur die Ostsee, sondern richtiges, echtes Meer.
Ich nahm meine Sandalen in die Hand und lief über den warmen Sand. Tommi und Felix folgten mir.
„Guck mal, wie ein kleines Kind." hörte ich Tommi hinter mir kichern, als ich freudestrahlend am Strand entlang hüpfte.
Da war es wieder. Dieses Gefühl von Freiheit. Wie damals an der Ostsee. Nur dieses Mal war es größer. Stärker.
Ich blieb stehen und drehte mich zu Felix, der mich grinsend durch seine Sonnenbrille hindurch ansah.
„Komm mit." sprach ich euphorisch, wippte auf und ab und hielt ihm meine Hand hin.
„Wohin?" fragte er lachend.
„Ich will näher ran." erklärte ich und deutete auf's Wasser.
„Aber ick hab Schuhe an. Und Socken." sprach er.
„Na und? Dann zieh die aus. Na los, los, los!" drängte ich ihn.
„Ist ja jut." lachte er, schlüpfte aus seinen weißen Air Force und seinen Socken und drückte Tommi diese in die Hand. „Hier Thomas, halt mal."
„Klar, gerne." sprach dieser sarkastisch und verzog das Gesicht.
Felix nahm meine Hand und ich zog ihn mit mir zum Wasser. Als meine Füße das kühle Nass berührten seufzte ich glücklich auf. Vorsichtig gingen wir tiefer hinein, bis wir bis zu den Waden im Wasser standen. Er drückte meine Hand ein bisschen fester und ich sah ihn an. Er erwiderte meinen Blick und lächelte.
„Bist du glücklich?" fragte er.
Zufrieden lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter und schaute auf's Meer und zum Horizont, an dem die Sonne schon weit unten stand.
„Und wie." entgegnete ich mit einem breiten Grinsen.

Einen kurzen Spaziergang am Meer und ein deftiges Abendessen in dem Hotelrestaurant später war Tommi noch mit uns auf's Zimmer gekommen, um die letzten organisatorischen Dinge für den Auftritt mit Felix zu klären. Ich war bereits so müde vom Tag, dass ich mich sofort in's Bett legte und die Augen schloß, während die beiden auf dem Balkon des Zimmer saßen und sich unterhielten.

„Alles klar, hast du die Instastory gepostet?" fragte Tommi.
Ich hörte, wie Felix tief einatmete. „Yo, alles erledigt. Mir haben schon ein paar Hackis geschrieben, dass sie Morgen extra anreisen." antwortete er nasal und pustete den Rauch aus seiner Lunge.

„Verrückt. Was meinste, wird voll da Morgen?"

„Ick hab jar keene Vorstellungen wie das wird." lachte Felix. „Ick weiß nur, dass ick mich auf jeden Fall betrinken werde. Da kannste von ausgehen."

„Ich auch. Nüchtern pack' ich das nicht." lachte Tommi.

„Ja ey."

„Du... wir haben da noch nie so drüber geredet, aber ich habe euch ja heute zum ersten Mal so richtig zusammen gesehen und... das ist schon was Ernstes mit dir und Katha, oder?"

Unauffällig spitzte ich die Ohren.

„Yo." Felix zog erneut an seiner Zigarette. „Sie... keine Ahnung ey. Sie macht alles so viel einfacher, weißt du? Einfach, in dem sie da ist. Sie muss gar nichts machen. Einfach nur da sein."

„Klingt, als hättest du die Frau für's Leben gefunden." sprach Tommi. „Oder kommt da noch ein Aber?"

Ich spürte, wie ich die Luft anhielt.

„Nein, kein Aber." lachte Felix. „Ich werde diese Frau safe irgendwann mal heiraten. Schwöre ich dir."

Ich atmete erleichtert aus und mein Herz machte einen Freudensprung.

„Das ich das nochmal erleben darf." freute sich Tommi. „Der große Felix Lobrecht hat seine große Liebe gefunden."

„Jetzt schwurbel hier nicht so rum, Thomas. Da lässt man mal kurz ein paar Gefühle raus und du musst hier gleich wieder so ein Fass aufmachen." sprach Felix beschämt.

„Ich freue mich nur für dich, Mensch. Ich kenne dich so doch gar nicht. Das ist ein ganz neuer Felix, der hier neben mir sitzt. Der gefühlvolle, sentimentale Felix."

„Der gefühlvolle, sentimentale Felix haut dir gleich auf's Maul." lachte er. „Ick bin immer noch Gangster, kapiert?"

Tommi lachte. „Ja, kapiert."

Despite it all (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt