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Die Tür stand einen Spalt offen. Drinnen raschelte Papier. Ich trat an die Tür und wollte sie gerade aufdrücken, als ein Luftzug von drinnen zu mir getragen wurde. Ich schnupperte, doch der Geruch glich nicht dem von William. Er hatte schon etwas von einem Vampir, aber nicht von William.

Vorsichtig spähte ich durch den Spalt in die Bibliothek. Ich konnte niemanden sehen, also drückte ich die Tür noch etwas weiter auf. Sie knarrte.

Mist.

Vor dem Kamin hockte ein Mann, von Kopf bis Fuß in einen langen Mantel eingehüllt. Man sollte meinen, dass der für Kalifornien viel zu warm war, also nahm ich an, dass das ein Vampir war, und der Mantel ihn vor der Sonne schützen sollte. Zumindest wäre die Frage, wie Vampire sich bei Tag draußen bewegen konnten, so beantwortet.

Das Knarren der Tür hatte den Vampir aufgeschreckt, ruckartig drehte er sich um und blickte mich mit verstörtem Gesicht an. Er schnupperte, aber mein Geruch schien ihn zu verwirren. Einen Augenblick war er wie erstarrt, machte einen Satz auf den Schreibtisch, und glitt dann mit einem Stapel Bücher im Arm, behände wie eine Raubkatze, zum Fenster der Bibliothek hinaus.

Also doch Vampir.

Ich stieß die Tür auf, und mein Blick fiel auf das Chaos, das der Vampir uns hinterlassen hatte. Nachdem ich die kreuz und quer verstreuten Bücher aufgesammelt hatte und auf einem Stapel wieder auf dem Schreibtisch gelegt hatte, bemerkte ich, dass das Buch mit dem Text zum Tor fehlte. Die Dämonenenzyklopädie war aber noch da.

Ich hinterließ William einen Brief mit einer Erklärung zu dem, was ich gerade gesehen hatte, nahm die Dämonenenzyklopädie unter meinen Arm und ging – mit zitternden Knien – nach Hause.

Meine Großmutter begrüßte mich mit einem knappen: „Ich will nicht, dass du dich mit diesem Jungen weiterhin abgibst. Der ist gefährlich." Mit einem Stirnrunzeln ließ sie mich verdattert im Eingang stehen.

Mir klappte der Mund auf. So kannte ich meine Oma gar nicht. Ich schluckte schwer und folgte ihr dann in die Küche, fest entschlossen sie zur Rede zu stellen.

„Wieso?", brachte ich nur verärgert heraus.

„Der ist nichts für dich", sagte sie mit dem Rücken zu mir.

„Ich versteh das nicht. Er ist doch nett", antwortete ich leicht verzweifelt über Großmutters abweisende Haltung.

„Er ... Er ist anders. Anders als die Jungs, die du kennst." Jetzt blickte sie mich mitleidig an.

Ich zog die Augenbrauen hoch. Konnte sie wirklich etwas wissen? „Was ist anders an ihm?", hakte ich ungeduldig nach.

„Das verstehst du nicht."

„Dann erkläre es mir." Ich verschränkte abweisend die Arme vor der Brust.

„Das kann ich nicht. Triff dich einfach nicht mehr mit ihm." Nervös rang sie ihre Hände, Schweißperlen traten ihr auf die Stirn.

Ich überlegte, ob sie wirklich wissen konnte, was William war. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Trotzdem, ihre aufgelöste Haltung, sprach dafür. Aber ich war nicht bereit, mir den Kontakt zu William verbieten zu lassen. Schon jetzt war die Trennung zu ihm nur schmerzlich für mich, was die Diskussion mit meiner Großmutter nur noch verschlimmerte.

„Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann sehe ich keinen Grund, mich von ihm fernzuhalten", gab ich wütend zurück, drehte mich auf dem Absatz um und wollte gerade die Küche verlassen, als ich hörte, wie meine Großmutter tief einatmete.

„Du triffst dich nicht mehr mit ihm. Ende der Diskussion", sagte sie.

Wie angewurzelt blieb ich stehen. Langsam drehte ich mich wieder zu ihr um, nur um mir Zeit zu geben, meine entgleisten Gesichtszüge wieder in Ordnung zu bringen. Ich konnte die Angst an meiner Großmutter riechen. Ein scharfer, brennender Geruch. Ich rümpfte die Nase. Immer waren diese Vampirkräfte wohl doch nicht gut. Ihr Herz klopfte viel zu schnell und ihr Gesicht war blass. Zitternd drückte sie ihre Hände an die Seiten ihres Kittels, den sie immer trug, wenn sie zu Hause war. „Ich kann dir nicht sagen warum. Vertrau mir einfach."

VampirblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt