Ich lag im Bett, hatte mein Nachthemd wieder angezogen und ein Buch in meinen Händen, als meine Mutter das Zimmer betrat.
„Ich habe dir was zu Essen aus dem Diner mitgebracht. Mir ist aufgefallen, dass Williams Küche nicht viel hergibt. Die jungen Männer ernähren sich wohl nur außerhalb", sagte sie und lachte. „Wie geht es dir?"
„Bis auf die hämmernden Kopfschmerzen, recht gut." Dabei hatte ich nicht einmal gelogen, denn meine neue Hörfähigkeit verursachte tatsächlich Kopfschmerzen. Ich musste wohl erst lernen, die neue Lautstärke, die mich jetzt umgab, zu kontrollieren. Nervös zupfte ich an meiner Bettdecke. „Was hast du denn mitgebracht?"
„Pommes, einen Bürger und zum Nachtisch gibt es Apfelkuchen von Oma." Sie hielt mir eine Plastikschale unter die Nase, die verlockend nach Zimt roch. „Oma war nicht gerade glücklich, dass du hier übernachtest. Sie hat wohl weniger vertrauen in deine Zurückhaltung als ich. Du hältst dich doch zurück, oder?" Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Mom, bitte. William und ich, wir sind nicht zusammen. Da passiert schon nichts. Er ist nur ein Freund, mehr nicht. Hab ich dir doch gesagt." Leider, fügte ich in Gedanken hinzu. Aber da war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
„Wenn du das sagst", entgegnete sie wissend. Sie hatte mich längst durchschaut. „Morgen kommst du auf jeden Fall wieder mit nach Hause. Oma reißt mir sonst den Kopf von den Schultern. So hab ich sie noch nie erlebt." Meine Mutter schüttelte gedankenverloren den Kopf.
Merkwürdig, diese Reaktion meiner Großmutter auf William. War das wirklich nur Angst davor, dass ich mit ihm schlafen könnte? Wusste sie vielleicht etwas von ihm, mehr als mir bewusst war? Nur woher sollte sie das wissen? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich verdrängte das ungute Gefühl und widmete mich meinem Essen.
„Dakota und Tucker haben heute bei Kerzenschein im Diner ihren Jahrestag gefeiert. Ist das nicht süß?", verkündete meine Mutter. „Dieser Tucker ist aber auch ein wirklich netter Junge."
„Ja, das ist er", bestätigte ich mit vollem Mund.
„Na ja, dein William ist ja auch nicht von schlechten Eltern", fügte sie noch schnell hinzu. „Ein bisschen alt, aber sehr nett. Und toll sieht er ja aus."
„Er ist nicht mein William", antwortete ich bissig. Ob normale Mütter auch versuchten, ihre Töchter mit Vampiren zu verkuppeln? Meine jedenfalls war drauf und dran das zu tun.
„Mom lass das, wirklich. Wenn ich mit William zusammen sein will, werde ich das selber tun, ohne deine Hilfe." Sie musste ja nicht wissen, dass ich schon daran arbeitete. Ob sie noch genauso denken würde, wenn sie wüsste, was William war? Wäre zu bezweifeln. Es würde schon schwer werden, meine neuen Kräfte zu erklären, aber, dass ihre Tochter einen Vampir liebt, würde sie wohl endgültig überfordern.
Noch war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt jemand von meinen Kräften erzählen sollte, wahrscheinlich aber ginge das sowieso nicht. Wie sollte ich denn erklären, woher ich diese Kräfte hatte, zumal ich sowieso nicht wusste, ob ich sie in ein paar Tagen noch haben würde. Es wird wohl besser sein, diese Sache für mich zu behalten. Unvorstellbar, wie die Leute darauf reagieren würden, und erst wenn ich erzählte, dass es Vampirkräfte sind. Nein, absolut unmöglich, das zu erzählen. Schade eigentlich, die Reaktion meiner Mutter auf meine Hypergeschwindigkeit hätte ich schon gerne gesehen. Wahrscheinlich wäre sie in Ohnmacht gefallen.
Bevor meine Mutter ging, konnte sie es sich nicht nehmen lassen, mich noch einmal zu warnen, was die Sache mit dem Sex anging.
Ich verdrehte die Augen und schickte sie aus dem Zimmer, mit der eindringlichen Bitte, sich vor William zu benehmen. Um sicherzugehen, dass sie sich daran hielt, strengte ich meine Ohren an und lauschte, bis sie das Haus verlassen hatte. Kaum war sie gegangen, hatte ich mir schon Jeans und Shirt übergezogen und war nach unten in die Bibliothek gerannt.
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Vampirblut
Fantasy»Plötzlich war der Mann, den ich liebte, eine Bestie und ich die Einzige, die ihn aufhalten konnte.« Josie hat sich selbst noch nie als Teil der indianischen Legenden ihrer Großmutter gesehen. Daran ändern auch die Albträume nichts, die die Siebzehn...