27. Campbells Pläne

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Alice kannte das Gefühl, das in ihr aufstieg, als sie die Türschwelle des Polizeireviers überschritt. Alles in ihr sträubte sich. Das Gute in ihr wusste, dass sie diesen Schritt nicht tun sollte. Ihr war bewusst, dass sie in ihr Verderben lief — genau wie damals, als sie das Garrison betreten hatte, um vor den Shelby-Brüdern vorzusprechen. Und damals wie auch heute wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte.

Damals hatte sie versucht, das Leben ihres Vaters zu retten. Dieses Mal ging es lediglich um sie selbst. Doch wenn Alice in all der Zeit mit Tommy eines gelernt hatte, dann war es der Selbsterhaltungstrieb. Manchmal musste man Dinge tun, um zu überleben. Sie durfte sich nur niemals selbst aus den Augen verlieren, wie es bei Tommy der Fall war.

Als sie von einer Angestellten zum Büro, auf dessen Tür »Inspektor Campbell« zu lesen war, geführt wurde, hätte Alice beinahe wieder auf dem Hacken kehrt gemacht und wäre am Liebsten davongelaufen — doch wohin?
Stattdessen blieb sie also stehen und der Blick des Polizisten traf sie, sobald seine Sekretärin sie angekündigt hatte.

»Miss Blackham, ich hab Sie schon erwartet«, lächelte er sie an. Von Tommy war sie nie so empfangen worden, doch sein grummeliges Schweigen war ihr weitaus lieber als das falsche Lächeln des Inspektors. Dieser hievte sich nun von seinem Stuhl, stützte sich auf seinen Gehstock und lief um seinen Schreibtisch herum.

Er konnte es nicht ertragen, wenn man auf ihn herabsah. »Bitte, setzen Sie sich doch«, bot Campbell ihr deshalb einen Stuhl an und tatsächlich nahm Alice Platz. Auch das hatte sie von Tommy gelernt: Sich stets reserviert, aber neutral zu präsentieren.

»Ich will nicht sagen, dass es mich überrascht, dass Sie meiner Bitte tatsächlich gefolgt sind

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»Ich will nicht sagen, dass es mich überrascht, dass Sie meiner Bitte tatsächlich gefolgt sind. Mir ist der Zwiespalt, in dem Sie sich gerade befinden, bekannt. Ich habe ihn selbst schon oft genug gespürt«, fing er direkt an. »Wir haben einen gemeinsam Bekannten, wie Sie vermutlich wissen. Dank ihm glauben Sie zu wissen, mit wem Sie hier sprechen.«

»Im Moment habe ich eher das Gefühl, dass Sie glauben zu wissen, mit wem Sie sprechen«, warf Alice ein und bemerkte selbst, dass dieser Kommentar auch von Tommy hätte stammen können.

Schmunzelnd nickte Campbell.
»Das tue ich. Es waren in all den Monaten weitaus mehr Augen auf Sie gerichtet, als Sie gedacht hatten — und zwar nicht nur die des Gesindels dieser Straße. Von dem Moment, als ich Sie zum ersten Mal an Thomas Shelbys Krankenbett gesehen habe, bis zu ihrer kürzlichen Rückkehr.«

Mit jeder Sekunde musste sich Alice mehr darauf konzentrieren, keine Miene zu verziehen. »Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«, fragte sie mit neutraler Stimme nach.

»Dass Sie Hilfe brauchen. Sie haben sich in großer Not an die Falschen gewandt. Das kann passieren und ist zu verzeihen, solange man den rechten Weg am Ende doch noch erkennt«, merkte Campbell an. »Ich will Ihnen die Chance geben, sich selbst zu retten und biete Ihnen Arbeit an.«

Um ein Haar hätte Alice laut aufgelacht. Doch sie war verzweifelt.
»Was bedeutet Arbeit?«
»Nun, Sie beherrschen die Schreibarbeit, Sie haben Erfahrung in der Buchhaltung und arbeiten entsprechend mit System. Und wenn Sie wollen, können Sie charmant sein. Für meine Sekretärin könnte ich mir wohl keine bessere Vertretung wünschen. Und von dem Gehalt werden Sie nicht nur Ihre Wohnung bezahlen, sondern auch gut in Birmingham leben können.«
Alice konnte kaum in Campbells Gesicht und das schrecklich falsche Lächeln darauf blicken.

Schutt und Asche || Peaky BlindersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt