22.

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Das Zeichen der Heiligtümer des Todes blitzte vor mir auf. Um das Zeichen herum schien alles dunkel zu sein. Ferngesteuert streckte ich meine Hand aus, um das Zeichen genauer betrachten zu können. Kaum berührten meine Finger die Symbole, veränderte es sich. Ein ekelhafter Geruch machte sich breit und etwas schien über das Zeichen gelegt worden zu sein. Bei genauerem Betrachten erkannte ich, dass es kein Tuch war. Über das Symbol floss Blut, dick und klebrig. Plötzlich wirkte es nicht mehr faszinierend und magisch, sondern schrecklich. Irgendwas in mir wollte so schnell wie möglich Abstand zu dem Ding nehmen, doch ich konnte mich nicht bewegen.

Der Boden unter mir veränderte sich. Aus dem schwarzen Nichts wurde Gestein. Es sah aus, wie der Boden eines Kerkers. Panik kam in mir auf. Aus unerklärlichen Gründen drehte ich mich um, um den Raum genauer betrachten zu können. Da stand noch jemand. Ein Mädchen stand mit dem Rücken zu mir gedreht.
Plötzlich stand ich direkt hinter ihr. Erneut bewegte sich meine Hand wie von selbst. Sobald ich ihre Schulter berührte, drehte sie sich zu mir um. Anstatt eines Gesichts das vielleicht verängstigt war, sah ich etwas, dass mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ihr Gesicht war total zerfetzt. Blut quoll sobald ich es erblickte aus den Wunden und es hörte nicht auf, egal wie sehr ich es mir wünschte.

Wieder veränderte sich die Szenerie. Vor mir war ein Wald. Ob es an der Dichte des Waldes lag konnte ich nicht sehen, aber es war beinahe stockfinster. Auf dem Boden lag etwas. Es war etwas, das mir mehr als bekannt war. Inmitten dieses Waldes lag der Elderstab.

Bevor ich ihn näher betrachten konnte, drehte sich alles um mich herum. Mein Kopf dröhnte und ich verspürte eine kaum auszuhaltende Übelkeit.
Den pochenden Schmerz in meinem Kopf ignorierend erhob ich mich und eilte ins Badezimmer um mich zu erleichtern. Das war so ekelhaft und demütigend.
Nachdem ich etwas zu Atem gekommen war, sah ich mich um. Das war nicht das Badezimmer in meinem Schlafsaal, definitiv nicht. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass dies das Badezimmer eines Lehrers war. "Verflucht, ausgerechnet heute ..." Murrend sank ich an der Wand zu Boden. Noch immer schmerzte mein Kopf wie verrückt.

"Aydan? Darf ich reinkommen?" Die Stimme gehörte nicht zu meiner Mutter. Was machte ER denn hier. Murrend drehte ich meinen Kopf weg. "Wenn's sein muss." Sofort wurde die Tür geöffnet und ich sah ein vertrautes Gesicht. Scheinbar schien er meinen prüfenden Blick in seine Richtung zu bemerken. "Keine Sorge, Albus ist nicht hier. Er kümmert sich um deinen Klassenkameraden. Offenbar hat er ihn informiert."
Bestimmt sprach er von Jace. Prima, jetzt wusste noch eine Person mehr von diesem Fluch. Immerhin hat Paps ihn nicht zu Gesicht bekommen. Das hätte gewiss nicht gut geendet.

Seufzend lehnte ich meinen Kopf an der kühlen Wand an. Allmählich verschwand die Übelkeit - wenigstens etwas. "Was machst du hier?" Kurzerhand ließ Vater sich neben mir nieder. "Darf ich meinen Sohn nicht besuchen? Wenn du nicht willst, kann ich auch wieder gehen, kein Problem." Ungewollt musste ich lächeln. "Bitte nicht."
Für eine ganze Zeit lang saßen wir einfach nur schweigend nebeneinander. Irgendwie war ich für diesen Moment dankbar. "Wie geht es dir? Sind die Kopfschmerzen besser?" Jetzt wo er da war, fühlte ich mich sicherer und verstanden. "Ich denke es wird langsam. Ist das immer so?" Behutsam nahm er meine Hand. Kurz darauf verschwanden auch die Kopfschmerzen, zumindest so, dass sie erträglich waren.

"Angenehm wird es nie sein, aber es wird von Mal zu Mal besser." Motivation klang anders. "Mal was neues: Ich hab gehört du hast drei deiner Mitschüler besonders freundlich begrüßt?" Klar wusste er bescheid. Im Gegensatz zu Mom schien er jedoch amüsiert. "Ich hab mich nur verteidigt... Außerdem hat Flynn nicht nur mich, sondern alle Halbblüter beleidigt. Sowas geht gar nicht. Nur weil er 'reines Blut' hat, ist er kein Gold besser. Ob Muggelgeboren, Halbblut oder Reinblut, wir alle haben magischen Blut." Verräterisch brannten meine Augen. Der Streit von vorhin saß noch zu tief, oder war es inzwischen gestern? "Stimmt, es kommt nicht auf den Blutsstatus an. Albus ist der beste Beweis dafür, dass man auch als Halbblut überlegen sein kann."

Genau das war auch meine Meinung. Das wollte ich damit zeigen, nur würde mir niemand glauben - niemand außer Dad.
Frustriert legte ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab. "Sich zu verteidigen ist völlig in Ordnung, besonders wenn man dabei versucht, andere zu schützen. Ich bin sicher Albus meinte es nicht so." Sowie ich die beiden kannte, wusste Vager nur im Groben über den Vorfall bescheid. "Doch, er meint es genau so. Du hättest seinen Blick sehen müssen. Er glaubt, ich habe es getan um mein Ego zu stärken."
Für einen Moment war es ruhig. "Nein, das glaube ich nicht. So ist Albus nicht. Soll ich mit ihm reden?"

Sein Angebot war nett, aber aussichtslos. "Was würde das bringen? Du kennst ihn. Außerdem warst du nicht dabei. Ich will nicht, dass ihr euch wegen mir erneut streitet. Vielleicht würde es ihn beruhigen, wenn ich die Schule verlassen oder die Magie gleich komplett sein lasse." Zugegeben habe ich schon öfter daran gedacht. Mom's Zweifel an mir waren nie zu übersehen, dafür war es zu offensichtlich. "Schlag dir diese dummen Gedanken lieber gleich aus dem Kopf. Alles hinschmeißen nur weil Albus überreagiert? Aydan, du würdest diese Entscheidung bitter bereuen. Du liebst die Magie genauso sehr wie deine Mutter und ich. Daran ist nichts verkehrt, überhaupt nichts. Ich denke, er hat einfach Angst dich zu verlieren."

Daran habe ich auch gedacht. Er war immer übermäßig vorsichtig, doch seit dem letzten Gespräch wirkt es eher, als hätte er vor mir Angst. Angst, dass ich werde wie Vater, oder das aus mir das wird, was aus ihm hätte werden können.
Ich wollte nicht weiter davon sprechen. Vermutlich musste sich das Gespräch erstmal setzen, bevor man daran arbeiten konnte. "Hast du in letzter Zeit auch Visionen?" Ein anderer Themenwechsel fiel mir leider nicht ein. "Hab ich, ja. Sie sind beängstigend, aber erzähl deiner Mutter bitte nichts davon. Er denkt, ich habe seit Jahren keine Visionen mehr. Wenn er jetzt erfährt, dass in ferner Zukunft etwas schreckliches passieren wird..." "Dann wird er uns beiden keine ruhige Minute mehr lassen, schon klar."

Grinsend gab er mir einen sanften Stoß in die Seite. "Du wirst ganz schön frech. Leider kann ich dir nicht widersprechen. Albus kann unbeschreiblich gruselig werden." Dem konnte ich nur zustimmen.
"Dieser Mitschüler von dir, ist er ein Freund? Albus meinte du verbringst für gewöhnlich Zeit mit einem Mädchen aus Ravenclaw. Sarah, oder?" Hatte ich ihm wirklich nichts erzählt? Wie peinlich. "Richtig, Sarah und ich verstehen uns ganz gut. Mit Mitschüler meinst du sicher Jace. Er ist einer der Schüler aus Ilvermorny. Tatsächlich verstehen wir uns recht gut. Ich mag ihn und mit ihm kann man auch über bestimmte Dinge reden. Wir haben ähnliche Interessen."

"Das du Anschluss gefunden hast freut mich. So wie du erzählst, muss er auf deiner Liga sein? Intellektuell und magisch Begabt, nehme ich an. Das freut mich, wirklich. Hätte ich deine Mutter nie kennengelernt, wäre ich wohl wirklich zu einem Monster geworden. Jemanden zu haben der einen versteht ist viel wert." Wenn er nur wüsste.
"Ich denke ich gehe besser zurück in meinen Schlafsaal."
Mühsam erhob ich mich. Paps stand auch auf. "Soll ich dich begleiten?" Das wäre wohl keine gute Idee, immerhin wusste ich nicht, wo Jace sich aufhielt.
"Geht schon. Danke dennoch...auch wegen dem Gespräch. Das tat irgendwie gut." "Aucun problème."

Diesmal musste ich grinsen. Auf leisen Sohlen durchquerte ich das Zimmer. Hier waren die Beiden offenbar nicht.
Wer weiß, vielleicht waren sie überhaupt nicht mehr zusammen?
Wenige Minuten später hatte ich den Gemeinschaftsraum erreicht. Da saßen die beiden wie die Hühner auf der Stange. "Aydan, geht es dir besser?" Kaum hatte ich den Raum betreten, sprang Jace schon vom Sofa auf. "Geht wieder. Mir tut noch etwas der Kopf weh, aber bis morgen früh ist es sicherlich weg. Danke das du bescheid gegeben hast." Abwinkend drehte er sich zurück zu der Person, die noch immer schweigend auf dem Sofa saß. Hoffentlich hatte er Jace nichts erzählt.

"Ich lasse Sie beide dann in Ruhe. Bitte legen Sie sich hin und versuchen Sie noch ein paar Stunden zu schlafen. Ich spreche mit dem Direktor, sodass Sie erst zum Nachmittagsunterricht erscheinen müssen."
Kaum war er aus dem Raum verschwunden, drehte mich Jace zu sich. "Aydan, was war das vorhin? Dein Vater sagte du hast hin und wieder solche Anfälle. Weißt du, ich bin nicht blöd. Das sah nicht aus wie ein Anfall, sondern eine Vision. Mein Vater hat es so beschrieben. Bist du ein Seher?"

When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt