11.

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Ich stand in einem Raum. Nein, einen Raum konnte man das nicht nennen. Es wirkte eher, wie ein Kerker? Um mich herum war es dunkel und kalt. Zumindest fühlte es sich so an.
Die Szene veränderte sich vor meinen Augen. Grüne Blitze schossen durch die Luft und erhellten die Umgebung. Das gab mir die Möglichkeit, etwas mehr von meiner Umgebung zu sehen. Vor meinen Augen blitzte ein Zeichen auf, eines, das mir mehr als bekannt war. Es war das Zeichen der Heiligtümer des Todes. Die Grünen Blitze waren verschwunden. Ich hörte im Moment nur meinen eigenen Herzschlag. Ich trat einen Schritt nach vorne. Unter meinen Füßen gab es ein merkwürdiges Geräusch. Als ich meinen Kopf senkte, konnte ich sehen was es war. Unter mir war Blut. Blut und Leichen.

In mir machte sich verstärkt ein Gefühl von Übelkeit breit. Mein Kopf schmerzte, als würde jemand immer und wieder mit etwas spitzen darauf einschlagen. Die Übelkeit war kaum noch zum aushalten.
Um mich herum begann sich alles zu drehen. Schlagartig öffnete ich die Augen. Mein Herz raste noch immer. Panisch versuchte ich irgendwie an Luft zu gelangen. Ich hatte nicht mitbekommen, dass ich angefangen hatte zu weinen, zumindest waren meine Wangen nass.
"Aydan", hörte ich jemanden rufen. Immer und immer wieder. "AYDAN!" Erschrocken zuckte ich zusammen. Langsam nahm ich die Umgebung auf. Ich war in meinem Klassenzimmer. Neben mir saß Sarah, sie war kreidebleich und vor mir hockte meine Mutter. Nur schwer konnte ich meinen Atem beruhigen. Ich musste aussehen wie ein verstörtes Reh.

"Merlin sei Dank, du bist wieder hier." Sofort wurde ich in zwei Arme gezogen. Es waren nicht die meiner Mutter, sondern die von Sarah. "Du riesen Vollidiot! Was fällt dir ein mir so eine Angst zu machen!" Hinter Mom bemerkte ich im Augenwinkel, dass Professor Augustin ebenfalls im Raum war. Er stand etwas hinter Mom. Im Gegensatz zu den anderen war sein Gesicht erheitert und begeistert. Was ist hier bitte passiert? "Aydan, wie geht es dir?" Das war Mom. Noch immer etwas benommen löste ich mich aus der Umarmung. "Ich weiß nicht so genau. Mir tut der Kopf weh wie noch nie ... Was ist überhaupt passiert?" In seinen Augen konnte ich sehen, dass ihm die Situation ganz und gar nicht gefiel. "Ich erkläre es dir später irgendwann. Du solltest dich nun ausruhen."

Wie immer bekam ich keine Antwort. Auch Sarah hatte einen ähnlichen Ausdruck im Gesicht.
"Professor, bei allem Respekt, aber Sie müssen den Jungen aufklären." Diesmal sprach Augustin. "Werter Kollege, ich denke, was ich meinem Sohn sage obliegt ganz meiner Einschätzung."
Augustin's Blick verfinsterte sich. Moms Worte schienen bei ihm auf Unverständnis zu stoßen.

"Sie können dem Kind doch nicht alles verheimlichen. Es ist wichtig, dass er davon erfährt."

"Ich werde mich nicht wiederholen. Aydan hat schon genug zu tun, da braucht er nicht noch unnötig Stress."

So habe ich ihn noch nie sprechen hören. Sein Tonfall war alles andere als freundlich und demnach der direkte Kontrast zu seiner sonstigen Stimmung.
"Sie beschützen Ihren Sohn so nicht. Aydan hat ein Geschenk, dass uns allen Türen öffnen kann. Er sollte stolz darauf sein und lernen, damit umgehen zu können!" Ein bitteres Lachen entkam Mom's Lippen. "Geschenk? Sie haben keine Ahnung wovon Sie sprechen. Es ist ein Fluch, eine Qual. Das er es hat ist schlimm genug." So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. "Dürfte ich vielleicht auch wissen worum es geht? Schließlich betrifft es mich." Die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, lagen nun zwei Augenpaare auf mir. Bevor Mom etwas sagen konnte, ließ Augustin die Bombe platzen. "Du hattest eine Vision. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hast du die Fähigkeiten eines Sehers."

Mir wurde schlecht. Mom's Besorgnis machte auf einmal Sinn. "Ist das wahr? Das was ich gesehen habe, war eine Vision?" Sarah neben mir sog scharf die Luft ein. Für sie war das natürlich auch ein Schock, doch wesentlich anders als für mich. Durch meinen Vater wusste ich, wie sehr man unter diesen Bildern leidet. Sie zu kontrollieren erfordert viel Übung und nicht immer gelingt es. Selbst mein Vater schafft es nicht immer und er lebt schon Ewigkeiten mit diesem Fluch.
Zerknirscht drückte Mom meine Hand. Wenn Blicke töten könnten, wäre Augustin schon mehrfach tot. "Ich fürchte ja. Da es deine erste Vision war, werden in nächster Zeit gewiss noch einige folgen." Mein Magen zog sich zusammen. Eine reichte mir ehrlich gesagt. Noch immer war mir übel und mein Kopf brummte. Wie hielt Vater das nur aus?

"Bitte lass das Wissen nicht zu sehr an dich ran. Du musst zu Kräften kommen und dich erholen, das hat Priorität."
Recht hatte er wohl. Ich fühlte mich so kraftlos und ausgelaugt wie noch nie zuvor. Mühsam versuchte ich mich vom Boden zu erheben. Kaum stand ich aufrecht, gaben meine Beine unter mir nach. Glücklicherweise hatte Sarah gute Reflexe. Schnell schob sie ihre Arme zwischen meine und hielt mich somit. "Vorsicht. Einfach so aufzustehen. Du lernst echt nie dazu", zickte sie. Immer wenn sie besorgt war, versuchte sie ihre Emotionen in Wut umzuwandeln. Dementsprechend wütend guckte sie mich an. "Sorry." Geschickt legte sie sich einen meiner Arme um die Schulter. "Ich bringe dich in den Krankenflügel." Oh bitte nicht! "Muss das sein? Ich hasse es dort..." Sie lag dort hin und wieder durch ihr Quidditch-Training. "Schon gut. Er kann in meinem Zimmer bleiben, da weiß ich wenigstens, dass er nicht haltlos versucht abzuhauen."

Mein anderer Arm wurde ebenfalls nach oben genommen. Auf der rechten Seite stand Sarah, auf der linken Mom. Wenigstens durfte ich in sein Zimmer. Der Krankenflügel wirkte einfach zu deprimierend, außerdem wollte ich nicht, dass über mich hergezogen wird. Hin und wieder kommen welche in den Krankenflügel, nur um sich lustig zu machen. Der Vorfall vor der gesamten Klasse reichte aus. Wenigstens waren alle verschwunden als ich zu mir kam. Auf die blöden Blicke hatte ich keine Lust und auch keine Nerven mehr.

Als wir einige Minuten später vor den Räumlichkeiten der Lehrer ankamen, verabschiedete sich Sarah von mir. Ihr war anzusehen, dass sie eigentlich mit mir gehen wollte, doch das wäre etwas zu aufdringlich, immerhin waren das Mom's Privaträume.
Erschöpft ließ ich mich auf dem Bett nieder. "Danke das ich hierbleiben darf." Er sah noch immer besorgt aus. "Nicht dafür. Ich mag den Krankenflügel auch nicht." Liebevoll fuhr er mir mit seiner Hand durch mein Haar. "Ruh dich aus. Ich muss leider zurück in den Unterricht,doch ich komme dich spätestens beim Mittagessen besuchen."
Keine fünf Minuten später war ich alleine in dem Zimmer. Die Ruhe um mich herum war wie eine Erlösung. Nur grob konnte ich mich an das Gesehene in der Vision erinnern. Bald schon übermannte mich die Müdigkeit und ich fiel in einem tiefen, traumlosen Schlaf.

When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt