Am darauffolgenden Nachmittag trafen wir uns zur Modenshow bei Dakota. Stundenlang stylten wir uns für das Eröffnungsfest am Abend. Auch wenn ich nicht wusste, wozu dieses Aufbrezeln gut sein sollte, es hatte Ähnlichkeit mit den Vorbereitungen des Cheerleaderteams in L.A. kurz vor einem Spiel. Dakota wählte für sich ein Kleid aus, welches sich eng an ihre Kurven schmiegte. Ich war kein Freund von Kleidern und entschied mich wie immer für Jeans und ein Tank Top, dazu trug ich meine Dock Martins.
Als es an der Tür klingelte, huschte ein Lächeln über Dakotas Gesicht. Dakotas Mom hatte die Tür schon geöffnet, als wir an die Treppe kamen und ein wirklich gut aussehender Tucker im Eingangsbereich stand. Tucker hatte sein tiefschwarzes Haar mit Gel verwuschelt. Zu seinem schwarzen Jackett trug er ein weißes Hemd und darunter - ganz legere - eine Bluejeans. Meine Freundin rannte die Treppen hinunter, schlang ihrem Freund die Arme um den Hals und er küsste sie zaghaft auf den Mund.
Dakotas Mutter konnte es sich nicht nehmen lassen und platzierte uns nebeneinander für ein Foto. Wir Mädchen nahmen Tucker in die Mitte und hakten uns bei ihm unter. Dann stolzierten wir gemeinsam zum Haus hinaus und liefen der Musik, die durch die Abenddämmerung hallte, entgegen.
Es war ein herrlicher Sommerabend. Nicht so heiß, wie es hier tagsüber oft war, und nicht so kalt, dass Dakota in ihrem dünnen Sommerkleidchen frieren musste.
Der Festplatz lag etwas außerhalb von Vallington. Unser Weg führte uns vorbei an wunderschönen, gepflegten Gärten mit weißen Gartenzäunen – ganz genau so, wie die meisten Gebäude hier in der Gegend aussahen –, vorbei an Häusern, die reichlich geschmückt waren mit bunten Wimpeln und Fähnchen. Lampions in allen Farben und Größen beleuchteten die Gärten und schmückten die Verandas der Kleinstadthäuser. In der Ferne konnten wir schon die Lichter der Zirkuskuppel sehen.
Das Sommerfest wurde in Vallington immer groß aufgezogen, mehr für die Touristen als für die Einheimischen. Für die Bewohner von Vallington bedeutete das Fest aber nicht nur, dass etwas Geld in ihre Taschen floss, sondern es war auch eine willkommene Abwechslung im sonst so langweiligen Kleinstädter Leben.
Wie jedes Jahr war auch dieses Mal wieder ein Zirkus in der Stadt. Natürlich wollte sich Dakota die Pferde nicht entgehen lassen – sie liebte Pferde. Also steuerten wir als Erstes den Zirkus an, um die Tiere bei ihren Kunststücken, die ihnen mühsam beigebracht wurden, zu bewundern.
Am Eingang des Zeltes stand eine ältere Dame, der Kleidung nach eine Zigeunerin, dem Aussehen nach eine Miwok, eine Angehörige der Ureinwohner in dieser Gegend. Ihre langen grauen Haare hingen strähnig in ihr Gesicht bis herunter auf ihre Schultern. Ihre Haut war runzlig, vom Leben gekennzeichnet und hing schlaff an ihren Armen. Freundlich lächelte sie uns aus blassen, eingefallenen Augen an.
Als wir das Zelt betreten wollten, griff sie nach meiner Hand. „Lass mich einen Blick in deine Zukunft werfen." Ohne eine Antwort abzuwarten, betrachtete sie meine Handfläche. Ihre Lippen wurden schmal, sie runzelte die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen. Ihre Finger, mit denen sie mein Handgelenk fest umschlossen hielt, zitterten. „Es ist soweit", murmelte sie zu meiner Hand. Dann blickte sie mir mit ernstem Gesicht in die Augen. Tucker schüttelte im Rücken der Frau den Kopf, als wollte er sagen: „Nimm das bloß nicht ernst!"
„Dein Schicksal wird sich bald erfüllen", fuhr die Zigeunerin fort. „Eine große Aufgabe steht dir bevor." Sie nahm meine Hand zwischen ihre und drückte mir etwas in die Handinnenfläche, dann verschloss sie meine Finger zur Faust. „Du bist wahrlich auserwählt. Nutze dein Geschenk sinnvoll."
Ich entzog ihr meine Hand und starrte sie entgeistert an. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich von uns ab und ging in das Zelt.
Ich starrte ungläubig auf meine geschlossene Faust, dann öffnete ich sie langsam, Finger für Finger. Etwas Silbernes blitzte mir entgegen, als ich vorsichtig durch einen Spalt lugte.
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Vampirblut
Fantasy»Plötzlich war der Mann, den ich liebte, eine Bestie und ich die Einzige, die ihn aufhalten konnte.« Josie hat sich selbst noch nie als Teil der indianischen Legenden ihrer Großmutter gesehen. Daran ändern auch die Albträume nichts, die die Siebzehn...