Kapitel 76

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Mit einem sanften Lächeln nahm Amber Harrys Zauberstab vom Boden hoch und dann konnte Harry von seinem Blickwinkel aus nur erahnen, dass sie ihn auf die einige Meter entfernte Kommode an der Tür legte. Er warf sich mit seiner ganzen mentalen Kraft gegen den Zauber, der ihn gefangen hielt, doch seine Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt. Gemächlichen Schrittes kehrte Amber zu ihm zurück, bis sie direkt vor ihm stand und ihm mit einem ausgesprochen befriedigten Blick ins Gesicht sah. Harry knurrte aufgebracht, aber nicht ein Geräusch entrang sich seinen Lippen.

„Hast du wirklich geglaubt, Harry, du könntest es mit mir aufnehmen? Obwohl du wusstest, wer ich bin?"

Ambers Stimme war seidenweich, als spräche sie eine Liebkosung aus, doch das sich daran anschließende mitleidige Kopfschütteln vermittelte nicht weniger als Spott über seine Naivität, gefolgt von der Arroganz derjenigen, die wusste, dass sie alle Trümpfe in der Hand hielt:

„Ich würde dir immer einen Schritt voraus sein, ganz gleich, was du auch tätest."

Und dann zuckten ihre Mundwinkel vor unterdrücktem Lachen, als sie leichthin, als spräche sie über das Wetter, fortfuhr:

„Ich hatte eigentlich andere Pläne für heute. Aber sei es drum. Dann lass uns mal zum – zumindest für mich – amüsanten Teil dieses so überraschend verlaufenden Abends kommen."

Ihr Grinsen wurde unversehens breiter, es beinhaltete eine Verheißung, die für Harry angesichts der Situation nur eine Gefahr bedeuten konnte, aber noch bevor er sich fragen konnte, was Amber vorhatte, hob sie in unverkennbarer Geste ihren Zauberstab. Mit einer Stimme, die an Prägnanz nichts zu wünschen übrig ließ und die deutlich machte, dass Amber beabsichtigte, Harry nicht im Unklaren zu lassen über das, was ihm drohte, gebrauchte sie einen der unverzeihlichen Zaubersprüche:

„Crucio!"

Harrys Schock wurde sofort überlagert von den Schmerzen, die auf ihn einstürmten. Es war ihm, als würde sich ein Feuer in alle Teile seines Körpers hineinfressen und unkontrolliert entrang sich seinem Mund ein lauter Schrei, während er sich gleichzeitig zusammenkrümmte und verzweifelt die Hände an den Kopf presste.

So rasch, wie der Schmerz gekommen war, verschwand er auch wieder und wie aus weiter Ferne vernahm er Ambers belustigte Stimme:

„Wie du siehst, Harry, kann die Kraft des Cruciatus-Fluchs die Macht geringwertigerer Zaubersprüche brechen."

Die früher als so liebevoll empfundene, nun jedoch hassenswerte Stimme zu hören, elektrisierte Harry, mit einem Ruck richtete er sich wieder auf und schrie Amber an:

„Zur Hölle mit dir, Amber!"

Zorn überlagerte, was an Furcht in ihm steckte. Zorn darüber, nicht erkannt zu haben, dass er sich mit der Teufelin selbst eingelassen hatte, und rasende Wut darüber, sich ihr jetzt so ausgeliefert zu fühlen. Er konnte und wollte nicht akzeptieren, dass diese Hexe, mit der er das Bett geteilt hatte und der er all seine Gedanken anvertraut hatte, in der Lage war, ihn mit einem Folterfluch zu belegen, dem er ohne seinen Zauberstab nichts entgegenzusetzen hatte.

Fieberhaft sann er nach einem Ausweg. Wenn auch sein Zauberstab außer Reichweite war, Amber selbst war es nicht und Harry war entschlossen, seinen physischen Vorteil einzusetzen, um sie zu überwältigen. Mögliche Konsequenzen ignorierend warf er sich ihr mit einem Wutschrei entgegen, und fand sich kurz darauf am anderen Ende des Wohnzimmers wieder, wo er so heftig mit der Schulter gegen die Wand gestoßen war, dass ein glühender Schmerz seinen linken Arm durchfuhr.

„Habe ich dir nicht gesagt, Harry, dass ich dir immer einen Schritt voraus sein werde? Du solltest wirklich besser zuhören."

Ambers Stimme klang ruhig und ein wenig maßregelnd, als sei sie enttäuscht darüber, dass einer ihrer Vorzeigestudenten ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit zollte. Doch ihre nun ein paar Meter entfernte Haltung mit dem erhobenen Zauberstab ließ keinen Zweifel daran, dass es um mehr als nur eine Maßregelung ging.

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt