17. Wieso du geblieben bist

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»Waldherz!« Eichenpfotes Schritte hinter mir. Ich rannte weiter. »Waldherz, warte doch!«

»Gerstenfeder! Wo bist du? Gerstenfeder!« Ich schrie. »Gerstenfeder, wo bist du?«

Meine Pfoten flogen über den Boden, immer und immer schneller lief ich, die Welt rauschte nur an mir vorbei, mein Blick überall und nirgends, alles sehend und doch blind, ich rannte und rannte immer und immer schneller, immer und immer-

»Stopp!« Ein weißer Blitz aus dem Wald heraus. Nur mit Mühe konnte ich abbremsen, stolperte einige Schwanzlängen weiter und starrte Schwanenglanz an. »Was machst du da?« Die weiße Kriegerin fauchte. »Willst du diesen Feigling suchen? Wieso das? Das ist er nicht wert, wegen ihm sind drei Leben-«

Noch ehe ich begreifen konnte, wer vor mir stand, sprang Haseljunges zwischen uns, ein kleiner, zerbrechlicher Schimmer aus Sternenlicht. »Lass ihn«, sagte sie zu mir und lächelte matt. »Du musst das tun, was dein Herz dir sagt.«

»Er ist ein Verräter! Ein Feigling! Ein Nichtsnutz. Er hat es nicht verdient, noch hier zu sein«, fauchte Schwanenglanz und sträubte das Fell, dann sah sie mir eindringlich in die Augen. »Das verstehst du doch, Waldherz, oder?«

»Lass ihn in Ruhe. Deine Zeit ist vorbei.« Die kleine Kätzin sah zu Boden.

»Wegen dieses Mörders!« Die Kriegerin bleckte die Zähne. »Das verstehst du doch, Waldherz. Du verstehst doch, dass Gerstenfeder nichts wert ist. Oder? Das verstehst du doch.«

Stille.

»Ich...« Ich wich zurück. »Ich weiß nicht...«

»Denk nur daran, wie sehr er dich angelogen hat. All die Monde lang. Wie er dir gesagt hat, du könntest ihm trauen. Denk daran, wie sehr er dich enttäuscht hat.« Schwanenglanz' Augen funkelten. »Er hätte dir davon erzählen können. Aber er war zu feige dazu. Er hat dir das Herz gebrochen und das hat er absichtlich getan. Absichtlich. Er hat es akzeptiert, dass er dich verletzt, nur um sich selbst zu retten. Er hat uns sterben lassen, ohne etwas zu tun. Nur aus Angst.«

»Er hat auf mich aufgepasst...«, sagte ich leise.

»Er hat dein Vertrauen missbraucht. Er war nie der, den du kanntest. Er hat gelogen.«

»Er hat Katzen gerettet ... Kranke Katzen...«

»Ja, weil er selbst nicht in Gefahr war. Er hat Katzen sterben lassen! Er hat uns alle sterben lassen, siehst du sie? Kannst du dieses Junge hier ansehen, ohne in ihren Augen den Tod zu sehen, an dem Gerstenfeder schuld ist?«

»Ihm wäre nichts passiert«, sagte Haseljunges traurig.

»Er hat es verdient zu sterben. Er hat nichts anderes verdient als das!« Schwanenglanz fauchte, dann fuhr sie die Krallen aus. »Verstehst du das, Waldherz?«

»Ich ... ich glaube...« So viel Schmerz. So unglaublich viel Schmerz machte sich in mir breit. »Ich glaube, ja.«

»Er muss sterben. Er hat nichts anderes verdient. Ich sage die Wahrheit. Du kannst dir sicher sein.«

»Er hat nichts anderes verdient.« Ich starrte in die Dunkelheit. Das meinte Bärenjäger mit der Prophezeiung, dachte ich. Ich sollte Gerstenfeder nicht vertrauen. Dem, dem ich immer vertraut hatte. »Er hat euch geleugnet. Er hat den SternenClan betrogen.«

»Er ist ein Ketzer. Ein Verräter. Und ein Mörder.« Schwanenglanz bleckte die Zähne. »Erst wenn er tot ist, ist der Clan sicher«, sagte sie.

Und ich glaubte ihr.

»Das stimmt nicht!« Eichenpfote war es, der zwischen uns sprang. »Gerstenfeder ist so viel mehr als nur das.« Der kleine Kater braute sich vor dem riesigen Krieger auf, seine sanften, grünen Augen glänzten in der Dunkelheit. »Gerstenfeder ist unser Freund.«

»Er hat deine Schwester sterben lassen.«

»Du wärest auch beinahe tot gewesen«, murmelte Haseljunges. Tränen traten ihr in die Augen. »Du hättest mich fast vergessen. Wenn er nicht wäre, dann würden wir jetzt zusammen Schüler sein. Zusammen auf Patrouillen gehen.«

Mein Blick flog zwischen den drei Katzen hin und her. Mein Herz raste, meine Gedanken flatterten zwischen all der Leere und all dem Unwissen ziellos umher, meine Pfoten wollten laufen, laufen und laufen, aber wohin? Zurück nach Hause? Ohne Gerstenfeder? Oder zu ihm, um ihn vor sich selbst zu beschützen?

Meine Augen richteten sich auf Haseljunges. Sie war noch so klein. Niemals würde sie eine Kriegerin werden können, niemals würde sie zusammen mit ihrem Bruder Seite an Seite stehen können, ohne dass diese undurchdringliche Wand zwischen ihnen lag.

Und das war deine Schuld, Gerstenfeder.

Aber stimmte es nicht, was Eichenpfote gesagt hatte? Warst du nicht viel mehr als das?

WarriorCats - Als ich glaubteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt