16 ~ Eine zauberhafte Reise

17 5 14
                                    

Die Musik setzte ein. Leise Geigenklänge erfüllten den Raum und begleiteten die Bewegungen der ersten Tänzerinnen, welche nun auf die Bühne hinaus schwebten und mit ihrer Vorstellung begonnen. June stand neben mir und verfolgte jede einzelne Bewegung, die um sie herum passierte, bis sie zu mir auf sah.
»Ich hab das Gefühl, als müsste ich gleich kotzen«,flüsterte sie und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Mir ging es nicht anders, auch wenn ich es vielleicht besser verbergen konnte, als die übrigen hier. Ruhig versicherte ich meiner Freundin, dass alles gut gehen würde und dann musste sie auch schon raus. Ich schubste sie leicht in die Richtung. Sie würde das rocken, das wusste ich genau.

Die Musik schwoll an, wurde lauter und emotionaler und das sagte mir, dass es nicht mehr lange dauerte, bis ich hinaus ins Scheinwerferlicht treten würde. Tief atmete ich durch. Ich wollte einfach nur raus und den Leuten meine Leidenschaft zeigen, sie verzaubern und mit auf eine Reise nehmen, denn das war es, was eine gute Tanzvorstellung sein soll. Eine spannende Reise, auf die man sich gern ein zweites Mal einließ. Gerade vollführte Lydia ihren eleganten Sprung, bei dem sie einen Spagat in der Luft machte, auf den sie so stolz war und kurz darauf wurden die Geigen leiser und ein Klavier setzte ein. Ich stieß mich von der Wand ab und trippelte schnell in den Hintergrund, wo ich mich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden setzte und mich mit meinem Oberkörper auf diese legte. Die Tänzerinnen im Vordergrund wichen nun rechts und links zur Seite, bis ich zum Vorschein kam. Langsam richtete ich mich auf, fühlte die Musik und stand mit einer schnellen Bewegung von Armen und Beinen auf. Eine Pirouette folgte der nächsten und ich schwebte über die Bühne. Alles andere um mich herum hatte ich vollständig ausgeblendet. Es war ein unglaubliches Gefühl, auch wenn ich bald wieder in den Hintergrund rücken würde, denn schon kam June heran gelaufen. Wir hielten uns an den Händen und drehten uns gemeinsam im Kreis. Das Publikum war totenstill. Es verfolgte jede einzelne Bewegung von uns.

Viel zu schnell war mein Auftritt wieder vorbei. Unauffällig verschwand ich wieder hinter den Vorhängen und brauchte erstmal einen Moment, um zu realisieren, dass ich gerade wirklich meinen ersten Auftritt hinter mich gebracht hatte. Ich wollte definitiv mehr davon. Dieses Gefühl war unbeschreiblich.

Als auch der letzte Ton verklungen war, brach lauter Applaus los. Die Menschen erhoben sich von ihren Plätzen und hatten alle dieses Funkeln in den Augen, welches wir auslösen wollten. Gemeinsam gingen wir hinaus und verbeugten uns, was das Klatschen noch weiter anschwellen ließ. Mrs Jeffreys trat ebenfalls auf die Bühne und verbeugte sich mit uns. Stolz flackerte in ihrem Gesicht auf und auf ihren Lippen lag ein zufriedenes Lächeln. Wir hatten es definitiv nicht versaut. Der Abend war ein voller Erfolg. Nachdem wir alle wieder in den Backstagebereich gegangen waren, richtete unsere Lehrerin noch ein paar Worte an die Besucher, in denen sie sich bedankte, dass so viele gekommen waren. Dann war der Zauber vorbei. Viele erhoben sich und drängten zum Ausgang. Ich saß auf dem selben Platz wie zuvor, als ich geschminkt wurde. Vor mir war ein großer Spiegel, vor dem ich versuchte, das Make-Up zu entfernen. Bei schwarz gestaltete sich dies nämlich eher schwierig. Irgendwann hatte ich jedoch auch den letzten Rest entfernt und schälte mich aus meinem Kostüm, hinein in meine bequemen Klamotten und ging dann nochmal hinaus auf die Bühne. Die Scheinwerfer waren aus und nur mehr das Licht, welches an den Decken angebracht war und den Raum erleuchtete, war noch an. Der Zauber hing jedoch noch immer in der Luft. Zumindest bildete ich mir das ein. Genauso wie ich zuerst glaubte, dass ich mir nur einbildete, dass dort in der zweiten Reihe noch jemand saß, doch der Junge stand auf und ging auf die Bühne zu. Vor der Plattform blieb er stehen und blickte zu mir hoch.

»Du warst toll«, flüsterte er und ich erkannte ihn sofort. Luca. Heute trug er einen weinroten Hoodie und eine schlichte, schwarze Jeans. Ich setzte mich auf das glatte Holz und sprang von der Bühne runter zu ihm. Meine Augen bohrten sich in seine, suchten dort nach einem Grund für ein Abtauchen.

»Warum bist du nicht mehr aufgetaucht?« Ich blickte ihn an, während er etwas beschämt den Kopf senkte.

»Ich konnte nicht, ich...es...ich hab es wirklich versucht, aber ich konnte nicht zu dir.« Seine Stimme zitterte leicht und ich schenkte ihm fast Glauben, doch ich fand, dass man immer Zeit fand, wenn es einem wirklich wichtig war. Bei näherem Hinsehen sah ich, wie in dem schwachen Licht ein bläulicher Kreis um sein rechtes Auge lag. Fest presste ich meine Lippen aufeinander. Bestimmt waren das wieder seine tollen Freunde.

»Waren das wieder die Arschlöcher von Freunde?« Es gelang mir nicht, meine Wut auf diese Menschen zu verbergen. Kurz wurden die Augen von Luca groß und er fing sofort an, den Kopf zu schütteln.

»Nein, das...sie waren das nicht«, antwortete er mir prompt und ich schluckte. Sagte er die Wahrheit oder log er mich an?

Luca schien zu bemerken, das ich gerade versuchte, ihn zu analysieren, denn er wich meinem Blick aus und griff stattdessen nach meiner Hand, bevor er wieder mit diesem unglaublichen Lächeln zu mir hoch sah. Dieser Mistkerl wusste ganz genau, was das mit mir machte.

»Wollen wir noch was zusammen trinken gehen? Dein Auftritt muss doch gefeiert werden«, schmunzelte er.

»Ich weiß nicht. Wir fahren bestimmt gleich zur Schule zurück und außerdem ist es bald zehn Uhr. Da ist Ausgangssperre«, kam es von mir und Luca grinste nur noch mehr.

»Komm schon, das muss doch gefeiert werden und die Ausgangssperre hat dich am Abend der Party auch nicht gestört.« Wie recht er doch hatte.

Viel zu schnell gab ich nach und nickte ergeben. Ich konnte nicht fassen, dass ich schon wieder nachgab, obwohl Luca sich so lange nicht mehr hat blicken lassen, wegen etwas, was er mir nicht sagen wollte.

»Okay, aber lass mich noch kurz meiner Lehrerin Bescheid sagen, damit sie nicht auf mich warten«, meinte ich und lief los.

Hinter der Bühne herrschte schon wieder Gewusel und ich brauchte etwas, bis ich Mrs Jeffreys gefunden hatte. »Mrs Jeffreys, ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich mit einem Freund noch was trinken gehe.«

June, die sich gerade umzog, drehte sich augenblicklich zu mir um und grinste breit. Ich schüttelte nur leicht den Kopf. Sie würde wohl nie damit aufhören. Meine Lehrin nickte nur und ließ mich gehen, aber erst nachdem ich ihr versichert hatte, dass ich vor der Ausgangssperre brav in meinem Bett liegen würde. Scheinheilig hatte ich genickt, bevor ich wieder in den Theatersaal lief, wo Luca auf mich wartete und mir seinen Arm hin hielt, damit ich mich unterhaken konnte. Ob ich das richtige tat, wusste ich nicht, doch mein Herz ließ keine andere Entscheidung zu. Blödes Herz!

The Heartbeat DanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt