4. Was ich musste

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Du bist aus dem Bau gesprungen und hattest sofort einen Plan. Woher sollte ich wissen, dass du gezögert hast? Woher sollte ich wissen, wie unsicher du eigentlich warst und wie sehr du dir gewünscht hast, das nicht tun zu müssen, nicht gehen zu müssen?

Woher sollte ich wissen, dass du nicht gehen wolltest, und wieso?

»Wir sollten gleich aufbrechen«, sagtest du und verschwandest in unserem Bau. Ich huschte hinter dir durch die Ranken, lauschte deinen Worten mit zuckenden Ohren und leeren Gedanken. »Wenn wir heute noch hinter das SonnenClan-Territorium kommen, können wir morgen mit neuer Kraft die Berge besteigen.«

Ich neigte den Kopf. »Du weißt, wohin wir gehen müssen?«

Und du hieltest inne. »Wie waren noch einmal die Worte?«

»Sucht nach Sternen, sucht nach Mond und Sonne und-«

»Reicht schon. Wir sollen dem Himmel entgegen. Wir müssen in die Berge gehen.«

Ich blinzelte. »Natürlich. Wir sollen dem Himmel so nah wie möglich kommen.«

Und du hast gelacht und mir in die Seite geknufft, so wie immer. Aber es war nicht so wie immer, ich fühlte es, irgendwie, in mir. Aber ich sagte nichts. Ich weiß nicht, wieso. Vielleicht aus Angst, keine Antwort zu bekommen.

Aus Angst, zu hören, dass du mir nicht vertraust.

»Falkenstern! Falkenstern!« Wieseltatze riss uns aus den Gedanken. »Falkenstern, hier sind - der SonnenClan - ist-«

»Wir bringen ihm etwas zurück, das ihm gehört«, hörte ich eine Stimme sagen. Eine Stimme, die mich aufhorchen ließ, eine Stimme, die meine Pfoten aus dem Bau trug und mich erstarren ließ.

Windstern. Die Anführerin des SonnenClans, zusammen mit einer Patrouille von vier Katzen - Nachtseele erkannte ich darunter, außerdem Adlerflug, einen alten, erfahrenen Krieger, und Kleeschweif, ihren zweiten Anführer. Der letzte Krieger musste Kaninchenkralle sein, ich hatte schon einmal von ihm gehört, als er mit einigen anderen Kriegern unsere Patrouille angegriffen hatte, eines Eichhörnchens wegen.

Ich schüttelte mich. Was interessierte mich Kaninchenkralle. Windstern war in unserem Lager, zusammen mit ihren besten Kriegern, und-

Eichenpfote!

»Freut mich, dich zu treffen, Windstern. Es ist eine Weile her, dass wir uns das letzte mal sahen.« Falkenstern war aus seiner Höhle getreten und neigte den Kopf vor der Anführerin, dann fiel ihr Blick auf den kleinen Schüler, den Adlerflug und Kaninchenkralle eskortiert hatten. »Schön, dich zu sehen, Eichenpfote«, sagte sie spitz.

»Ich kann alles erklären, ich-«

»Sei still!«, fauchte Falkenstern, bleckte die Zähne und fuhr die Krallen aus, funkelte den kleinen Kater an, dann wirbelte sie herum und wandte sich, höflich wie zuvor, an Windstern. »Verzeiht die Unannehmlichkeit.«

»Ihr solltet besser auf eure Schüler aufpassen«, sagte Windstern knapp. Kaninchenkralle stieß den Kleinen von sich, sodass er stolpernd über die Lagererde schlitterte und purzelnd zum Stehen kam. »Wir können sehr viel unangenehmer werden«, fügte die Anführerin langsam hinzu, »Wenn unsere Grenzen noch einmal nicht wahrgenommen werden. Das gilt für Krieger«, sagte sie und bleckte die Zähne in Eichenpfotes Richtung, »und für Schüler

Eichenpfote duckte sich und sah zitternd zu den größeren Katzen hinauf. In diesem Moment wäre ich gern zwischen die beiden gegangen, aber ich wusste, dass es nichts bringen würde. Und er hatte sich selbst in diese Situation gebracht. Eigentlich.

»Aber eigentlich sind wir wegen einer anderen Angelegenheit hier.« Windstern schnippte mit dem Schwanz und deutete auf Nachtseele. »Unsere Heilerin muss wegen eines Auftrags im Sinne des SternenClans auf unbestimmte Zeit den Clan verlassen, um die Bedeutung einer Prophezeiung zu verstehen. Wir werden deshalb ohne Heiler sein.« Sie sah Falkenstern in die Augen. »Und nur feige Einzelläufer würden einen Clan angreifen, der keinen Heiler hat.«

»Selbstverständlich«, sagte Falkenstern. »Dann möchte ich gleich sagen, dass das auch für euch gelten soll. Unsere beiden Heiler werden ebenfalls den Clan verlassen und erst in-«, sie warf einen kurzen Blick in unsere Richtung, »- unbestimmter Zeit zurückkehren.«

Die Anführerin des SonnenClans trat überrascht einen Schritt zurück, ihre Ohren zuckten kurz. »Dann ist der Frieden abgesprochen. Bis auf unbestimmte Zeit wird es keine Kämpfe geben.«

»Von keinem Clan aus.« Unsere Anführerin neigte den Kopf.

»Es war mir eine Ehre, dein Lager zu sehen.« Windstern sah noch einmal auf Eichenpfote herab und schnaubte dann abfällig. »Auch wenn mir die Umstände etwas missfallen.« Dann wirbelte sie herum und stolzierte davon, gefolgt von ihren Kriegern.

Nachtseele allein blieb stehen und trabte ruhig auf uns zu. Etwas an ihrer Ruhe gefiel mir nicht, sie wirkte, als würde ihr das ganze Lager gehören - aber ich sagte nichts. Ich wusste ja, dass du sie magst.

»Das Tageslicht ist kostbar. Wir sollten aufbrechen. Seid ihr bereit?« Ohne auf unsere Antwort zu warten, kehrte sie um und lief weiter, im Lagereingang blieb sie stehen. Ohne sich umzudrehen, fragte sie noch einmal: »Seid ihr bereit?«, wartete, bis wir aufgeholt hatten, und wir liefen los.

In das Ungewisse. Und ich dachte damals wirklich, ich wüsste genau, wohin es gehen würde, ich wüsste es am besten, es war ja meine Prophezeiung gewesen. Ich dachte, von uns dreien wüsste ich das meiste, zusammen mit Nachtseele.

Ist es nicht seltsam, dass es genau anders herum war?

WarriorCats - Als ich glaubteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt