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Nachdem wir dieses Thema geklärt hatten, verabschiedete Graves sich von mir. Mental setzte ich mir eine Notiz, dass ich unbedingt Mom oder Dad bezüglich der Problematik fragen musste. Die beiden wussten bestimmt schon bescheid und könnten mir weitere Informationen geben.
Eben klang ich zwar so selbstbewusst, aber insgeheim hoffte ich, dass mein Vater wirklich nichts damit zu tun hatte.
Der einzige Punkt der nicht zu seiner Vorgehensweise passte, war das Vergehen an magischen Blut.

Wenige Minuten später betrat Jace den Raum. Seine Augen flogen sofort zu mir. "Wie geht es dir? Hat er dir weh getan?" Nett, denke ich? Sein armer Vater. "Mir geht es gut. Ich denke er macht sich einfach nur große Sorgen um dich. Es ist schön zu sehen wie menschlich er geblieben ist." Nicht jeder Mensch hatte das Glück, nach einem solchen Schnitt des eigenen Lebensabschnittes zurück in die Realität zu kehren. Graves hingegen schien stark zu sein. Leute haben ihn hin und wieder mit meinem Vater verglichen und gesagt, die Familie Graves würde hinter ihm stehen. Klar, Graves Familie gehört zu den ganz alten, reinen, aber als ob das ein Ausschlusskriterium wäre.

Mir dämmerte, dass beide sich ähnlicher waren als sie zugeben wollten.
"Lieben? Nun, das kann schon sein. Das heißt nicht, dass er mich vor Hausaufgaben beschützt",scherzte Jace, welcher mein düsteres Gesicht bemerkt haben musste und mich nun aufheitern wollte.
Ein mulmiges Gefühl ließ mich trotz seiner Bemühungen nicht los.

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Albus POV

Aufgebracht stapfte ich in meinem Büro auf und ab. Graves in Großbritannien war schon schlimm genug, aber das er sich ausgerechnet noch an Aydan festgekrallt hat, war wirklich ein Punkt zu viel.
Dieser Mann war nicht doof und er gehörte zu den wenigen, die an Gellert's weitere Existenz glaubten. Nun da er Aydan gesehen hat, stand für ihn  Außerfrage, wer sein Vater war. Gewiss würde er denken, ich hätte ihn aufgenommen oder kooperiere insgeheim mit Gellert. Verdammter Drachenmist!

Sobald auch nur ein kleines Gerücht über Aydan an die Öffentlichkeit gelangt, war's das für ihn und für Gellert. Das Ministerium würde ihn unter strengste Kontrolle setzen, wahrscheinlich seine Magie beschränken oder ihm direkt ein goldenes Ticket nach Askaban schenken. Ich konnte nicht zulassen, dass mein Sohn diese Demütigung ebenfalls durchleben musste. Noch heute war mir ganz mulmig in der Magengegend zumute, sobald ich nur daran dachte.

Ein Klopfen an der Tür holte mich schmerzhaft in die Realität zurück. Das ich immer so Kopfschmerzen bekommen musste, wenn ich über etwas grübelte. Für einen Moment glaubte ich, Gellert würde vor der Tür stehen, aber das war wohl sehr unwahrscheinlich. Er würde nicht durch diese Tür kommen und ganz bestimmt nicht klopfen.
Geschickt ließ ich die Zweifel auf meinem Gesicht verschwinden und öffnete mit einer kurzen Bewegung meiner Hand die Tür.
Nur schwer konnte ich meine Gesichtszüge in ihrer vorbestimmten Position behalten.

"Mr. Graves, was für eine Überraschung. Ich dachte Sie haben uns bereits verlassen", säuselte ich so freundlich wie es mir möglich war. Graves trat ein und schloss die Tür hinter sich. "Diese Floskeln können Sie sich sparen. Wir wissen beide, dass es nicht echt ist." My my, nicht sehr charmant. "Natürlich. Ich weiß schließlich, dass Freundlichkeit in Amerika überbewertet wird." Graves Aufmerksamkeit flog von meiner Einrichtung zu mir. "Manchmal frage ich mich wirklich, wie Menschen so naiv sein können und Sie für unschuldig halten." "Also wirklich Direktor Graves. Fängt man so eine Konversation an?"

Ich hatte nie etwas gegen Graves, ganz in Gegenteil. Ich empfand Mitleid für ihn, aber in dem Moment in jenem er meinem Sohn gefährlich wurde, war er auch bei mir unten durch. "Seit wann geben Sie Achtung auf Formalitäten?" Auch wieder wahr.
Lächelnd beobachtete ich jede seiner Bewegungen. Sein Bewegungsapparat scheint tatsächlich keine Schäden davon getragen haben, wobei ich schwören könnte, dass er auch Momente hat, in welchen er Probleme hat. Insbesondere in seinem rechten Bein. Ich hatte keine Beweise, lediglich mein Gespür und meine gute Menschenkenntnis.

"Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Mr. Graves? Tee?" Graves ließ sich auf dem Stuhl nieder, welchen ich ihm angeboten hatte.
"Danke, aber ich trinke nichts von Fremden."

"Oh my, ich verstehe. Stört es Sie denn wenn ich mir ein Tässchen gönne?"

"Nur zu."

Mit der Reaktion war zu rechnen gewesen. Viele Auroren nahmen nichts von Fremden an, schon gar nicht mit einer Vergangenheit wie der von Graves.
"Ihr Sohn ist wirklich..." Prüfend lagen seine Augen auf mir. Als würde es mich nichts angehen, nahm ich genüsslich einen Schluck von meinem Tee. Wenn er dachte er könne mich so provozieren, hatte er sich geschnitten. "... speziell", beendete er seinen Satz. "Ein Junge der keinerlei Süßigkeiten mag ist in der Tat äußerst speziell. Ich kann mir ein Leben ohne diese süßen Belohnungen nicht vorstellen. Wie ist es mit Ihnen?" Schmecken schien ihm die Antwort nicht, aber er ging auf das Spiel drauf ein. "Ich kann nicht sagen, dass ich ein Fan davon bin. Da müssen Sie schon meine Frau fragen."

Die Präsidentin...die beiden sind tatsächlich wie Feuer und Eis. Fragt sich nur, wofür Graves stand. Höllenfeuer wäre treffend.
"Sind Sie extra hier her gekommen um meinen Sohn zu preisen?" Schnaubend drehte Graves seinen Kopf von mir weg. "Machen Sie sich nicht lächerlich, Dumbledore. Ihr "Sohn" sollte nicht unterschätzt werden. Sein Temperament ist recht feuerig." Schmunzelnd stellte ich die Tasse vor mir ab, nur um sie erneut befüllen zu lassen. "Ist das so?"
"Wissen Sie Dumbledore, ich bin nicht doof und nicht so blind wie manch andere. Sollte der Junge auch nur einen Hauch von dem Temperament seines Vaters haben, wovon ich ausgehe, dann wird es besonders für seine Mitschüler recht amüsant zugehen."

Mit ihm zu diskutieren wer sein Vater war, wäre sinnlos. Wie Graves schon sagte, war er nicht so blauäugig wie viele andere.
"Ihr Sohn scheint jedoch auch sehr nach seinem Vater zu kommen. Ich hörte Sie waren ein furchtbar talentiertes Kind, jedoch sozial absolut unterentwickelt. Ich sehe tatsächlich gewisse Parallelen..."
Für einen Moment sank die Temperatur im Raum. "Nicht jeder kann ein Sunnyboy sein, der nur nach außen hin strahlt." Der hat gesessen. "Ich sehe schon. Wir wissen wohl beide wie der jeweils andere als Kind war. Diese peinlichen Geschichten sollten wir wohl ruhen lassen."

Irgendwie verstand ich für einen Moment, warum Gellert diesen Graves am Leben gelassen hatte und so fasziniert von ihm war. Mit ihm zu reden war alles andere als nervig oder eintönig. Graves war auf einer intellektuellen Ebene, die angenehm zu bedienen war. "Dem stimme ich zu. Mr. Dumbledore, mir ist eigentlich egal ob Sie der leibliche Vater dieses Jungen sind, oder nicht, solange er unter Kontrolle gehalten wird. Einen zweiten Grindelwald kann niemand gebrauchen."
Wem musste er das sagen... "Deshalb bin ich jedoch nicht hier. Ich nehme an auch Sie wissen von dem verschwinden der Kinder." Natürlich habe ich das mitbekommen. "Sicher doch. Es sind überwiegend Muggel und das britische Ministerium vermutet gewiss, dass Grindelwald etwas damit zu tun hat."

Nickend lehnte Graves sich etwas auf seinem Stuhl zurück. "Unter vorgehaltener Hand, ja. Die Muster der Vorgehensweise passen. Das Sie nicht aussprechen werden, dass Grindelwald lebt und wo er sich befindet ist mir klar, nur bitte ich Sie darum, mir wenigstens zu sagen warum. Es sind Kinder im Alter Ihres Sohnes, meines Sohnes...manche sogar jünger als das. Von den Eltern abgesehen, ein Kind sollte sowas nicht durchmachen müssen. Wenn die Kinder überhaupt noch leben."
Er schien wirklich besorgt zu sein. "Dem kann ich nur zustimmen. Weder die Eltern, noch die Kinder verdienen es, so etwas erleben zu müssen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass dies nicht zu dem Vorgehen Grindelwald's passt. Er hat nicht entführt, zumindest keine Leute die in seinen Augen unwichtig sind. Kinder hat er auch nie angerührt."

Die Augen des Direktors lagen auf mir. Diesmal strahlten sie kein Misstrauen oder Feindseligkeit aus. Es war reines Interesse und Aufmerksamkeit. "Ehrlich gesagt hat mich der Teil auch stutzig gemacht. Grindelwald war ein Schwein, aber von Kindern hat er sich wirklich nichts erhofft. Hin und wieder waren sie ein Kollateralschaden, aber entführt hat er sie nie."
Bis auf die Kinder die er hat töten lassen, aber das sprach ich besser nicht an. "Denken Sie, er hat seine Vorgehensweise geändert? Wobei ich das bezweifle. Ein Mann der so sehr für ein Ziel gekämpft hat, ändert nicht einfach so seine Vorgehensweise."
Ich musste Graves zustimmen.

"Nein, das würde man wohl wirklich nicht. Vielleicht ein Nachahmer?"

"Sie glauben jemand will die Schuld auf Grindelwald lenken?"

Graves sprach das aus, was ich nicht aussprechen wagen wollte. "Sie sind wirklich so hervorragend wie erzählt wird." Das Kompliment ließ Graves kalt. "Angenommen das sollte der Fall sein: Was ist dann das Ziel dahinter? Was will man mit Kindern?"
Seine Frage war mehrdeutig zu verstehen und keine Richtung davon gefiel mir.

"Ich weiß es nicht."

When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt