Kapitel 15

220 32 174
                                    

Ein silbrig glänzender Otter erschien wie aus dem Nichts vor ihr und schwebte über den eng beschriebenen Seiten ihres Dokumentes, die durch eine geglättete Kordel miteinander verbunden waren.

„Er ist gerade angekommen. Bis nach dem Essen wird er sicherlich bleiben", erklang Hermines Stimme mittels ihres Patronus-Zaubers, als stünde sie direkt im Raum. Amber erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln, ohne ihre Lektüre zu unterbrechen, während Hermines Patronus immer durchsichtiger wurde und sich schließlich mit der Luft vermischte und verschwand. Amber überflog die Notizen, die sie sich gemacht hatte, doch nachdem sie mehrere Zeilen gelesen hatte, ohne den Sinn zu erfassen, ergab sie sich stirnrunzelnd ihrer mangelnden Aufmerksamkeit und stand auf.

Amber wusste, was ihre Gedanken in eine andere Richtung trieb, was mehr Faszination und Spannung bot als die Beschäftigung mit Patientenakten, so vielschichtig deren Erkrankungen auch sein mochten. Sie war mit einem bestimmten Ziel nach London gereist, das sich deutlich von dem unterschied, das sie offiziell vorgab. Doch sie hatte sich nicht träumen lassen, dass es so unglaublich einfach werden würde.

Von dem Dekan der psychologischen Fakultät eine Gastdozentur angeboten zu bekommen, hatte nicht mehr Zeit in Anspruch genommen als es brauchte, im Speisesaal eine Mahlzeit einzunehmen. Bei dem Gedanken daran, wie leicht es war, selbst Magier, die sich mit der Psyche auskannten, zu manipulieren, konnte sich Amber eines Schmunzelns nicht erwehren.

Dass dann aber gleich Hermine ihren ersten Vortrag besucht hatte, war ein Glücksfall sondergleichen gewesen. Amber hatte Hermine Granger anhand der Bilder, die von ihr aus dem früheren Kampf gegen Voldemort existierten, sofort erkannt. Ihr gefiel die wissbegierige Art der jungen Hexe, nicht ungleich ihres eigenen Wissensdurstes, wenngleich sich Hermine vermutlich in deutlich andere Themengebiete vertiefte.

Für Amber beinhaltete der Bereich der dunklen Magie unverändert seine Faszination, denn noch längst nicht alles hatte sie entdeckt und ausprobiert. Geheime Quellen beherbergten Zaubersprüche und Zaubertränke, die nur darauf warteten, von ihr angewandt zu werden, sobald die Zeit reif war. Unbewusst fuhr Amber sich mit der Zunge über die Lippen und ließ sich die vielen verheißungsvollen Dinge durch den Kopf gehen, die dunkle Magie ihr ermöglichen würde...

Oh ja, sie hatte einen Plan, und diesen von London aus zu beginnen, würde der Schlüssel zum Erfolg sein!

Durch das Mansardenfenster hinaus sah Amber auf den steten Strom an Muggelfahrzeugen, was ein deutliches Kennzeichen einer nicht nur in Zauberkreisen pulsierenden Stadt war. Allerdings konnte man in der Magierwelt die Geschäftigkeit Londons nur in der Nähe des Ministeriums ahnen, wenn unzählige Magier wie von einem Magnet angezogen dem Ministerium zustrebten.

Amber schätzte die Nähe zu der verachteten Muggelwelt, die gleichsam von der Höhe ihrer Mansardenwohnung herab so fern schien, bot sich doch so die Möglichkeit, auch über die englischen Muggel etwas in Erfahrung zu bringen. Diese Dummköpfe, die so überheblich von den Jobs im Finanzdistrikt ihrem Zuhause zustrebten und sich in der Einbildung ihrer wichtigen Positionen unantastbar fühlten, hatten keine Ahnung, was ihnen blühte, fuhr es Amber durch den Kopf. Sie würden als Erste dran sein ...

Ohne die Notwendigkeit, ihre wahren Gefühle verbergen zu müssen, überzog ein gehässiger Ausdruck ihr Gesicht. Mit dem ökonomischen Herz der nicht-magischen Welt in ihrer Macht würde die Beherrschung der gesamten Muggel ein Kinderspiel sein. Obwohl Amber arrogant auf das Volk von Nichtmagiern herabsah ( selbst ein Hauself besaß mehr Fähigkeiten! ), hatte sie keinerlei Berührungsängste und wusste daher um die Verletzbarkeit des muggelschen Gesellschaftssystems, das auf einem gut funktionierenden Wirtschaftsleben basierte.

Und sie hatte die Abhängigkeit der Muggel von den kleinen schwarzen Kästen erkannt, die sie immer mit sich herumtrugen und dessen Fähigkeiten sie huldigten, ohne zu begreifen, dass diese wirklicher Magie nicht gewachsen wären. Es wäre ein Leichtes, sie mit einem gezielten Zauberspruch zu zerstören. Dennoch boten sie die perfekte Möglichkeit, den Muggeln süßes Gift in die Ohren träufeln zu können, ohne dass sie merken würden, wer die Macht über ihr Handeln und Tun übernommen hatte. Ja, es würde dauern, bis es so weit war, ohne Frage, aber sie hatte es nicht eilig...

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt