Am nächsten Mittwoch in der zweiten Pause kam Xander zu mir. Seine Freunde, unter anderem auch Emilio, waren einige Meter entfernt stehen geblieben.
„Hey..."
„Äh hi!"
Ich wandte mich so unauffällig wie möglich von meinen Freunden ab. Da ich die hohe Vermutung hatte, dass Xander nicht einfach so zum tratschen zu mir gekommen war. Die letzten Tage, hatte ich sehr oft über all das nachgedacht, was ich an diesem einen Nachmittag erfahren hatte. Immer und immer wieder war ich die Details in meinem Kopf durchgegangen. Ich hatte sogar meine Fähigkeiten mit den anderen verglichen und eigentlich das erste mal so richtig über sie nachgedacht. Nun, wo ich wusste, dass es kein Hirngespinst war, sondern Realität, viel es mir tausendmal leichter.
„Ich hab' von den Neuigkeiten gehört."
Er verstaute seine beiden Hände in den Hosentaschen.
„Also wenn du irgendwie Rat oder jemanden zu reden bauchst, du weißt schon. Dann meld dich einfach, das Gleiche gilt auch von meiner Mutter"
Bei der Erwähnung seiner Mutter, strich er sich durch die Haare und sah sich kurz um.
Was sollte ich darauf antworten?
„Danke" ich versuchte in dieses kleine Wort so viel Wärme zu legen wie es nur ging. Denn wie bescheuert es sich auch anhören mochte, mir viel einfach nichts besseres ein.
Jetzt presste er die Lippen leicht zusammen und nickte.
„Ja.... also ich geh dann mal wieder"
Ich folgte seinem Blick und erst dunkle Haare und dann Emilio direkt in die Augen. Erst als ich sah, dass Xander gehen wollte rappelte ich mich zusammen.
„Xander!"
„Ja?"
Jetzt sah er mir in die Augen.
„Ist es blöd wenn ich frage was du denn so...kannst?"
Er lächelte und drehte sich wieder ganz zu mir um.
„Natürlich nicht. Ich erkenn' Beziehungen zwischen Menschen. Deren Gefühle untereinander. „
„Oh, das hört sich belastend an."
Wieder lächelte er. Wie ähnlich unsere Fähigkeiten doch irgendwie waren.
Jedoch schien er trotz seiner Belustigung, überrascht, oder war er gerade deswegen so belustigt?
„Ja! Das kann man wohl sagen. Aber im Gegensatz zu deinen..." Er zog seine Augenbrauen hoch.
„Das stimmt wohl."
Also hatte Rayne meine Kraft weitererzählt....
Ach Quatsch, es hätte genau so gut seine Mutter sein können. Das war sogar wahrscheinlicher.
Musste das schön sein, mit jemand so nahem, über alles reden zu können, sich nicht verstecken zu müssen.
Xander sprach wieder.
„Ok, dann"
„Ja." Ich lächelte ihm noch leicht zu. Auch ein bisschen, um die Merkwürdigkeit unseres Gesprächs herunterzuspielen. Obwohl er es ja höchstwahrscheinlich selbst sah. Oder ging das überhaupt? Vielleicht geht seine Kraft ja auch nur bei anderen..
Xander war inzwischen wieder zu seiner Truppe gegangen.
Doch mehr als einem Kopf der zu mir sah, dabei war ich mir ziemlich sicher dunkle unverkennbare Haare gesehen zu haben, sah ich nicht, da meine Freundinnen auf mich ein stürmten.
„Was war das denn?"
„Läuft da was?"
„Ne oder? Du und Xander?"
„Hey, kommt mal wieder runter."
Es amüsierte mich sehr wie aufgeregt sie waren.
„Es ging nur um Französisch." Wie leicht es mir inzwischen gelang zu lügen, erschrak mich innerlich.
„Hmmm klaaaar...." Sina zwinkerte mir leicht zu.
Ich schüttelte nur den Kopf. Da würde ich so schnell nicht mehr raus kommen.Ich ärgerte mich immer noch über mich selbst. Mich selbst, meinen Stundenplan einfach alles. Heute Morgen war ich so in Stress geraten, dass ich doch mein ganzes Essen zuhause liegen gelassen hatte. Hinzukam, dass ich mir mit 13 Cent nicht einmal einen Kinderriegel im Kiosk kaufen konnte. Und wie das Schicksal so wollte, hatten alle meine Freundinnen sich heute natürlich nur spärlich essen eingepackt und ebenfalls kein Geld dabei. Zwar hatte Olivia mir ihre 20 Cent geben wollen, was immer noch viel zu wenig war, aber ich hatte von allen meinen Freundinnen ein kleines Stück Essen abbekommen. Trotzdem knurrte mein Magen gerade so laut! Wenn ich nachher zu Hause war, würde ich mir eine Pizza in den Ofen schieben und in der Wartezeit einen Joghurt-Spezial vertilgen. Oh man, jetzt hatte ich noch mehr Hunger...
Um meine Gedanken abzulenken versuchte ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren.
Herr Wolting wechselte jetzt erst von der Anwesenheitsliste zum wirklichen Thema. Er war aber auch wirklich der einzige Lehrer, der jede Stunde alle Namen der Liste durchging.
Gerade hatten wir das Thema Blut. Angefangen beim Blutkreislauf.
„Heute fangen wir eine kleine Projektarbeit an. Ihr werdet in Gruppen geteilt, beziehungsweise habe ich euch bereits eingeteilt. Ihr geht also gleich in die Gruppen und nimmt dieses Arbeitsblatt mit."
Er hielt einen Stapel kopierter Blätter in die Höhe.
„Liest es euch genau durch und folgt den Anweisungen. Ihr werdet einen Versuch machen, protokollieren und dann eine Präsentation vorbereiten, über eure Ergebnisse etc. Steht alles auf dem Blatt. Also dann sag ich euch jetzt die Gruppen."
Moritz meldete sich.
„Ja Moritz?"
„Bis wann muss die denn Präsentation fertig sein?"
„Es ist ja nur eine kleine, also bis zur nächsten Stunde."
Och ne. Ein seufzen ging durch die Klasse. Als Herr Wolting das hörte ging sein Kopf hoch schaute uns an wühlte dann aber weiter in seiner Tasche rum, fand anscheinend wonach er gesucht hatte und holte ein Heft heraus.
„Finja, Joanna, Dorian und Olivia"
Hmm Olivia war schon mal weg, das heißt die Arbeit wird nicht sehr spaßig.
„Sara, Zinoch, Paul, Dorian."
„Die dritte Gruppe sind Miro, Arne und Trina"
„Und die zweite Dreiergruppe sind dann Trevor, Runeel, Emilio."
Ahh, wie nervig das war das Lehrer mich immer Runeel nannten. Ja es war mein Name - auf dem Papier - aber alle nannten mich Rune. Ich mochte den Namen Runeel nicht. Ich hatte auch keine Ahnung warum meine Eltern mir so einen seltsamen Namen gaben. Besser gesagt, wusste ich nicht warum dieser auch meine Vorfahren so komisch gewesen waren und ihre Kinder so genannt hatten. Denn Meine Uhrgroßmutter, mütterlicherseits hatte so geheißen. Ebenso wie ihre Oma. Und bestimmt auch noch ein paar Omas von der, oder Tanten?
Und doch wie oft ich es sagte, Lehrer nannten mich doch bei meinem ganzen Namen.
„Ja?"
„Trevor ist ja nicht da"
Sofort hob ich meinem Kopf gerade so hoch das ich eine gute Übersicht hatte. Das war Emilios Stimme gewesen.
„Ah ja stimmt. Dann macht ihr es halt ohne ihn."
Da ich eben so sehr über essen nachgedacht hatte, war mir gar nicht aufgefallen dass er nicht da war. Ah, ah-nein. Nicht an essen denken. Neinnnnn.
Da sich jetzt alle in ihre Gruppen begaben, wollte ich auch schon aufstehen, als Emilio sich plötzlich schon neben mich setzte. Man könnte auch sagen, pflanzte.
„Hi"
„Hi"
Sein kantiges Gesicht, seine so dunklen Haare und so graue Augen. Direkt vor meinen. Das war alles, was ich sah.
„Ah du hast schon die Blätter mitgebracht..."
„Jup" er schon meins in die Mitte und fing ohne weiteres an zu lesen. Ich atmete einmal durch und fing dann auch an. Eine Stille überkam uns, während wir mit lesen beschäftigt waren. Mit einen räuspern versuchte ich diese zu brechen.
„Also...sizieren. Soll ich schon mal die Materialien holen?"Als ich mit dem Skalpell das Hühnerherz Aufschnitt, trat doch noch etwas Blut hervor. Aufgeschnitten, konnte man die Strukturen ziemlich genau erkennen. Jedenfalls, sobald man das Ungewohnte Bild von Gewebe entziffert hatte. Auch wenn ich eigentlich genaue Beobachtungen anstellen sollten, flitzen meine Gedanken schon wieder ab. Ich schob die Schale Emilio zu.
Als mir plötzlich auffiel das der ständige Druck von mir ab war. Keine Kopfschmerzen, keine Stimmen, Gedanken oder bedrückende Gefühle. Nur meine.
„Ich hoffe mal du hast keine Hämatophobie?" Er deutete auf die Schale die ich zu ihm geschoben hatte.
„Hämatophobie?" Phobie war Angst aber der Rest?
„Kein Blut sehen. Du hast die Schale weggeschoben nachdem du eine Blutige Stelle angeschnitten hast. Und hast weggeschaut." Emilios Stimme war abweisend.
„Oh nein" mit einem kleinen Lächeln versuchte ich das Gespräch etwas zu lockern.
„Ich bin einer der letzten die Blutphobie haben könnten. Eigentlich finde ich das total spannend." Er änderte seine Miene nicht. So, wie er es die ganze Stunde nicht gemacht hatte.
„Also nicht das Blut. Die Struktur, der Aufbau"
Fügte ich noch schnell hinzu, um nicht wie ein Psycho zu klingen.
„Eigentlich?" Plötzlich änderte sich seine Stimme, sie klang ein Stück freundlicher. Und irgendwie, freute mich das. Das, und die Tatsache, dass er so aufmerksam gewesen war. Was in dem Fall jetzt eher unpassend war, doch die Tatsache an sich erfreute mich seltsamer Weise.
„Äh...also ich find es interessant, meine Gedanken waren nur eben woanders."
Hoffentlich würde er es jetzt ruhen lassen. Ich hatte nicht vor ihm von meinen ganzen Angelegenheiten zu erzählen.Der Rest der Stunde verlief unereignissvoll. Wir arbeiteten so gut es ging an dem Projekt und kamen sogar bis zur Auswertung.
Zwischendurch, meldete sich mein Hunger durch ein Bauchgrummeln, hielt sich sonst aber ziemlich im Hintergrund.
Beim Einpacken erwähnte unser Bio Lehrer noch einmal das die ersten schon nächste Stumde den kleinen Vortrag halten sollten. Bei der Bemerkung konnte ich mir ein kleines Stöhnen nicht unterdrücken. So ging es ungefähr der halben Klasse.
„Wann sollen wir den Vortrag denn Vorbereiten? Vielleicht mal in einer Pause?"
„Wie wärs wenn wir einfach unsere eigenen Teile vorbereiten."
Wow, Teamgeist am Start.
„Naja, es wäre besser wir würden uns abstimmen."
„Dann schick ich dir meinen Teil wenn ich fertig bin"
Der abweisende Ton hatte wohl wieder die Führung übernommen.
Was sollte ich darauf antworten?
Ach, brauchte ich nicht mehr. Seine Freunde hatten ihn direkt in ein Gespräch verwickelt. Xander nickte mir kurz freundlich zu. Ich zog den Reißverschluss zu, lächelte Xander als Antwort entgegen und schulterte dann meinen Rucksack.
Sturkopf.Heute war ich zu Fuß nach Hause gegangen, nachdem der Hunger wieder lauter und die Bilder wieder eingesetzt hatten, war mir das am besten vorgekommen. Und beim Gehen hatte ich das Gefühl schneller nach Hause zu kommen, da ich etwas machte anstatt im Bus zu sitzen. Außerdem, war der Weg dann relativ Bilderlos über die Bühne gelaufen, bis auf zwei Hundebesitzer und einen Jogger. Bei dessen Anblick ich an die Hütte im Wald denken musste. Der Gedanke blieb. Und ich konnte nicht anders, als nicht dorthin zu gehen. Nur um zu sehen ob sie wirklich da war. Klar, ich hätte mir das alles nicht einbilden können aber trotzdem kam es mir immer noch so surreal vor. Ein kurzer Blick und ich könnte beruhigt nach Hause, ganz der Mission nach, den Kühlschrank aufzufuttern.
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Just like me ~ An Enemies to Lovers romantasy
RomanceWer hätte gedacht, dass joggen wirklich ein Leben verändern kann? Ich wusste, dass ich anders war, ziemlich anders. Denn nicht jeder kann in Menschen so hineinsehen, wie ich. Doch ich versteckte es. Aus gutem Grund. Bis er kam. Er ist arrogant. ...