10. Damals

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»Wir müssen wohl warten, bis Nachtseele uns findet.« Du hast kurz in die Ferne gesehen, dann warfst du mir dieses Lächeln zu, dieses Es-wird-alles-wieder-gut-Lächeln von damals, als ich noch ein Junges gewesen war - genau dieses Lächeln, nur dass ich in diesem Moment nicht das Gefühl hatte, dass du es mir zugelächelt hast, sondern vielmehr dir selbst.

»Was, wenn sie nicht kommen?«, fragte ich leise.

Aber du hast mir nur in die Augen geschaut und gesagt: »Sie werden kommen. Ganz sicher. Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut. Du musst dich nur ein wenig ausruhen. Wie wäre es, wenn du ein bisschen schläfst. Dann geht es dir besser.«

Ich zuckte mit den Ohren und wich aus. »Ich weiß nicht.« Einen Moment schwiegen wir. Es war seltsam zu schweigen, die Stille war unheimlich. Es war niemand in der Nähe, wir waren so weit von allem entfernt, das vielleicht von jemandem bewohnt wurde - so weit, viel weiter als ich es je zuvor gewesen war, und dieser Gedanke war so verzweifelnd, dass ich fürchtete, davon erdrückt zu werden. »Ich ... ich träume seltsame Dinge, sobald ich schlafe«, sagte ich leise. »Vom SternenClan.«

Erinnerst du dich noch an diesen Moment? Woran hast du wohl damals gedacht, in diesem Augenblick? Daran, was ich vielleicht wusste? Daran, was damals geschehen war? Woran dachtest du damals, in diesem Augenblick, als du mich nur mit zögernder Stimme gefragt hast: »Und - was hat dir der SternenClan gesagt?«

Ich wich aus. »Vielleicht war es auch gar nicht der SternenClan. Vielleicht war es einfach nur ein komischer Traum.«

Du wirktest ungeduldig. Ich weiß es noch, weil es mich verwunderte, damals.

Weil ich nicht dachte, was du getan haben könntest. Weil ich nie von dir dachte, dass du so eine Katze sein könntest. Weil ich nicht dachte, dass du mich mein ganzes Leben lang belogen hast.

Aber das weißt du selbst, nicht wahr, Gerstenfeder?

»Wovon hast du geträumt?«

»Ach, ich weiß nicht mehr. Ich bin müde.«

»Waldherz, wovon hast du geträumt?« Und du hast ein Lächeln aufgesetzt, gedacht, ich hätte den Ton in deiner Stimme nicht gehört. »Ich meine, vielleicht kann ich dir helfen. Ich habe ein paar mehr komische Träume gehabt als du, in meinem Leben.«

»Von Bärenjäger. Ist aber auch nicht so-«

»Bärenjäger?«

»... genau.« Ich biss vor Schmerzen die Zähne zusammen.

»Und was hat Bärenjäger getan? Wo ward ihr? Hast du mit ihm geredet?«

»Ich ... ich weiß nicht...«

»Waldherz? Ist alles in Ordnung?«

Ich bin kein Junges, lass mich in Ruhe! Ich bin jetzt ein vollständiger Heiler, Gerstenfeder! Mit ein bisschen Schmerzen komme ich aus, du musst mich nicht bemuttern! »Er hat mir etwas gesagt. Eine - Prophezeiung. Er hat mich gewarnt.«

»... g ... gewarnt?«

»Ja. ›Misstraue denen, denen du vertraut hast. Welten werden sich ändern, doch Worte bleiben gleich.‹ Es war - ganz - seltsam. Er - er sollte nicht-« Ich hielt inne, kauerte mich zusammen und verzog das Gesicht. Tränen stiegen mir in die Augen.

»Hat - hat er dir etwas - g - gezeigt?«

»Nein«, presste ich hervor, krampfte mich zusammen.

Kurze Stille. Ich entspannte mich langsam wieder, mein ganzer Körper schmerzte und nichts half dagegen...

»Ich glaube, du solltest nicht alles glauben, was der SternenClan sagt«, meintest du und wandtest dich ab. »Vielleicht sind sie damit gemeint.«

Ich zuckte zusammen. »Aber der SternenClan!«, rief ich.

»Hast du nicht gehört, was er gesagt hat? Vertraue dem nicht - dem du - immer - vertraut hast.«

Ich sah dir in die Augen, in diesem Moment, für einen ganz kurzen Wimpernschlag sah ich dir in die Augen. Und ich sah etwas darin, Gerstenfeder - etwas, das ich so in dieser Art noch nie in deinen Augen gesehen hatte, noch nie zuvor, etwas, das ich selbst nicht begreifen konnte und das ich nicht verstand, in diesem Moment, aber es war etwas, das mich wegschauen ließ.

Weil es Zweifel in mir rief, Zweifel, die ich schon die ganze Zeit über gehabt hatte, ohne dass ich ihnen glauben wollte, Zweifel, die ich in mir gespürt hatte, ohne sie wahr haben zu wollen.

Denn ich sah etwas in deinen Augen.

Ich sah Angst.

WarriorCats - Als ich glaubteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt