14 ~ Gefühle

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Wir saßen noch lange einfach so da, schwiegen, sprachen und lachten. Ich konnte nicht fassen, dass ich nun sagen musste, dass der Nachmittag wahrlich wunderschön war.
Sogar etwas widerwillig erhob ich mich und sah auf Luca runter, der mich aus zwei blauen, klaren Seen ansah. Ewig könnte ich ihn ansehen und mir würde nicht langweilig werden und ich wusste nicht, wohin mich meine gefährlichen Gefühle noch tragen würden, wusste nicht, ob ich mich darauf einlassen sollte, doch es fiel mir so leicht, mit ihm alles um mich herum zu vergessen.
»Was guckst du so?« Ein Grinsen legte sich augenblicklich auf die vollen Lippen meiner Begleitung und erinnerte mich so daran, dass ich ihn wahrscheinlich gerade wie ein Volltrottel angestarrt hatte.
»Nichts, nichts«, gab ich schnell zurück und schüttelte schnell den Kopf. Jedoch sah Luca mich nur wissend an und erhob sich ebenfalls, so dass er nun ganz dicht vor mir stand. Seine Brust berührte meine und ich spürte seinen Atem auf meiner Nasenspitze. Mein Herzschlag beschleunigte sich beinahe sofort und ich ärgerte mich, dass dieses blöde Herz sich so schnell beeinflussen ließ.
»Na dann können wir doch gehen«, hauchte er mir zu. Sein Atem roch nach Pommes und einer leichten Minznote. Das Kribbeln in meinem Bauch brachte mich beinahe um den Verstand und hinzu kam die Panik, da ich scheinbar ganz plötzlich verlernt hatte, zu sprechen. Seine Nähe war nicht gut für mich, vernebelte mir den Kopf und so brachte ich ein wenig Abstand zwischen uns, indem ich einen Schritt zurück trat.
Sofort lichtete sich der Gefühlsnebel ein wenig und ich konnte zumindest wieder reden.
»Gut, gehen wir.«
Ich schnappte mir meine Tasche, die ich zuvor auf dem Boden abgestellt hatte und setzte mich in Bewegung, wohl wissend, dass er mir folgen würde.
»Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag so?«, stellte er mir eine Frage.
Ohne über meine Schulter zu sehen, antwortete ich ihm.
»Na was wohl? Wir haben Unterricht. Vormittags haben wir immer Tanzen. Drei Stunden Ballett, in denen wir Technik lernen und üben, die verschiedenen Schritte sauber auszuführen. Dann haben wir zwei Stunden Hip Hop, wobei das in dieser Woche flach fällt, da wir nächste Woche am Mittwochabend eine Aufführung im großen Theater im Zentrum der Stadt haben. Dann haben wir eine Stunde Mittagspause und anschließend noch die normalen Unterrichtsstunden, die auch alle anderen haben. Mathe, Geschichte. Das volle Programm eben. Wir wollen uns immerhin nicht nachsagen lassen, dass wir nichts als tanzen können.«
Luca hatte nun soweit zu mir aufgeschlossen, dass er neben mir ging. Er blies hörbar die Luft aus und schüttelte leicht den Kopf.
»Wow, das ist...krass. Das klingt nach sehr viel Anstrengung und Leistung. Ich hab mir das ganze viel lockerer vorgestellt«, äußerte er sich und ich nickte knapp.
»Viele stellen sich das locker vor. Deswegen haben wir Tänzer auch immer das Problem, dass wir immer und überall nur belächelt werden.«
Luca presste seine Lippen zusammen und senkte den Blick, offenbar betroffen, da er das Gleiche gedacht hatte.
Vorsichtig sah ich zu ihm und legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter, die ich aber schnell wieder weg nahm, da es augenblicklich so heftig kribbelte, als hätte ich mich verbrannt.
»Kein Grund, jetzt verlegen zu werden. Wir sind das gewohnt und ich nehme es dir auch nicht übel. Nun weißt du ja die Wahrheit«, beruhigte ich ihn. Es war mir scheinbar nicht egal, was der andere fühlte, auch wenn es das eigentlich sollte, da ich verdammt nochmal nichts mit ihm zu tun haben wollte.
Ich stieß einen Seufzer aus, frustriert darüber, dass ich mich einfach nicht unter Kontrolle hatte. Meine Gefühle spielten verrückt, brachen aus und brachten mich in Sphären, die ich eigentlich gar nicht spüren wollte. Es gab nun die Aufführung, auf die ich mich konzentrieren musste. Außerdem musste ich noch ein kleines bisschen an mir arbeiten, um die Pause wegen meinem Unfall wieder weg zu zaubern, denn auch wenn ich es nicht wahr haben wollte. Meine Leistungen waren ein wenig gesunken und wenn ich nächstes Mal wirklich eine Hauptrolle wollte, musste ich diesen kleinen Rückschlag wieder wett machen. Es war doch mein großer Traum. Einmal dort zu tanzen, wo all die Berühmtheiten bereits ihre Pirouetten gedreht hatten. Das würde ich für einen Jungen nicht aufgeben und schon gar nicht für einen, der Schuld an meinem Rückschlag war.
Kurz flammte Wut auf, doch schon als ich Luca das nächste Mal in die Augen blickte, war diese Wut verpufft.
Ich schluckte schwer und erinnerte mich wieder daran, dass es vernünftig wäre, zwischendurch auch mal zu atmen.

»Ich...möchte dich irgendwie nicht gehen lassen«, sprach Luca schließlich, als wir wieder vor dem Eingangstor der Schule angekommen waren. Kurz blickte ich auf das Schulgelände und dann wieder zu den Jungen vor mir.
»Es hilft aber nichts. Der Unterricht geht gleich weiter. Ich habe keine Zeit mehr.« Kurz flammte Neid auf. Neid, weil Luca heute offenbar nichts mehr zu tun hatte und seine größte Sorge es war, wie er sich denn die Zeit vertrieb, bis er abends wieder ins Bett ging, doch dieses bittere Gefühl schob ich weit von mir weg. Ich sollte dankbar sein, hier sein zu können, denn das war es, was ich mein ganzes Leben lang immer wollte.
Luca nickte leicht und trat auf mich zu. Kurz dachte ich, er wolle mich umarmen, doch er ließ es zum Glück bleiben, denn sonst wären meine Knie weich geworden und hätten womöglich noch unter mir nachgegeben.
»Na dann heißt es wohl Abschied nehmen«, meinte Luca.
Ich grinste schief. »Das hört sich aber ziemlich dramatisch an, findest du nicht?«
Luca zuckte mit den Schultern und sah auf seine Hände, die nervös mit dem Bund seines Hoodies spielten.
»Gibt es denn ein Wiedersehen?«
Ja, gab es das denn? Wollte ich das?
Leider musste ich zugeben, dass ich es definitiv wollte. Ich wollte ihn sehen, wollte wieder mit ihm lachen.
So sehr ich es mir auch wünschte, ich konnte ihn nicht hassen und so nickte ich und Luca begann zu lächeln.
»Das freut mich. Naja, dann sieht man sich.«
Hastig küsste er meine Wange und ließ mich dann einfach stehen, während er die Straße hinunter, Richtung Stadt, eilte.
Grinsend schüttelte ich meinen Kopf und befühlte die Stelle, die er soeben noch mir seinen Lippen berührt hatte, mit meinen Händen.
Dann kehrte ich dem ganzen aber meinen Rücken und begab mich wieder zurück in mein Business.

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