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Endlich hatte ich die letzten Stunden geschafft. Jetzt musste ich nur noch zum Abendessen und dann konnte ich bis zur Sperrstunde in Ruhe in der Bibliothek lesen. Alleine der Gedanke daran ließ mein Herz schneller schlagen.
Zufrieden packte ich meine Tasche zusammen und verließ das Klassenzimmer, als ich bereits abgepasst wurde. "Aydan, auf ein Wort?" Dem Ton nach zu urteilen hatte ich heute eine absolute Pechsträhne. "Sicher doch Professor Dumbledore."
Ohne weitere Worte folgte ich ihm in sein Büro. Wenn Mom schon in dem Ton redete, konnte es nichts gutes heißen. Eine milde Vorahnung machte sich in mir breit.

In seinem Büro angekommen ließ ich mich wie selbstverständlich auf dem Sofa nieder. "Worum geht es?"
Mom setzte sich auf den Sessel mir gegenüber. Wenigstens saß er nicht hinter dem Schreibtisch, das wäre deutlich gruseliger gewesen. "Bei mir haben sich drei Schüler beschwert, oder eher bei dem Direktor, der es dann an mich weitergeleitet hat." Abwartend sah er zu mir rüber. Scheinbar wollte er eine Reaktion in meinem Gesicht abwarten. Da konnte er echt lange drauf warten. "Jedenfalls meinten sie, du hättest ohne Grund deinen Stab auf sie gerichtet und sie mit ihrem Leben bedroht?" Ernsthaft? Das sagten diese Versager?

"Und? Jetzt hast du mich hier her geholt um zu fragen ob es stimmt?" Moms Blick nach zu urteilen hatte ich ins Schwarze getroffen. "Ich weiß das du sowas nicht ohne Grund machen würdest, aber stimmt es? Du hast deine Mitschüler bedroht?" Wenn er es wusste, warum fragte er noch? "Ich hab sie nicht bedroht, ich habe ihnen nur etwas versprochen. Das ist ein Unterschied. Ich drohe nie." Im Augenwinkel sah ich, dass er zwei Tassen mit Tee anfliegen ließ. Der Duft verriet mir, dass es Zitronentee war. Mein lieblings Tee. Zugegeben mochte ich jeden Tee, besonders wenn er fruchtig oder süß war. Paps zog mich immer daran auf. Er selbst mochte Kaffee. Ekelhaftes Zeug.

"Du hast ihnen also versprochen einen schwarzmagischen Fluch an ihnen auszuprobieren?"

"....das ist jetzt doch etwas zu viel Ruhm. Ich sagte lediglich, dass ich einige selbst veränderte Zauber ausprobieren will und mir noch eine Testperson fehlte."

Jedesmal wenn er Stress hatte, zuckte sein Auge für eine Sekunde. So auch jetzt. Hätte ich doch nur die Klappe gehalten. "Du weißt warum dein Vater von der Schule geflogen ist?" Die Frage war definitiv rhetorisch. Das und viele andere Sachen waren quasi meine Einschlafgeschichten. "Ja, weiß ich. Ist nicht besonders schwer zu merken", schmollte ich.
Mom ließ einen tiefen Seufzer los und griff nach meiner Hand. "Aydan, ich mache mir nur Sorgen. Ich will nicht das du genauso unter deinem Talent und deinem Verstand leidest wie er und ich."
Natürlich war er besorgt, das war mir klar, dennoch war es nervig bevormundet zu werden.

"Ich weiß, aber ich bin nicht wie er. Ich habe kein Verlangen danach meine Mitschüler für Experimente zu töten. Nekromantik interessiert mich im übrigen auch nicht, zumindest nicht so sehr, dass ich dafür meine Mitschüler benutzen wollen würde. Der Gedanke kam zwar schon, aber wirklich nur bei wenigen..." Man musste nicht sagen welche Leute auf meiner Liste stehen würden, sollte es eine geben. "Es tut mir leid daß du es wegen mir so schwer hast. Hätte ich das geahnt, hätte ich mit dem Ministerium geredet und du könntest auf eine andere Schule gehen."
Schweigend drehte ich meinen Kopf von ihm weg. Das er sich wegen mir so Sorgen machte wollte ich nicht.

Entschieden erhob ich mich von dem Sofa, schnappte mir meine Tasche, drückte Mom einen Kuss auf die Wange und ging zur Tür. "Ich komme klar. Das du wegen mir Ärger bekommen hast tut mir leid. Das wird nicht wieder vorkommen."
Die Tür schloss sich. Wenn mir jetzt noch jemand über den Weg läuft und etwas von mir will, würde ich das Versprechen welches ich eben gegeben habe brechen. Am liebsten würde ich sofort in die Bibliothek gehen, doch dann sah die Nacht für mich recht mau aus. Ohne Essen konnte ich nicht gut lernen.
Meinem Körper ergeben marschierte ich also ziemlich angefressen zur großen Halle.
Andere in meinem Alter hatten es leicht. Ihre Welt musste so unglaublich normal und langweilig sein. Alles was denen im Kopf war, waren Veranstaltungen, Hobbys, Freunde und mit viel Glück die Schule. So normal zu sein war für mich unvorstellbar.

Wie zu erwarten gelang ich als letzter der Schüler in die große Halle. Kaum betrat ich den Raum, attackierte mich reges Geschnatter. An sowas würde ich mich nie gewöhnen können.
Gelangweilt ließ ich meinen Blick über die Reihen schweifen. Tatsächlich, ganz am Ende war noch ein freier Platz. Da dort eh die Streber beziehungsweise die Außenseiter saßen, musste ich mir keine Gedanken über belanglose Gesprächsversuche machen. Schnurstracks lief ich auf die Bank zu und setzte mich auf den freien Platz. Glücklicherweise schien das niemanden weiter zu interessieren.
Das Buffet sah wie immer tadellos und köstlich aus. Dank Mom arbeiteten hier Elfen in der Küche, das sollte davor wohl nicht der Fall gewesen sein. Meiner Meinung nach war das die beste Idee überhaupt.

Allmählich machte sich auf bei mir der Hunger bemerkbar. Schnell schnappte ich mir einige Sachen vom Buffet und begann daran zu knabbern. Ein beiläufiger Blick zum Ravenclaw-Tisch verriet mir, dass Sarah schon weg war. Scheinbar fing das Training eher an. Insgeheim drückte ich ihr die Daumen. Ich habe sie schon oft fliegen sehen und sie hatte wirklich Talent. Wenn sie sich in das Team eingegliedert hat, dann würden andere Teams sicherlich kein leichtes Spiel haben.
Vielleicht würde ich ja doch vom Fenster aus zusehen. Vom Astronomieturm zum Beispiel, oder von der alten Treppe zu Wahrsagen aus. Aber nur vielleicht.
Der Gedanke an Hogsmead kam mir. Auf diese Weise könnte ich mir selbstständig Schulzeug besorgen, ohne das ich Mom oder Dad darum fragen müsste.

Viele schwärmten nur so von dem Honigtopf, Zonkos, dem Drei Besen und diesem Café für Paare. Keines davon interessierte mich besonders. Klar, wer mochte keine Süßigkeiten, aber dort wäre gewiss die Hölle los. Das einzige Geschäft das mich interessieren würde, war Derwisch und Banges. Da soll es die besten Federn geben und auch das Pergament soll eine gute Qualität haben. Ein Besuch war es wohlmöglich doch wert, dann würde ich einkaufen können was ich bräuchte und Sarah würde Ruhe geben. Mehr als einen Besuch konnte sie nur nicht erwarten. Genau, so würde ich es machen!
Morgen schon würde ich die Federn selbst ausprobieren können. Wer weiß, vielleicht gab es auch das eine oder andere interessante Buch?
Ich würde es nie zugeben, aber auch in mir kribbelt es vor Vorfreude auf den morgigen Tag.

When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt