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Die Stimmung zwischen uns war mehr als unangenehm. Wir beide schwiegen uns an und sahen unglaublich interessiert die Wände des Raumes an.
Sollte ich ihm sagen, dass Graves vermutet er sei noch am Leben? So wie ich ihn einschätze, ahnte Vater das sowieso schon.
"Aidan du musst jetzt aufpassen, umso mehr denn je. Graves mag dir gegenüber zwar versöhnlich gewesen sein, aber du solltest ihm nicht trauen. In der Sekunde in der er einen Beweis hat, wird er nicht zögern dich festzunehmen. Der wird alles tun um mich festzunehmen oder endgültig zu töten."

Manchmal vergaß ich, dass er meine Gedanken lesen konnte. "Ich weiß. Zu der Schlussfolgerung bin ich auch gekommen." Für wie blöd hielt er mich manchmal? Ich war weder dumm noch naiv. Graves war im Moment nicht mein Feind, aber auch nicht mein Freund. Konnte ich dieses Gleichgewicht halten, war ich schon zufrieden. Keineswegs wollte ich ihn jedoch als meinen Feind gegenüber stehen haben.

"Sein Sohn, Graves Junior...wie war der Name noch gleich? Ach ja, Jace. Auch bei ihm solltest du besser vorsichtig sein. Mini-Graves steht gewiss auf der Seite seines Vaters." Was wollte er damit bitte andeuten? Glaubte er ernsthaft, dass Jace als Spion tätig ist? Wie lächerlich war das denn bitte. Jace wusste überhaupt nicht, dass ich an dieser Schule war. Auch erst später hat er herausgefunden, wer mein Vater war.

"Jace ist in Ordnung. Er weiß zwar wer du bist, aber er würde nie etwas sagen. Wir sind Freunde." Selbst in meinen Ohren klangen die Worte absolut lächerlich. Ich klang wie ein naiver Junge, welcher frisch verliebt war und deshalb den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah.
"Freunde?" Dad's Lippen verzogen sich kurz zu einem spöttischen Grinsen. "Natürlich. Ein Freund würde einen nie verraten. Wie konnte ich das nur vergessen", schnurrte er.

Wut kochte in mir auf. Nur weil er nie wahre Freunde hatte, hieß das nicht, dass es mir genauso ergehen musste! Jace war nicht wie die anderen. Er war besser...und verstand mich. Jace war wie ich.
"Hör auf sowas zu sagen. So ist er nicht. Hätte er gewollt, dann hätte er seinem Vater doch bereits dessen Vermutungen bestätigt." Nur mühsam konnte ich meine Emotionen im Griff halten. Wenn es etwas gab das Vater nicht ausstehen konnte, dann waren es überflüssige Gefühlsausbrüche.

"Aidan, ich meine es nur gut. Deine Mutter und ich waren auch verliebt und haben weit mehr als nur Küsse geteilt. Wo hat uns das hingebracht? Wir wollten uns gegenseitig umbringen und verletzen. Was ich damit sagen will ist, dass man für nichts eine Gewissheit hat, egal wie sicher man sich ist. Manchmal kann einem nicht Mal ein Schwur diese Sicherheit geben. Menschen retten immer zu erst ihren eigenen Kopf, also merk dir das. Ich hätte dieses Wissen zum Beispiel als Druckmittel gegen dich benutzt."

Diese Worte trafen mich wie ein heftiger Schlag in den Magen. "Für wie blöd hälst du mich eigentlich?",zischte ich. "Denkst du allen Ernstes, dass ich Friede Freude Eierkuchen mache und ihn am besten noch zu uns einlade? Ich weiß, dass ich vorsichtig sein muss. Wann muss ich das denn nicht sein? Mein ganzes Leben lang schon muss ich ständig auf der Hut sein! Ich habe es so satt niemandem Vlvertrauen zu können!" Jetzt war es doch passiert.
Die angestaute Wut in mir entlud sich und meine Stimme hallte durch den Raum.

Mit dieser Reaktion hat mein Gegenüber scheinbar nicht gerechnet. Minimal weiteten sich seine Augen, bevor sie sich zu Schlitzen verengten.
Die Temperatur im Raum sank schlagartig einige Gradcelcius. "Pass auf deinen Ton auf, junger Mann", zischte Vater. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. So hat er mich noch nie angesehen und auch noch nie mit mir gesprochen.
Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals.

"Ich habe dich lediglich gewarnt. Was du aus dieser Sache machst ist deine Sache. Du bist alt genug um selbst entscheiden zu können, nur wirst du dann auch selbstständig für die Konsequenzen gerade stehen. Zieh mich da nur nicht mit rein, hörst du?" In seiner Stimme war kein bisschen Freundlichkeit mehr zu finden. Sie alleine könnte wahrscheinlich Wasser gefrieren lassen, so kalt wie sie war.
Zu tiefst beschämt blickte ich auf den Fußboden. Ich hatte ihn provoziert.

Nein, eigentlich habe ich mehr als das getan. Ich habe ihn angeschrien. Ich habe meinen Vater angeschrien. Doch zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir noch etwas anderes klar: ich hatte nicht nur gegen meinen Vater die Stimme erhoben, sondern auch gegen Gellert Grindelwald, den gefährlichsten Zauberer der Geschichte, wessen Name noch heute gestandene Auroren zittern ließ. Als ich meine Stimme erhob, stellte ich mich gegen ihn. Wäre ich nicht sein Sohn, hätte er höchst wahrscheinlich ganz andere Dinge getan...

Nach all den Jahren hatte ich einen Bruchteil der Seite meines Vaters sehen können, die Jahre lang die Zaubererwelt in Angst und Schrecken hüllte.
In meinen Gedanken verloren bekam ich nur vage mit, wie sich die Person vor mir bewegte und an mir vorbei ging.
Keinen einzigen Blick warf er mir noch zu, nicht Mal für eine winzige Sekunde.
Erst als ich das Schloss der Tür klicken hörte, schien meine Lunge ihre Tätigkeit zurück gefunden zu haben und begann zu arbeiten.

Laut stieß ich einen tiefen Atemzug aus. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich meine Luft angehalten hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben stand ich "Gellert Grindelwald" gegenüber, nicht meinem Vater. Der Unterschied zwischen den beiden war nur ein schmaler Grad und diesen hatte ich heute überschritten.
Insgeheim wusste ich, dass er Gellert Grindelwald von damals noch furchteinflößender war, als eben jener.
Normalerweise würde ich es bereuen den Mund aufgemacht zu haben, doch gerade konnte ich es nicht. Er hatte Jace als Verräter dargestellt.

Auch jetzt noch ließ mich allein der Gedanke daran innerlich brodeln. Vater kannte ihn nicht, also konnte er sich auch kein Bild über ihn machen. Jace war nicht wie alle anderen. Er war so viel besser, so viel besonderer und allem voran mein Freund. Trotzdem verzog sich mein Magen sobald das Bild von Vaters Augen in meinem Kopf auftauchte oder ich mich an seinen Ton erinnerte.
Nie wieder würde ich ihn reizen, das schwor ich mir. Diesen Fehler würde ich kein zweites Mal machen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 16, 2022 ⏰

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When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt