12 - Hobbypsychologe

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„Wie geht's deinen Augen?" fragte ich ihn, während ich in die Tasse pustete, um den Tee darin abzukühlen.
„Geht. Hab schon schlimmeres überlebt." winkte er ab.
Ich nickte und nahm einen Schluck Tee, als ein lautes grummeln durch die kurze Stille zu hören war. Felix und ich sahen uns an, dann fasste er sich auf den Bauch. „Alter, ich hab' richtig Hunger." lachte er. „Hatte mich eigentlich auf ne geile Pizza oder sowas eingestellt."
Ich tippte zwei Mal auf den Bildschirm meines Handys, welches neben mir auf dem Sofa lag. „23:47 Uhr. Wir könnten noch was bestellen." schlug ich vor und entsperrte mein Handy um die Lieferapp zu öffnen. „Pizza also?"
„Auf jeden Fall." entgegnete er grinsend.

„Das hab' ich echt gebraucht." sprach Felix zufrieden und schob den leeren Pizzakarton von sich weg.
„Ich auch." murmelte ich, während ich an meinem letzten Stück nagte.
„Dein Essverhalten ist schon deutlich besser geworden." musterte er mich.
„Weil ich ne ganze Pizza esse?" lachte ich.
„Naja, wir haben in den letzten Wochen viel Zeit miteinander verbracht und mir ist aufgefallen, dass du am Anfang fast gar nichts gegessen hast und wenn, dann hast du's nie aufgegessen."
„Ich weiß." gab ich resigniert von mir und spürte seinen skeptischen Blick auf mir liegen. „Bin halt ein kleiner Psycho."
„Wie meinst du das?" fragte er und setzte sich aus seiner, fast liegenden, Position auf.
Ich seufzte und überlegte, wie viel von meinen psychischen Problemen ich auftischen sollte und vor allem, wo ich anfangen sollte. Anscheinend hatte er ja selber schon gemerkt, dass ich nicht ganz „normal" war. Er allerdings kam mir ziemlich normal vor, also setzte ich nicht zu viel Hoffnung in sein Verständnis. Vorsichtig schob auch ich meinen leeren Pizzakarton bei Seite. „Ach nee, vergiss es. War nur so daher gesagt."
Skeptisch hob er eine Augenbraue, doch darauf ging ich nicht ein. Stattdessen wechselte ich schnell das Thema. „Du siehst mit deinen roten Augen aus, als hättest du ein bisschen zu viel gekifft."
„Ah ja?!" nicht begeistert darüber, dass ich so schnell das Thema wechselte, lehnte er sich wieder zurück in's Sofa.
„Voll." bestätigte ich und erinnerte mich daran, dass er in der ersten Folge, die ich von „Gemischtes Hack" gehört hatte davon erzählte, dass er früher oft gekifft hatte.
„Hast du mal gekifft?" fragte er.
„Ja, mega lange. Ich hatte so ne richtig eklige Bongphase." lachte ich.
„Ich auch." erinnerte er sich zurück.
„Zu der Zeit fand ich rote Augen vom kiffen auch irgendwie übelst heiß bei Jungs. Da war ich so, keine Ahnung, 16, 17?!" ich schüttelte leicht den Kopf bei dem Gedanken daran. „Total bescheuert eigentlich."
Felix lachte. „Ah, also findest du mich grade auch „übelst heiß"?" zitierte er und grinste hämisch.
„Nee, den Fetisch hab' ich abgelegt." erwiderte ich zwinkernd.
„Was'n jetzt dein Fetisch?" neugierig sah er mich an.
„Mhm." überlegte ich. „Große Hände find' ich anziehend. Zähne sind auch wichtig. So schöne, grade Zähne... Bart! Ein Mann muss Bart haben. Am besten 3-Tage-Bart, nicht so'n Weihnachtsmann-Bart. Da ist weniger schon mehr. Humor ist natürlich auch sehr wichtig." ich stoppte kurz. „Ah! Und wenn sich so die Adern an Händen und Armen abzeichnen. Uff. Das ist heiß." ich ließ mich seufzend in die Rückenlehne des Sofas fallen.

„Ah ja." Felix lachte. „Also der Schluss klang grade schon sehr needy. Da wurden deine Bedürfnisse wohl schon länger nicht mehr gestillt, wa?"
Ich lachte. „Nicht wirklich, nee. Wie sieht's bei dir aus?"
Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
„Alles klar, danke, das reicht mir schon als Antwort." erwiderte ich und winkte ab.
„Nee ernsthaft jetzt. Klar, ick hab da so hier und da meine Kontakte, aber alles nix ernstes." erklärte er.
„Hattest du schon mal was mit nem Fan?" Ich erinnerte mich an das dunkelhaarige Mädchen im Club, das ganz scharf auf ihn war.
„Nee." antwortete er, aber so ganz abkaufen konnte ich ihm das nicht.
„Sicher?" harkte ich mit einem Grinsen nach.
„Ganz sicher." bestätigte er mit einem ebenso breiten, unglaubwürdigen Grinsen.
„Na gut." erwiderte ich skeptisch. „Hättest du denn gerne was Festes?"
Felix überlegte kurz, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. „Nee man, ich hab' gar keine Zeit für sowas."
Verständnisvoll nickte ich.
„Und du?"
„Nein. Ich hatte das auch noch nie." gab ich zu.
Überrascht sah er mich an. „Wie jetzt? Du hattest noch nie eine Beziehung?"
„Nope." lachte ich. „Hab mich da immer gekonnt rausgewunden, wenn ich gemerkt habe, dass es ernster wurde."
„Warum?" fragte er und ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ist nichts für mich."
„Ist nichts für dich oder soll einfach nichts für dich sein, weil du das so willst?" harkte er nach und starrte mich dabei durchdringend an.
„Hey, mach hier jetzt nicht einen auf Hobbypsychologen. Das kannst du bei 1LIVE ausleben, aber nicht mit mir." ich drückte seinen Kopf spielerisch bei Seite, um seinen Blick auf mich zu unterbrechen, doch er hielt meine Hand fest und sah mich weiter an.
„Du hast Angst." behauptete er. „Du hast Angst jemanden wirklich zu mögen und ihn dann zu verlieren."
Ich hielt seinem Blick stand und verharrte einen Moment in meiner Position.
„Da hab ick n' Punkt jetroffen, wa?" analysierte er weiter.
„Lass meine Hand los." zischte ich.
„Erst wenn du zugibst, dass ich Recht habe." grinste er.
„Niemals." erwiderte ich und sah ihn provozierend an.
„Dann lasse ich dich auch nicht los." provozierte er zurück. Mit all meiner Kraft versuchte ich, mich von ihm los zu reißen, doch er schaffte es, mich immer weiter zu ihm zu ziehen und letztendlich auch meine andere Hand zu umklammern. „Och, ist das niedlich." kommentierte er meine kläglichen Versuche, auch nur annähend gegen seine Kraft anzukommen. Seufzend gab ich, halb auf ihm liegend, auf.
„Okay, du hast gewonnen." murmelte ich gegen seine Brust gelehnt, dann lies er meine Hände los.
Ich setzte mich auf und sah in sein triumphierendes Gesicht. „Ich habe nicht gesagt, dass du Recht hast. Ich habe nur gesagt, du hast gewonnen."
Er grinste. „Du weißt, dass ich Recht habe. Das reicht mir."

Ein kleines Gähnen überkam mich und ich rieb mir die Augen.
„Müde?" fragte Felix.
„Bisschen." antwortete ich.
„Okay. Folgendes: ich könnt' hier aufm Sofa pennen und du bei mir im Bett, oder wir penn' beide in meinem Bett. Ist ja eigentlich groß genug und ich kann auch ne Wand aus Kissen zwischen uns bauen. Das Gästebett kann ich dir auf keinen Fall anbieten, danach würdest du mich safe auf Schmerzensgeld verklagen." erklärte er.
„Ach alles gut, wenn du kein Problem damit hast, dann können wir ruhig zusammen in deinem Bett schlafen. Du musst nicht extra in deiner eigenen Wohnung auf der Couch pennen." erwiderte ich.
„Gut." er sah an mir runter. „Willst du in den Klamotten schlafen oder soll ich dir ein Shirt raus suchen?"
„Ein Shirt wäre super." dankbar nickte ich ihm zu. Er stand vom Sofa auf, lief durch den Flur in's Schlafzimmer und kam einige Momente später wieder. „Hier." sprach er und hielt mir ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck 12k hin.
„Danke. Möchtest du zuerst in's Bad, oder...?!" fragte ich unsicher und Felix lachte. „Ich hab' 2 Bäder."
„Ah. Ja, klar. Du bist ja reich. Ganz vergessen." schmunzelte ich und stand vom Sofa auf.
„Hinten rechts." navigierte er mich durch den Flur. „Da steht eine neue Zahnbürste, ist noch eingepackt. Die kannst du benutzen."
„Danke." rief ich und ging in's Bad.

Als ich so vor dem Spiegel stand überlegte ich, ob es zu anzüglich wäre, nur mit einem Shirt bekleidet neben ihm zu liegen, andererseits wäre es mir in der Jogginghose nun wirklich zu warm geworden. Außerdem war das jetzt auch nichts mehr, was er nicht eh schon gesehen hatte und er würde dort gleich auch bestimmt nicht in einem Schneeanzug liegen, also entschied ich mich gegen die Hose. Gleiches Recht für alle.
Auf leisen Sohlen tippelte ich einmal über den Flur in Felix Schlafzimmer hinein. Dieser lag schon, wie ich es vermutet hatte, Oberkörper frei im Bett und tippte auf seinem Handy. Ich huschte einmal um's Bett und unter die riesige Bettdecke, die mir vorhin schon so einladend vorkam.
„Du hast aber n' janz großes Vertrauen in mich." lachte er, als er sein Handy auf den Nachttisch neben dem Bett legte.
„Wieso?" fragte ich, als ich mich in das weiche Kissen kuschelte.
„Na dich hier so halb nackt neben mich zu legen." erklärte er.
„Du liegst doch auch halb nackt neben mir." konterte ich.
„Ich gehe mal davon aus, dass du dich zügeln kannst." sprach er, rutschte ein Stück herunter und legte ebenfalls seinen Kopf in's Kissen.
„Dito." entgegnete ich mit einem Grinsen.

Despite it all (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt