1. Damals

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Alles begann mit meiner Zeremonie. Erinnerst du dich noch daran? Es ist noch gar nicht so lange her, aber es liegt so unendlich viel Zeit dazwischen. Erinnerst du dich noch daran?

»Ich, Gerstenfeder, Heiler des MondClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler zu schauen. Er hat hart gearbeitet, um das Wissen einer Heiler-Katze zu erlernen und mit eurer Hilfe wird er unserem Clan viele Monde lang dienen. Waldpfote, versprichst du, die Wege einer Heiler-Katze zu gehen, dich von Rivalitäten zwischen den Clans fernzuhalten und die kranken Katzen aller Clans zu versorgen, selbst wenn es dich dein Leben kostet?«

Hast du diesen Schwur damals auch abgelegt, hätte ich dich fragen müssen. Aber ich fragte nicht, damals. Damals, vor so unendlich langer Zeit. Ich dachte nicht darüber nach, dass du lügen könntest.

Denn das hast du getan. Du hast gelogen. Ja, du hast es nie so direkt gesagt, du hast ja nie darüber gesprochen, niemand hat je darüber gesprochen, niemand von euch allen. Aber du hast auch nie die Wahrheit gesagt. War es so schwer? Wäre es so schwer gewesen? Wieso hast du nie mit mir darüber gesprochen? Wieso hast du mir nie gesagt, wer du wirklich bist, statt so zu tun, als wärest du jemand anders?

»Ja, das werde ich.«

»Dann gebe ich dir mit der Hilfe des SternenClans die Kraft und Ausdauer einer Heiler-Katze. Wir ehren deine Offenheit und den Optimismus, mit dem du an die Welt herangehst - und von nun an wirst du den Namen Waldherz tragen.«

Du bist an mich herangetreten und hast mir über die Stirn geleckt, damals, und diese Erinnerung tut so unglaublich weh, weil ich so unglaublich glücklich war, damals, weil ich nicht wusste, wie falsch alles war, damals.

Du wusstest es. Aber du hast es mir nicht gesagt.

»Ich bin stolz auf dich«, sagtest du stattdessen. Ganz leise, leise lächelnd. Und ich! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich war, als ich diese Freude in deinen Augen sah! »Aber jetzt lasst uns die Träume mit dem SternenClan teilen.«

»Glückwunsch«, brummte Nachtseele leise, damals. Wusste sie davon? Wusste sie das, was du wusstest? Wieso hat sie mir nichts gesagt?

Aber ich war noch so jung. So jung und so blind für die Welt. Für die wahre Welt, für die Wahrheit. »Denkst du, sie zeigen mir heute etwas Besonderes?«, fragte ich dich, aber du hast mich nur angestupst und meinen Blick auf das Licht der Sterne gerichtet.

»Sieh' selbst nach«, hast du gesagt.

Also schloss ich die Augen und sah selbst nach.

Weißt du, ich erinnere mich noch gut an das Bild, das mir der SternenClan zeigte, sehr genau. Ich stand an einem See, in dem sich die Sterne spiegelten und der Mond und das letzte Licht der Sonne, ich sehe alles noch klar vor mir, wie aus den Sternen im Wasser Krieger wurden und einer der Krieger zu mir ging.

»Sei gegrüßt, Waldherz«, sagte der Krieger.

»Ihr kennt meinen Namen schon?«, hatte ich gefragt.

Der Krieger lächelte nur, zuckte mit den Ohren. »Wir kennen dich gut«, sagte er, »besser als du selbst, schätze ich.«

Verlegen sah ich auf den Boden. »Natürlich.«

»Du musst noch lernen. Nur, weil du nun einen anderen Namen trägst, bist du noch lange kein richtiger Heiler.« Dann lächelte der Krieger und sah mir in die Augen. Ob er davon wusste? Wieso sagte er mir nichts von dir? Wollte er jemanden beschützen - aber wen? Dich oder mich? »Weisheit kommt mit dem Alter. Du wirst schon sehen.«

Dann trat eine zweite Katze hervor, eine Kätzin. Sie war weiß, schneeweiß, wie das Licht der Sterne selbst, aber ich konnte sehen, dass es ihr Fell war, nicht das Mondlicht. Ich kannte ihn. Dachte ich zumindest, ich dachte, ich kenne sie. Aber wen kannte ich schon wirklich, damals? »Wir haben eine Prophezeiung für ihn, Eulenstern. Die Nacht ist kurz, das Sternenlicht ist kostbar.«

»Selbstverständlich, Schwanenglanz.« Der Krieger trat zurück und überließ dem Zweiten Anführer seinen Platz.

Schwanenglanz neigte den Kopf, sah mir in die Augen. »Auf einer Reise trennen sich Schatten von Herzen. Sucht nach Sternen, sucht nach Mond und Sonne und nach dem, der das Lager als Junges verließ und nie zurückkehren soll. Nur so werdet ihr erkennen, dass Weizen manchmal nicht von Spreu zu trennen ist.« Er hielt kurz inne. »Pass' auf dich auf, Waldherz«, sagte er noch. »Die Welt wird sich verändern. Deine Welt.«

Aber ich verstand nicht und ich fragte nicht nach. Neigte nur den Kopf, nickte schweigend.

»Präge dir diese Worte gut ein. Weizen ist manchmal nicht von Spreu zu trennen...«

Doch was bedeutete das schon, damals? Was hieß das schon, für mich? Nichts. Es waren nur leere Worte.

Leere Worte, die erst mit der Zeit Bedeutung bekommen würden, Bedeutung, die ich nie verstehen wollte.

WarriorCats - Als ich glaubteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt