10.

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Am nächsten Morgen konnte ich mich kaum bewegen. Das Training von letzter Nacht steckte noch zu tief in den Knochen. Blaue Flecken waren ja das eine, aber Muskelkater das andere. So sehr hab ich nicht nach der ersten Flugstunde gelitten. Mom kannte echt keine Gnade, aber das war gut so. Nur so könnte ich es optimal lernen.
Sobald ich das geschafft hatte, wollte ich einen Schritt weiter gehen. Ich wollte unbedingt stablose Magie erleben. Ich weiß das weniger als 1 Prozent der Zauberer dafür auserwählt sind und das es auch für diese schwer sein kann, aber ich werde nicht aufgeben. Ich will es lernen und ich muss es lernen. Da gibt es keine andere Möglichkeit.

Nachdenklich rührte ich in meinem Kakao. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, es bereits so zu erlernen, ohne das Zutun eines Zweiten.
"Ich bitte um eure Aufmerksamkeit." Vorne an dem Tisch für die Lehrkräfte hatte sich der Direktor erhoben. Jeder einzelne verstummte im Raum. "Danke. Ich habe Neuigkeiten zu verkünden. Zum ersten Mal in der Geschichte von Hogwarts ist es uns möglich, eine Partnerschaft zu einer weiteren Zauberschule aufzubauen. Die Schüler von Ilvermorny werden nächste Woche hier ankommen. Sie bleiben für einige Monate. Ich hoffe, dass ihr sie gut und herzlich aufnehmen werdet. Seht diesen Austausch auf eine Chance neue Freunde zu finden, mehr zu erfahren und euren Horizont zu erweitern. Die Schüler werden jeweils auf die Vier Häuser aufgeteilt. Natürlich wird nicht die gesamte Schule hier auftauchen. Nur der dritte Jahrgang wird zu uns gelangen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

Nach seiner Ansprache stand jedem der Schock ins Gesicht geschrieben. Eine weitere Schule würde hier auftauchen und das schon nächste Woche ? Irgendwie erschien mir das recht surreal. Viele um mich herum begannen begeistert zu tuscheln, doch ich konnte nur an eines denken: Noch mehr Schüler. Das würde unter anderem auch heißen, dass mein Schlafsaal mit belegt werden würde. Das war's dann mit der Ruhe.
Auch unter den Lehrern ist Getuschel ausgebrochen. Scheinbar sind die genauso überrascht wie wir alle.
Ilvermorny also. Das ist die amerikanische Schule für Zauberei und Hexerei. Irgendwie weckte das doch etwas Neugier in mir. Wie ihr Leistungsstand wohl war?
Nun, das würde ich dann sehen. Jetzt musste ich mich weiter auf die Schule konzentrieren. Meine erste Stunde war Wahrsagen.

Nachdem ich mein Frühstück beendet habe, ging ich in den entsprechenden Turm. Die Aussicht von hier oben war toll, aber nicht zu vergleichen mit der vom Astronomieturm.
Diesmal war ich nicht der Erste. Sarah wartete bereits an unserem Platz auf mich. "Die Neuigkeiten sind prima, oder? Endlich ist Mal was los."
Schulterzuckend ließ ich mich neben ihr nieder. "Das kann man so und so sehen. Die Zeit wird sicher stressig, besonders die ersten Tage. Aber ja, ich bin tatsächlich etwas gespannt. Wie viele es wohl sein werden?" Die Tassen vor uns füllten sich automatisch mit Kaffeee. Ich mochte den Geschmack davon nicht. "Ist mir eigentlich egal, Hauptsache die sind nicht so blöd wie einige von unseren." Ehrlich wie immer.

Unser Lehrer trat ein- Professor Augustin. "Heute machen wir etwas spannendes. Bitte trinkt die Tassen vor euch leer und tauscht sie dann mit eurem Partner", verkündete er strahlend. Prima, ich musste also Kaffee trinken. "Ich glaube ich weiß was er vorhat. Mein Vater hat sowas Mal erwähnt. Man kann die Zukunft eines Jemanden anhand des Kaffeesatz lesen." Meine Zukunft? Ich glaube kaum, dass sowas zuverlässig ist. "Die Zukunft ist noch so unbestimmt, wie soll eine Tasse Kaffee mehr darüber wissen?" Maulend nahm sie einen großen Schluck von ihrer Tasse. "Du und dein analytisches Hinterfragen. Jetzt trink endlich, ich will wissen was in Zukunft auf mich zukommt." Für Sarah war alles immer ein Spiel. Ich wusste, dass es Menschen gab, die Fähigkeiten besaßen in die Zukunft zu sehen. Mein Vater war einer davon, doch wahre Seher waren verdammt selten und ob sie dann gut waren, war wieder ein neues Thema. Diese Begabung konnte man nicht erlernen. Ich denke, jeder der Versucht es zu lernen, ist ein Heuchler der eine fünfzig - fünfzig - Chance hat auf ein wahres Ergebnis zu kommen.

Noch immer skeptisch blickte ich in meine eigene Tasse. Dann hieß es wohl nur noch: Nase zu und durch.
Sichtlich 'begeistert' trank ich die Tasse mit dem dunklen, bitteren Gebräu leer.
Sofort überkam mich ein ein Würgreiz. Verdammt, ohne Milch und Zucker war es unterträglich! "Pff, du müsstest Mal dein Gesicht sehen. Als hättest du in eine Zitrone gebissen", lachte Sarah neben mir. "Lach nur, wir sprechen uns wieder wenn du etwas trinken musst, dass du hasst." Mittlerweile hatten auch die anderen ihre Tassen geleert. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass einige ein ähnliches Gesicht zogen als ich, manche sogar noch schlimmer.
Augustin blickte begeistert durch die Reihen. Sein Verhalten erinnerte mich an Mom. Er lebte für seinen Unterricht genauso sehr wie Augustin. Es gab eben solche und solche Professoren.

"Sehr gut, sehr gut, wirklich ausgezeichnet. Jetzt da alle Tassen leer sind, gebt sie bitte an euren Partner weiter. Am Boden der Tasse hat sich nun der Kaffeesatz abgesetzt. Ich hoffe ihr habt alle eure Bücher dabei? Bitte benutzt diese um herauszufinden, was die Zukunft für euren Partner bereit hält. Viel Freude und Erfolg!"
Freude, my ass. Sarah hatte bereits die Tassen getauscht und blickte neugierig in meine. "Ich weiß nicht, irgendwie sieht dein Kaffeesatz genauso griesgrimmig aus wie du." Nein wie witzig. Nun griff auch ich nach ihrer Tasse. "Ich sehe überhaupt nichts. Das sieht mir aus wie ein schwarzer Klumpen. Vielleicht soll das deine Seele darstellen?" Beleidigt stieß sie mir ihren Ellenbogen in die Seite. "Blödmann. Das du dieses Fach immer so schlecht machen musst. Sieh es als leicht verdiente Noten."

Ich hätte lieber überhaupt keine Noten, als welche auf diese Weise zu bekommen.
Wie aufgetragen bekommen, öffnete ich das Buch und stöberte durch die Seiten. Was manche aus solchen Flecken nur lesen konnten. "Ich glaube deins könnte man als Erfolg zählen. Du wirst berühmt sein, dafür aber verrückt?" Bei genauerer Betrachtung war das nichts neues. "Du hast wenigstens einen Deutungsansatz. Ich hingegen hab überhaupt keine Ahnung was das Ding über deine Zukunft aussagt." Auch gut. Ich bin nicht scharf drauf etwas darüber zu erfahren, davon abgesehen denke ich, dass es sowieso nur Humbug ist. Kein Anfänger kann etwas aus diesem Zeug lesen.
"Zeig Mal, vielleicht finde ich ja was."

Ich streckte schon die Hand aus, als ein stechender Schmerz durch meinen Kopf fuhr. Es war so stark, dass mir schwarz vor Augen wurde. Nein, ich sah tatsächlich nichts mehr!
Schwach hörte ich Sarah nach etwas oder jemandem rufen. Sie klang, als stände sie mehrere Meter von mir entfernt. Irgendwann verstummten auch diese Rufe.

When History Is Rewritten: 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt