„André, was soll denn das?", meckert Val mit mir und ich zucke zusammen.
„Was?"
„Wieso liegen die Handtücher aus der drei jetzt in der eins?", will sie wissen.Die Behandlungsräume in unserer Praxis sind mit unterschiedlichen Farben betont und so hat beispielsweise Zimmer eins eine gelbe Wand, gelbe Dekorationselemente und nur gelbe Handtücher, die zwei alles in Blau und die drei alles in Grün.
„Hab ich wohl verwechselt", murmle ich und sehe zum wiederholten Mal auf die Uhr.Sie baut sich vor mir auf und stemmt die Hände in die Hüften. „Was ist los?"
„Was soll sein?"
„Du bist mit deinen Gedanken ganz woanders."
„Bin ich?"
Eindringlich sieht sie mich an. „Wer ist es?"
„Wer ist was?"
„André", motzt sie. „Wenn du jetzt gleich deinen Kopf abstützt und du beginnst zu seufzen, wäre ich nicht überrascht. In wen bist du verknallt?"
„Ich bin nicht verknallt", widerspreche ich energisch.
„André, da kommen Herzchen aus deinen Augen!"
„Tun sie gar nicht."„Hat dich der süße Barista endlich angesprochen?", stichelt sie und ich verziehe angewidert das Gesicht.
„Welcher Barista bitte?"
„Der kleine Aidan aus dem Coffeeshop neben dem Sonnenstudio", präzisiert meine Kollegin.
„Val, der ist zwölf. Und er hat Pickel."
„Er ist sicher schon volljährig. Er sieht nur verdammt jung aus. Und er steht auf dich", singt sie.
„Ich aber nicht auf ihn", singe ich zurück und blicke wieder auf die Uhr. „Musst du nicht weg?"
„Willst du mich loswerden?"
„Nein, aber du sollst auch keine Überstunden machen und ich habe nur noch einen Termin, also kannst du auch–"In diesem Moment öffnet sich die Tür der Praxis und Mason Donovan kommt herein. Schüchtern murmelt er ein „Hallo" und bleibt unbeholfen neben der Tür stehen.
„Hallo Mason", begrüße ich ihn freudestrahlend und Val beäugt ihn interessiert. Am liebsten würde ich sie treten, denn es fehlt nur noch, dass sie zu ihm geht und seinen Mund aufdrückt, um zu sehen wie es um sein Gebiss bestellt ist wie bei einem Pferd.„Ich bin gleich so weit", kündige ich an. „Geh ruhig schon mal in die drei."
Mason nickt und zieht seine Jacke aus, bevor er zu den Behandlungsräumen geht.
„Mach dich schon mal frei, Mason", stichelt Val leise in meine Richtung und ich hole aus, um ihr einen Klaps auf den Unterarm zu geben.
„Wo hast du den denn her?", will sie neugierig wissen und ich winke ab.
„Er ist ein Patient, er braucht Hilfe. Und du gehst jetzt", erkläre ich deutlich und sie kichert.
Augenzwinkernd geht sie zur Tür und flüstert verschwörerisch: „Viel Spaß noch mit Mason."
„Hau ab", lache ich und gehe zu Behandlungszimmer drei.Mason sitzt bereits nur in Boxershorts auf der Liege und fummelt verlegen an dem Handtuch unter sich herum.
„Wie geht es dem Kiefer?", frage ich und er zuckt zusammen.
„Äh ... gut, denke ich", erwidert er.
„Denkst du oder weißt du?"
Er zuckt mit den Schultern. „Zumindest hab ich nicht mehr dran gedacht."
„Das ist schon mal ein gutes Zeichen." Ich stelle mich hinter ihn. Vorsichtig lege ich meine Hände an seinen Nacken und taste die sonst so verhärteten Stellen ab. „Woran hast du denn sonst so gedacht?", frage ich möglichst unverbindlich.Sofort verspannt er sich unter meinen Fingern und fragt leise: „Warum hast du mich letzte Woche auf einmal gesiezt?"
Meine Hände unterbrechen ihre Bewegungen und ich räuspere mich. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten", gebe ich zu und beiße mir auf die Lippe, damit ich meine Enttäuschung darüber, dass er nicht, wie angedeutet, etwas zu Trinken mitgebracht hat, nicht preisgebe.
„Bist du nicht", wispert er kaum hörbar.Auf einmal ist die Atmosphäre im Raum eine andere. Ich habe das Gefühl, kaum atmen zu können und die Tatsache, dass Mason gerade nur spärlich bekleidet vor mir sitzt, ist mir mehr als deutlich bewusst. Vorsorglich trete ich einen Schritt zurück und reibe meine Hände aneinander, bevor sie wieder irgendetwas tun, das ich hinterher bereue.
„Warum hörst du auf?", will er wissen und seine Stimme klingt seltsam belegt.
„Aus dem gleichen Grund, aus dem ich dich letzte Woche gesiezt habe, Mason." Ich beschließe, dass die Handtuchrollen im Regal vielleicht mal wieder sortiert werden müssen. Schnell eile ich zum anderen Ende des Raumes, ziehe die Rollen heraus und beginne, sie einzeln wieder in das Regal zu stapeln, damit ich ihn nicht ansehen muss.„André?", fragt Mason auf einmal hinter mir und ich fahre erschrocken herum. Er steht ganz dicht vor mir, ich kann seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüren. Bevor ich zurückweichen kann, nimmt er meine Hand und legt sie an die Seite seines Halses.
„Ich glaube, da bin ich noch verspannt", flüstert er und sieht mir tief in die Augen. Vorsichtig streiche ich über die weiche Haut, über seinen Hals und sein Schlüsselbein. Mein Blick verfolgt meine Finger, denn ich spüre, wie er mich genau beobachtet.Ich weiß, ich sollte aufhören, ihm sagen, dass er zukünftig Termine bei Val bekommt, damit ich ihn nicht länger belästige, doch ich kann nicht. Ich bin wie gefangen. Langsam hebt er seine Hand und streichelt über meine Finger, die unterhalb seiner Schulter liegen. Ich halte die Luft an, will verhindern, dass ich etwas sage oder tue, das diese Spannung zwischen uns zerstört. Und dann schiebt er meine Hand zaghaft nach unten zu seiner Brust.
Augenblicklich schießt mein Blick zu seinen tiefblauen Augen, die mich weiterhin fixieren. Seine Zunge fährt über seine vollen Lippen und ich imitiere die Bewegung. „Wir sollten–", beginne ich, doch dann unterbricht er mich, indem er sich vorbeugt und seine Lippen unsicher auf meine legt. Sämtlicher Widerstand in mir verpufft, als er sich erschrocken von mir löst und „Oh Gott, André. Ich wollte nicht" murmelt, doch ich ziehe ihn wieder an mich und vereine unsere Lippen erneut.
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Rückblende | ✓
RomanceZwei Menschen, die sich lieben und doch trennen. Wie kam es dazu? Wie geht es weiter? Finden sie doch wieder zueinander? Eine etwas andere Art, eine Liebesgeschichte zu erzählen... ------------ ❝ „Tu doch nicht so! Hattest du das etwa nicht schon...