Es gab eine ganze Menge Dinge, die Thomas Shelby nicht leiden konnte. Eines davon war, wenn Behauptungen über ihn aufgestellt wurden — denn dann musste er losziehen und der Welt, vor allem aber sich selbst, das Gegenteil beweisen.
Ein anderes war, wenn man das Gute in ihm sehen wollte. Das war lange nicht mehr passiert, denn Tommy legte es darauf an, dass die Hoffnung daran erstarb. Nur seine Schwester Ada war immer noch überzeugt davon, dass er seinem guten Herz eines Tages folgen würde.
Und nun war da Alice, die so vieles von dem, was Tommy beinahe zur Weißglut brachte, in sich vereinte. Ihretwegen hat er sich nun sogar zu recht später Stunde überstürzt auf den Weg zu May Carleton gemacht, um nach seinem Pferd zu sehen. Und noch dazu hatte er sich auch fest vorgenommen, die wohlhabende Witwe zu verführen.
Eigentlich hätte er zunächst nur seine Grenzen austesten wollen, doch nachdem Alice eben so felsenfest überzeugt war und behauptet hatte, dass er ihretwegen diese Frau ohnehin nicht anfassen würde, wollte er genau das tun. Und nach ihrer letzten Begegnung hatte er nicht den Eindruck, dass das ein schwieriges Unterfangen wäre.
Das Anwesen von May Carleton lag ein Stückchen entfernt. Wenn er es geschickt anstellte, könnte Tommy womöglich dort übernachten. Auf diese Weise würde Alice gewiss mitbekommen, dass er sehr wohl offen für die Frauenwelt war und ihm keineswegs irgendetwas an ihr lag. Das galt es heute zu beweisen — ihr, aber auch in diesem Fall vor allem sich selbst.
»Mister Shelby«, empfing ihn May mit professioneller Distanz bei den Ställen ihres Anwesens. »Sie kommen ziemlich früh, um sich die Fortschritte ihre Stute anzusehen. Pardon. Die Stute ihrer Verlobten, meine ich natürlich.« Es lag ein merkwürdiges Grinsen auf den Lippen der Dunkelhaarigen, als sie auf Thomas zukam und ihre Lederhandschuhe auszog.
»Wenn jemand von sich behauptet, die beste Pferdetrainerin des Landes zu sein, dann glaubt man eben, schnellstmöglich Resultate zu bekommen«, konterte Tommy, der sich eben erst eine Zigarette angesteckt hatte, geschickt.
»Zu recht«, lächelte May und winkte ihn direkt mit sich. »Sie macht sich prächtig. Ein ausgesprochen fähiges Tier. Sie wird in Epsom ordentlich Eindruck machen, das zeigt sich schon jetzt.«
»Sie denken, ich werde sie auf die Rennbahn in Epsom schicken?«, hakte Tommy nach.
»Nun, das hoffe ich. Ebenso wie mein Vater. Er besteht darauf, dass Sie mit ihrer Prachtstute dort auflaufen«, sagte May genau das, was sich Thomas erhofft hatte.
»Das sollte sich einrichten lassen. Meine Verlobte wird bestimmt Freude daran haben, ihr Pferd gewinnen zu sehen.«
Zufrieden nickte May und brachte Tommy in die Halle, in der seine Stute trainiert wurde. Eigentlich hatte er Curly mitbringen wollen, damit auch dieser einen Blick auf das Pferd werfen konnte. Aber eigentlich hatte er ja auch erst nächste Woche hier aufschlagen wollen. Alice hatte ihn unbewusst zu diesem überstürzten Besuch gedrängt.
Nachdem May ihn also auf den neuesten Stand gebracht hatte, was die Entwicklung des Tieres und dessen zukünftigen Trainingspläne anging, war Tommy nicht nur überzeugt, dass sie ihr Handwerk beherrschte. Genauso sicher war er sich auch, dass sie definitiv scharf auf ihn war.
May nutzte jede Gelegenheit um ihm tief in die Augen zu sehen und ihr anzügliches Lächeln sprach Bände. Das hier war ein absolutes Heimspiel.»Kommen Sie noch auf einen Drink mit nach Drinnen?«, bot sie ihm wie erwartet an, als sie sich wieder dem Teil des Anwesens näherten, in dem die Wohnräume waren.
»Gerne«, antwortete Tommy selbstsicher, die Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben.Er wollte May gerade zur Eingangstür folgen, als er noch einmal stehen blieb und sich umsah. Eigentlich hatte Thomas nur einen Blick auf die dunklen Wolken werfen wollen, um sich zu versichern, ob er heute Abend tatsächlich noch nach Hause fahren konnte oder ob er doch hier schlafen sollte. Doch stattdessen fielen ihm die verstohlenen Blicke des Personals, das eben den Hof überquerte, auf.
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Schutt und Asche || Peaky Blinders
Fanfic»Sind Sie wirklich so lebensmüde, Mr. Shelby?« Wieder umspielte ein müdes Lächeln Tommys Lippen. »Ich besitze einen Haufen wertvoller Dinge, Miss Blackham. Mein Leben ist keines davon.« _______________ Thomas Shelby ist nicht mehr derselbe, seitdem...