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Als meine Mutter von Arbeit kam, saß ich in der Küche und stopfte Unmengen von Großmutters Apfelkuchen in mich hinein. Essen half mir schon immer, meine Probleme zu vergessen. Mit einem Grinsen im Gesicht setzte sie sich neben mich an den Tisch.

„Und? Erzähl ich will alles wissen über deinen süßen Freund. Warum hast du mir nichts davon gesagt?", fing meine Mutter an.

Jetzt war es wohl soweit, ich musste mich der Sache stellen. Meine Mutter würde sich nicht länger hinhalten lassen, also nahm ich all meine Kraft zusammen, baute eine emotionale Schutzmauer um mein Herz und gab ihr, was sie wollte: Antworten. „Weil es da nichts zu erzählen gibt, Mom", antwortete ich so knapp wie möglich, was meiner Mutter aber nicht ausreichte. Sie wollte mehr Informationen.

„Wie Nichts sah das aber nicht aus. Ich habe sehr wohl gesehen, wie ihr Händchen gehalten habt, und was er dir für Blicke zugeworfen hat. Nun erzähl schon, schließlich bin ich deine Mutter und hab ein Recht, so was zu erfahren", drängte sie mich, leicht angesäuert über meinen offensichtlichen Unwillen, sie über William aufzuklären.

Dieses Gespräch bewegte sich in eine ganz andere Richtung als ich gedacht, vielmehr gehofft hatte. Ich hatte angenommen sie würde mir Vorwürfe machen, weil ich mich überhaupt mit einem Jungen traf, aber nein, so wie es schien, fand sie noch Gefallen daran, dass ich Dates hatte.

„Mom, William ist nicht mein Freund, er hat das nur gemacht, um dich zu provozieren, mehr nicht. Und du hast nicht das Recht, mich über mein Privatleben auszuhören", sagte ich und gab mir Mühe, genervt zu klingen.

„Wie alt ist er denn?", hakte meine Mutter nach, die immer noch nicht gewillt war, aufzugeben.

Mir fiel dieses Gespräch zunehmend schwerer und ich hoffte, sie würde endlich Ruhe geben, bevor ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, und ich ihr dazu Rede und Antwort stehen musste. „Viel zu alt", antwortete ich etwas energischer, wobei mir schlagartig bewusst wurde, dass das durchaus stimmen konnte.

„Ph, dann eben nicht", gab meine Mutter enttäuscht zurück.

„Wann trefft ihr euch wieder?", fragte sie wütend. Ihre Stirn war gerunzelt und die Augenbrauen hatte sie über der Nase zusammengezogen.

„Gar nicht, Mom. Wir treffen uns gar nicht. Das gestern war nur ein Zufall. Er wollte nur wissen, wie es mir geht, nach unserem kleinen Unfall vor paar Tagen, du weißt schon."

Ich stand auf, in der Hoffnung, dass ihr das jetzt als Antwort reichte, denn ich hätte meine Fassade keine Sekunde länger aufrechterhalten können. In meinem Hals hatte sich ein schmerzender Kloß gebildet und Tränen suchten sich ihren Weg aus meinen Augen. Ich schluckte den Kloß runter und ging zum Gegenangriff über, bevor meine Mutter noch eine Frage auf mich abfeuern konnte. „Ich treffe mich dann gleich mit Dakota und Tucker im Diner. Ich hoffe das geht klar?" Ich hatte zwar noch eine knappe Stunde Zeit, bis wir uns treffen wollten, aber je eher ich hier raus kam, desto besser.

Ich wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern ging bemüht unauffällig die Treppen zu meinem Zimmer hoch. Oben angekommen gab ich meinen Kampf gegen die Tränen auf und warf mich schluchzend auf mein Bett.

Irgendwann zwischen dem ersten und dem zweiten Heulkrampf registrierte ich etwas Glattes, Kühles unter meinen Fingern. Ich hob den Kopf von meinem feuchten Kissen und blinzelte den Schleier aus meinen Augen. Ein säuberlich zusammengefaltetes Blatt Papier lag auf meinem Bett. Ich faltete es langsam und mit zitternden Fingern auseinander, blinzelte noch ein paar Mal und hielt die Luft an: ein Brief von William.

Liebe Josie!

Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe.

Ich habe nie gewollt, dass du so für mich empfindest, noch habe ich geplant, eine nähere Bindung zu einem Menschen einzugehen.

Ich hoffe du kommst bald über diese schmerzliche Enttäuschung hinweg.

Vielleicht wäre es für uns beide das Beste, wenn wir einander nicht mehr sehen würden.

Ich wünsche Dir ein glückliches Leben.

William

PS: Gib bitte acht auf Dich. Irgendetwas geht hier vor.

Ich schluckte, mein Magen krampfte sich zusammen. Das war ja wohl nicht sein Ernst? Wollte er mir vormachen, dass er sich um mich sorgte? Glaubte er wirklich, ich würde ihm das abkaufen? Ihm, einem Vampir? Einem seelenlosen Wesen. Gehörte das zu seinen kleinen Psychospielchen? Ich zerknüllte das Blatt Papier und schleuderte es wütend in eine Ecke meines Zimmers.

Eins stand fest, ich sollte mir überlegen, wie ich mein Zimmer vampirsicher machen konnte. Das Kreuz hatte ihn zwar verletzt, aber nicht aufgehalten. Knoblauch half – nach Williams Aussage – auch nicht. Was vertrieb Vampire denn noch so? Weihwasser? William hatte etwas von einem Schutzzauber erwähnt, aber mit so was kannte ich mich überhaupt nicht aus. Nein, ich glaubte ja nicht mal an Magie. Aber an Vampire hatte ich auch nicht geglaubt. Vielleicht würde ich morgen im Internet nach Bannzaubern suchen? Bei der Gelegenheit könnte ich mich ja auch nach einem Antiverliebtheitszauber erkundigen. Wenn schon denn schon, dachte ich sarkastisch.

Irgendwie musste ich es schaffen, ihn aus meinem Zimmer, und damit auch aus meinem Leben rauszuhalten. Nur wie? Ich beschloss fürs Erste darauf zu achten, dass meine Fenster immer verschlossen waren. Bestimmt würde er es nicht wagen, zur Haustür hereinzukommen, wo er auf meine Großeltern und auf meine Mutter treffen konnte. Und das Kreuz, das sollte ihn und andere Vampire sicher auch abschrecken. Schnell nahm ich es von der Fensterbank, wo es seit gestern lag und legte mir die Kette um den Hals, bevor ich mich mit Dakota und Tucker traf, um ins Diner zu gehen.

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