»Sind Sie wirklich so lebensmüde, Mr. Shelby?«
Wieder umspielte ein müdes Lächeln Tommys Lippen.
»Ich besitze einen Haufen wertvoller Dinge, Miss Blackham. Mein Leben ist keines davon.«
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Thomas Shelby ist nicht mehr derselbe, seitdem...
Das Stechen in seinem Kopf wurde von Minute zu Minute schlimmer, als Tommy hinter dem schweren Schreibtisch seines Büros saß. Die Geister in seinem Schädel kämpften wie einst all die Soldaten in der Schlacht an der Somme. Bloß Opium konnte die Schmerzen halbwegs stillen, denn die Zeit sie zu fühlen, hatte er nicht.
Sabini hatte zu einem erneuten Schlag gegen ihn ausgeholt und einem seiner Männer im Gefängnis die Kehle aufgeschlitzt - natürlich nicht ohne eine Nachricht, dass er der Nächste sein würde, zu hinterlassen. Die Aussicht, ebenfalls bald unter der Erde zu liegen, stieß Tommy im Moment weniger übel auf als die Tatsache, dass niemand mehr für ihn arbeiten würde, wenn sich erst einmal herumsprechen sollte, dass er die Gefängnisse nicht unter Kontrolle hätte.
Sabini musste besiegt werden. Und das machte die Geschäfte mit Alfie Solomon, die immer mehr Gestalt annahmen, nur noch wichtiger. Zudem musste Tommy endlich Besitzer eines erfolgreichen Rennpferdes werden, um Sabinis Vorherrschaft in Epsom unterwandern zu können. Und nicht zuletzt war da noch Inspektor Campbell, der zu den unmöglichsten Zeitpunkten nach einem Treffen verlangt hatte. Auch er ließ Tommy immer wieder spüren, wie eng die Schlinge war, die um seinen Hals lag. Und in manchen Momenten würde Tommy gerne einfach nur springen.
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Nicht nur seine Geschäfte, auch die Familie stand Kopf. Tommy hatte Michael Gray, Pollys biologischen Sohn, ausfindig gemacht und wenig später war er hier aufgetaucht. Das bedeutete zwar, dass Pollys Trauer beendet war, dafür hatte sie nun aber ihre Mutterinstinkte entdeckt. Ihr Leben hatte einen neuen Mittelpunkt gefunden, was das bisherige System Shelby ordentlich über den Haufen warf.
Und auch Arthurs Aggressionen und posttraumatische Störungen waren nach wie vor ein Problem. Tommy hatte ihm nicht nur einmal eingebläut, dass er endlich nach vorne sehen und vergessen musste, doch diese heuchlerischen Worte hätte er ebenso an sich selbst richten können.
»Wollen wir los?«, fragte John, als er ins Büro seines Bruders platzte. Prüfend warf Tommy einen Blick auf seine Taschenuhr und nickte, ehe er den letzten Schluck aus seinem Whiskeyglas nahm.
»Geh mit den Männern schon mal zum Wagen und fahrt los. Wir treffen uns dann dort. Ich muss noch jemanden holen«, murmelte er vor sich hin und versuchte John wieder aus seinem Büro zu schieben.
Irritiert guckte ihn der Jüngere an. »Wen brauchst du denn noch?«
Ohne zu antworten, klopfte Tommy ihm auf die Schulter und drückte sich an ihm vorbei. »Sieh' du lieber zu, dass Arthur halbwegs nüchtern ist«, sagte er nur, ehe er verschwand.
Dann schlug Tommy den Weg zum Garrison ein. Dorthin hatte er Alice bestellt und dort wartete sie auch bereits in einem umwerfenden, dunkelgrünen Kleid auf ihn.
John hatte zurecht gefragt, wen er heute noch zur Auktion mitnehmen wollte. Durch die Augen seines Bruders war es nicht zwingend notwendig, noch jemanden dabeizuhaben - doch Tommy sah die Dinge anders. Er hatte eigene Strategien und für seine heutige musste er auf eine ganz andere Art und Weise auftreten. Und dafür brauchte er Alice.