Music For a Sushi Restaurant

57 4 15
                                    


Er betrat vor mir das Restaurant und ließ die Tür los, bevor ich eintreten konnte. Trotzdem gelang es mir die Bekanntschaft von meinen Kopf und der Tür zu verhindern. Zunächst verärgert über seine fehlenden Manieren, ermahnte ich mich selbst nicht so kleinlich zu sein. Schließlich konnte man heutzutage doch keinen Prinzen mehr erwarten, oder? Während er die Restaurantfachfrau nach unserem reservierten Platz fragte, schweifte mein Blick durch den Raum. Ich hatte erwartet, dass das Sushi Restaurant an einem Freitag besser besucht wäre. Doch das konnte auch an der Uhrzeit liegen. Meine Begleitung hatte schon immer in Bezug auf mich mit Unpünktlichkeit geglänzt. Da ich selbst auch Expertin darin war mich zu verspäten, war ich eigentlich nicht in der Position mich zu beschweren. Wir folgten der Dame zu unserem Tisch vorbei an einer lang gezogenen Theke auf meiner linken Seite zu unserem Tisch. Das Restaurant machte einen modernen Eindruck mit den Möbeln und Lampen im Industrial-Look und dem warmen braunen Holzfußboden. Die vielen grünen Pflanzen, die die Tische voneinander abgrenzten unterstrichen die gemütliche Atmosphäre des Raumes. 

Unser Tisch lag eher mittig im Raum sodass ich durch die Pflanzen hindurch die Menschen um mich herum beobachten konnte. Das war gut, so hatte ich etwas zu tun, falls Johnny wieder abgelenkt sein würde. Innerlich ermahnte ich mich wieder; wenn ich mit so einer Einstellung schon an dieses Date ging, gab ich ihm gar keine Chance sich zu beweisen. Wir hatten vereinbart, diesen Abend ohne Ablenkungen zu genießen. Selbständigkeit hin oder her, wenn Johnny wollte, dass es zwischen uns funktionierte, musste er mir beweisen, dass ich ihm wichtig war. Und ich dachte ein gemeinsames Abendessen, bei dem wir uns nur auf uns konzentrierten war nicht zu verlangt. Die Restaurantfachfrau gab uns die Speisekarte und ich stellte mit entsetzen fest, dass es hier bis auf einfachen Salat nur Sushi gab.  Wirklich jeder wusste über mich, dass ich keinen Fisch mochte. Schon gar nicht roh. Ich ließ meine Schultern kreisen und dachte daran, was ich Matilda sagte, wenn sie versuchte ihre Frustration in den Griff zu bekommen. Atme ein. Halte den Atem für ein paar Sekunden an. 21, 22, 23. Atme deine Gefühle aus. 

Nur, um den Abend nicht schon mit einem Protest zu beginnen, fragte ich Johnny, ob er sich schon etwas ausgesucht hatte. 

"Ich denke an die Tintenfischringe als Vorspeise und als Hauptspeise nehme ich die 63." Er schwieg für ein paar Sekunden und zog seine Augenbrauen zusammen. Einer seiner Hände verschwand unter den Tisch. Was macht er da? Er versuchte unauffällig unter den Tisch zu linsen. War das sein ernst? Es hatte kaum eine viertel Stunde gedauert und schon hatte er unsere Vereinbarung über Bord geworfen. 

Ich umklammerte mit beiden Händen meine Karte. Atmen, Martha, Atmen. "Was machst du da?" versuchte ich mit möglichst kontrollierter, ruhiger Stimme zu fragen. "Hmm?" Anscheinend hatte nicht zugehört. Ich schnaubte und versuchte es erneut, diesmal mit Humor. "Wo brennts, Herr Feuerwehrmeister?" ich rang mir ein lächeln ab und siehe da, er schaute auf. "Feuer... Was?" Mit hochkonzentrierter Miene legte er sein Handy auf den Tisch und gab somit das Versteckspiel auf. 

"Martha, Hör zu. Es ist wirklich wichtig ." Ist es das nicht immer?! dachte ich mir, als er weitersprach. "Hier ist diese riesige Chance, und wenn wir alles richtig angehen und diesen Investor gewinnen können, könnte uns das eine Menge Türen öffnen. 

Nicht ausflippen Martha. "Chance ist wirklich ein gutes Stichwort, Johnny. Ich habe uns durch diesen Abend auch noch eine Chance gegeben. Ich gehe jetzt ins Badezimmer und wenn ich wieder komme, musst du dich entschieden haben. Chancen gehen und Chancen kommen, wähle, welche dir wichtiger ist." Ich stand auf und begab mich mit geballten Fäusten Richtung Badezimmer.

Vor dem Spiegel stehend, war ich mir zu meinem Bedauern schon fast sicher, wie seine Entscheidung aussehen würde. Doch was wollte ich eigentlich? Ich versuchte normalerweise solche Überlegungen zu vermeiden, weil es so schwierig war, dieses Gedankenkarussel zu durchbrechen. Wieder einmal bin ich in einer unliebsamen Beziehung gelandet, weil Nein- Sagen nicht zu meinen Stärken gehörte. Durch einen Zufall war ich Johnny auf einem Event begegnet, auf dem mich mein Arbeitgeber mitgenommen hatte und ich sobald Matilda im Bett verschwunden war, wusste ich nicht viel mit mir anzufangen. Und in dem Moment traf ich auf Johnny. Im nachhinein verstand ich, dass er wegen meiner Arbeitgeber den Kontakt zu mir gesucht hatte. Es war einfach bequem gewesen mit Johnny zusammen zu sein. Die meiste Zeit hatten wir getrennt voneinander verbracht und bei unseren Dates begleitet er mich häufig auf Veranstaltungen. So wurde ich auf den Veranstaltungen nicht angegraben und ich war nicht alleine. Allein sein ist doof! Das hatte mir auch Matilda vorgeworfen, bevor ich mit meiner Verabredung davongedüst war. Nun, jetzt wäre ich wirklich viel lieber alleine, als hier in diesem Sushi Restaurant mit Johnny. Abgesehen davon, dass ich keinen Fisch mochte, konnte ichs kaum glauben, dass ich schon wieder an einen Egoisten als "Freund" geraten war. Ich war es leid meine Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich als Person nicht wahrnahmen und sich nicht die Mühe machten mich und was mich ausmachte kennenzulernen.

Deshalb arbeite ich auch so gerne mit Kindern. Sie nahmen die Realität und die Menschen um sie herum so an, wie sie waren. Für sie waren Authentizität, Aufrichtigkeit und das Verhalten entscheidend. Am Ende des Tages zählte für sie, wie jemand sich verhielt, anstatt die Sachen die man trug oder wie viel man besaß. Wenn man mich fragte, kamen wir Menschen als reine Wesen zur Welt, die von der Umwelt, der Gesellschaft sowie den Menschen in ihrem Umfeld geformt wurden. Für Erwachsene, die nicht das Glück hatten, eine erfüllte Kindheit zu erleben und denen viele Steine in den Weg gelegt worden waren, bedeutet dies umso mehr an sich selbst zu arbeiten, damit man zu dem Menschen wurde, der man sie wollte.

Ich schaute in den Spiegel vor mir. Das blaue A-linien Kleid, mit dem dünnen schwarzen Gürtel, harmonisierte wunderbar mit meinen blauen Augen. Ich betrachtete meine kürzlich auf schulterlänge geschnittenen, braunen Haare, die mein Gesicht umrahmten. Ich wusste, dass ich eine unangenehme Entscheidung zu treffen hatte.

Entweder ich versuchte meine Erwartungen an Johnny herunterzuschrauben oder ich zog einen Schlussstrich. Normalerweise hatte ich keine Probleme damit, Konflikte einzugehen, denn sie konnten wie die Luft nach einem Gewitter, herrlich erfrischend sein. Doch für mich selbst zu sorgen, für mich selbst einzustehen, war etwas an dem ich noch arbeiten musste. Der Plan war mit der neuen Frisur auch zu einer neuen Martha zu werden. Doch wie so oft im Leben war das leichter gesagt als getan. Ich atmete noch ein paar Mal ein und aus, um mich selbst zu beruhigen, bevor ich mich wieder an den Tisch zu Johnny begab.  

As it wasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt