Kapitel 14

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Mit der anderen Hand umfasste Draco fest die Tischkante vor sich, die Anspannung verbreitete sich im ganzen Körper und er spürte die Schlagzahl seines Herzens ungeahnte Höhe erreichen. Sein Blick lag regungslos auf dem Elfen, der den Kopf schüttelte, als würde er eine umherkreisende Fliege abwehren, dann blieb Dorky plötzlich wie eingefroren stehen. Dracos heftiges Einatmen war für einen Moment alles, was zu hören war, dann...

Dorkys Glieder lösten sich und als hätte er nicht die letzten fünfzehn Minuten schon außerhalb von Dracos Zimmer verbracht, fuhr er fort, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben:

„Dorky ist sofort mit einem neuen Wein zurück, Sir."

Der Elf apparierte und auf Dracos Gesicht breitete sich ein triumphales Grinsen aus. Euphorisch ließ er die Faust auf den Tisch sausen, so dass die Vibrationen des Tisches im Raum widerhallten. Es war unglaublich, er hatte es geschafft! Die Zeit intensiver Analyse und ständiger Versuche hatte sich gelohnt. 

Mit seiner Intelligenz hätte er eigentlich auch dem Ravenclaw-Haus Ehre machen können, durchfuhr es ihn selbstgefällig, aber die ganzen Ravenclaw-Schüler strebten nicht nach Berühmtheit und Bedeutung, ihnen schien allein die intellektuelle Beschäftigung mit philosophischen oder naturwissenschaftlichen Sachverhalten zu genügen.

Draco war klar, dass noch ein gehöriges Stück Arbeit vor ihm lag, denn er hatte lediglich eine kleine Erinnerung zurückgeholt, die zudem noch frisch war. Was passierte mit lange zurückliegenden Erinnerungen? Umfassenderen Erinnerungen? Und würde sich der Zauber mit jedem Zauberstab ausführen lassen, nicht nur mit demjenigen, der den Vergessenszauber bewirkt hatte? Und würde man vielleicht auch nur Teile des durch den Vergessenszauber bewirkten Erinnerungsverlustes wiederherstellen können?

Jede Müdigkeit war jedoch im Nu wie weggeblasen und Draco sprang auf und tigerte unruhig in seinem Zimmer umher. Er brannte darauf, den neuen Spruch nicht nur an minderwertigeren Geschöpfen, sondern auch an einem Magier selbst auszuprobieren und einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, sich selbst seinem neuen Zauberspruch zu unterziehen. Obwohl es ihm gerade nicht darum ging, irgendetwas dauerhaft zu vergessen, kam ihm als Erstes unweigerlich in den Sinn, dass es durchaus Ereignisse in seinem Leben gab, auf deren Erinnerungen er gut verzichten konnte.

Den Schlag, den ihm Granger in ihrem dritten Schuljahr vor seinen Freunden verpasst hatte, als er über Hagrid hergezogen war, hätte er gern aus seinem Gedächtnis getilgt. Die Peinlichkeit, von einem Schlammblut, noch dazu einer Hexe, einen schmerzhaften Hieb versetzt bekommen zu haben, hatte ihn noch Tage geschmerzt, obwohl er Crabbe und Goyle dazu verdonnert hatte, niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu verraten.

Bei dem Gedanken an Hermine blieb Draco unvermittelt stehen und runzelte seine Stirn. Es war Wochen her, dass er sie in der Bibliothek aufgesucht hatte, doch sie hatte sich nie bei ihm gemeldet. Ihr Schweigen ließ nur zwei Schlussfolgerungen zu: entweder hatte sie die Todesursache von Tante Bella nicht in Erfahrung bringen können, was wohl hieß, dass es das Ministerium ebenfalls nicht wusste. Oder sie hatte sich dagegen entschieden, ihm zu helfen.

Aus unerfindlichen Gründen versetzte dieser Gedanke Dracos glücklicher Stimmung einen Dämpfer. Granger war längst mehr als das Schlammblut, als das er sie einst tituliert hatte, sie hatte sich zu einer fähigen und selbstbewussten Hexe entwickelt. Ihre Intelligenz war schon damals unbestritten gewesen, wenngleich sich diese meist nur in einer anstrengenden Ich-weiß-alles-besser-Mentalität präsentiert hatte. Und auch ihr Aussehen war inzwischen nicht zu verachten... Was fand sie bloß an dem Schlappschwanz Weasley, der ihr intellektuell überhaupt nicht das Wasser reichen konnte?

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt