Die letzten Ferientage vergingen ohne große Zwischenfälle. Die Zeitungen berichteten von keinen weiteren Vermissten. Es war ruhig in Vallington. Vielleicht zu ruhig.
In den ersten Tagen nach Williams Verschwinden trafen Dakota, Tucker und ich uns noch einige Male in Williams Haus. Wir hatten alle Bücher von Williams Vater durchgearbeitet. Leider fanden wir keine brauchbaren Hinweise mehr.
William war noch immer nicht zurückgekehrt und langsam wurde der tröstende Duft, der mich in Williams Haus umgab, schwächer und durch den Geruch von Menschen ersetzt. Es war fast so als wäre dieses Haus jetzt nicht mehr das zu Hause eines Vampirs, sondern das von Menschen – das zu Hause von Dakota, Tucker und mir.
Wir verbrachten fast alle Nachmittage hier. Wir wollten bestmöglich vorbereitet sein, wenn William wieder kam, für den Fall, dass nicht mehr viel Zeit blieb, bis Echnaton seine Pläne wahr machen würde. Die andere Seite hielt sich vielleicht im Moment im Hintergrund, das musste aber nicht heißen, dass sie ihre Pläne geändert hatte. Das war eher unwahrscheinlich.
Meine Großmutter sprach kaum noch mit mir. Nur die nötigsten Dinge. Mir war es recht und ich versuchte ihr so weit es ging, aus dem Weg zu gehen. Natürlich hatte ich Fragen - Fragen zu mir und der Legende, aber ich wollte ihr nicht noch mehr Kummer und Schmerz bereiten, also mied ich das Thema, wenn wir uns doch mal über den Weg liefen.
Zu Hause gab ich mir Mühe, die alte Josie zu sein. Die, die nichts von der Welt der Schatten wusste. Der Welt, die jetzt ein Teil von mir war.
Die letzten beiden Ferientage verbrachten wir drei damit, uns auf die Schule vorzubereiten. Jetzt blickte ich dem ersten Schultag in Vallington nicht mehr mit so viel Furcht entgegen. Viele meiner künftigen Klassenkameraden hatte ich schon kennengelernt. Ich war froh, dass mir so das Gegaffe am ersten Schultag erspart blieb.
Ich vermied es, viel an William zu denken, denn der Schmerz war noch zu groß. Ich vermisste ihn von ganzem Herzen und mit jedem Tag, der schwand, verlor ich mehr und mehr die Hoffnung, dass er bald zurückkehren würde.
Wir sprachen alle drei nicht über die Möglichkeit, dass Echnaton siegen könnte. Aber wir befassten uns damit, dass unter Umständen wir drei alleine den Kampf aufnehmen mussten. Auch wenn Tuckers Vater nicht gerade glücklich über diese Vorstellung war. Deswegen waren wir froh, dass William mir den Schlüssel zu seinem Haus anvertraut hatte. So hatten wir einen Ort, an dem wir uns ungestört und ohne Angst mit den Dingen befassen konnten, von denen normale Menschen nichts wussten.
Irgendwie erfüllte uns – besonders Tucker – der Gedanke mit Stolz, die Einzigen zu sein, die wussten, was hier wirklich passierte. Wir drei waren die letzten verbliebenen Krieger, die zwischen Echnaton und dem Weltuntergang standen. „Die letzte Hoffnung der Menschheit", hatte Tucker einmal im Scherz gesagt.
Uns war bewusst, dass wir eigentlich keine Chance hatten, aber sterben mussten wir so oder so. Warum also nicht stolz und mit gezückten Waffen untergehen? Die Hauptsache war doch, dass wir zusammen waren, wenn der Tod kommen würde.
Und so kam es, dass ich mein Training mit Tucker fortsetzte. Tucker der siebzehnjährige Junge, der mein vollstes Vertrauen hatte.
Tucker hatte mehrere schwarze Gürtel im Kendo. Eine vorwiegend in Japan beliebte Kampfsportart, die man mit dem Schwert ausübte. Durch Hollywood wurde dieser Sport auch in unseren Landen sehr beliebt. Durch Tuckers Hilfe erlernte ich also nun doch noch den Umgang mit dem Schwert. Auch Dakota beteiligte sich an dem Training. Natürlich übten wir nicht mit richtigen Schwertern. Die Verletzungsgefahr für meine nicht mit Superkräften ausgestatteten Freunde wäre einfach zu groß gewesen. Tucker hatte uns mit Karbonattrappen ausgerüstet, die auch an seiner Kampfsportschule für die Übungsstunden benutzt wurden.
![](https://img.wattpad.com/cover/311648941-288-k485074.jpg)
DU LIEST GERADE
Vampirblut
Fantasy»Plötzlich war der Mann, den ich liebte, eine Bestie und ich die Einzige, die ihn aufhalten konnte.« Josie hat sich selbst noch nie als Teil der indianischen Legenden ihrer Großmutter gesehen. Daran ändern auch die Albträume nichts, die die Siebzehn...