Ich erwachte in meinem Zimmer und blinzelte in die Dunkelheit. Es dauerte etwas, bis mein Gehirn wieder in Gang kam, doch dann stürzten die Ereignisse des Abends wieder auf mich ein. Ich sah meinen Angreifer und William, wie er mich rettete, und dann verblasste die Erinnerung. Angestrengt dachte ich nach, suchte in den entfernten Winkeln meines Gedächtnisses nach der Erklärung, wie ich nach Hause kam. Doch da war nichts, nur ein schwarzes Loch. Frustriert stieß ich den gesamten Inhalt meiner Lunge auf einmal aus, sodass meinen Lippen ein langes „Pffffff" entkam. Aus der Ecke meines Zimmers kam als Antwort darauf ein Hüsteln.
„Grandma? Grandpa?" Ich blinzelte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Etwas knarrte leise. Es klang, als würde sich jemand aus dem Ledersessel erheben. Ein Schemen trat langsam auf das Bett zu.
„Nicht erschrecken. Deine Großeltern schlafen schon. Ich habe dich nach Hause getragen." Eine samtweiche, freundliche Stimme kam von der Person. Ich erkannte diese Stimme sofort, denn sie hatte sich schon bei unserer ersten Begegnung fest in mein Gedächtnis gebrannt. William. Er war hier, hier in meinem Zimmer, mit mir allein.
Mein Puls beschleunigte sich in einen unnatürlich schnellen Rhythmus. Ich versuchte, ganz leise zu atmen, damit er meine Aufregung nicht bemerken konnte, was eine leichte Atemnot in mir auslöste. Mit zitternden Fingern tastete ich nach dem Schalter meiner Nachttischlampe, den Blick auf den Schatten neben meinem Bett gerichtet. Es dauerte eine unangenehme Ewigkeit, dann knipste ich endlich das Licht an.
Mit einem Lächeln in seinem Gesicht reichte er mir seine Hand. Ich rückte verwirrt und verängstigt ein Stück ab von ihm. Meine Gefühle sprangen hin und her zwischen freudiger Erregung und der Tatsache, dass ein mir eigentlich fremder Junge mit mir in meinem Zimmer war – allein. Nur er und ich.
William nahm wohl an, ich hätte Angst vor ihm, dabei befürchtete ich nur er könnte das Chaos der Gefühle in mir spüren, also versuchte er, mich zu beruhigen. „Keine Angst ich tue dir nichts. Du bist vorhin ohnmächtig geworden. Ich habe dich nach Hause getragen. Deine Großeltern haben zum Glück schon geschlafen. So konnte ich unbemerkt in dein Zimmer gelangen."
Zum Glück, schoss es mir durch den Kopf, hatte meine Mutter heute die Spätschicht im Diner übernommen. Aber es war mir ein Rätsel, wie er sich ins Haus schleichen konnte, mit mir als Last, ohne dass meine Großeltern seine Schritte auf den Holztreppen vernommen hatten. Außerdem achteten meine Großeltern immer darauf, dass die Haustür verriegelt war, wenn sie schlafen gingen.
„Wie ...?" Ich konnte meine Frage nicht zu Ende formulieren, da beantwortete er sie schon, als hätte er meine Gedanken gelesen.
„Ich habe den Schlüssel in deiner Hosentasche gefunden." Er lächelte mich mit einem traumhaften Lächeln an und ich konnte nicht anders, als ihm zu glauben. Wie konnte man diesen kornblumenblauen Augen auch nicht vertrauen? Ein Glanz wie aus Seide lag auf ihnen. Er lächelte noch immer beruhigend auf mich herab. Trotzdem konnte er die Anspannung nicht vor mir verbergen. Er wirkte nervös, als kämpfte er gegen etwas an.
„Wirklich, ich habe nicht vor, dir wehzutun. Wenn du magst, geh ich gleich wieder." Seine Stimme klang brüchig und angestrengt und ich war mir sicher, dass ihn etwas genauso sehr verängstigte wie mich. Nur was? Wenn hier jemand fürchten musste, er könnte gleich das Opfer des anderen werden, dann ja wohl ich. Sein zauberhafte Lächeln wich einer ernsten Miene.
Ich schüttelte den Kopf, noch immer nicht fähig zu sprechen.
„Wie geht es dir? Ach was frag ich, sicher stehst du noch unter Schock." Mit immer noch besorgter Miene setzte er sich langsam auf den Rand meines Bettes, bedacht darauf, genügend Abstand zwischen uns zu halten.
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Vampirblut
Fantasy»Plötzlich war der Mann, den ich liebte, eine Bestie und ich die Einzige, die ihn aufhalten konnte.« Josie hat sich selbst noch nie als Teil der indianischen Legenden ihrer Großmutter gesehen. Daran ändern auch die Albträume nichts, die die Siebzehn...