Ich konnte nicht fassen, dass ich das hier wirklich tat, doch als meine nervösen Finger den letzten Knopf meines dunkelroten Hemdes schlossen, wurde mir allmählich klar, dass ich es wirklich durchziehen würde. Meine braunen Haare hingen mir teilweise in die Stirn, ehe ich sie mir zurück strich. Mein Herz hämmerte wie wild, so groß war die Angst, erneut unter die Räder dieser Jungsbande zu kommen. Einmal reichte mir und ich wollte auch nicht, dass sie June irgendwas taten.
Das Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ohne auf mein „Herein" zu warten, trat meine beste Freundin ein. Sie hatte ihr langes Haar hochgesteckt und trug ein violettes Seidenkleid. June sah aus, wie eine Prinzessin. Einfach wunderschön.»Du bist ja langsamer als ich und ich musste mir die Haare machen. Jetzt komm, sonst ist die Party vorbei und wir waren noch nicht einmal da«, drängte das Mädchen und ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich war wirklich langsam.
Seufzend griff ich nach meiner Jeansjacke, die dem ganzen Look etwas lässiges verleihen sollte und musterte mich noch einmal prüfend im Spiegel.
June verdrehte mit einem Schmunzeln die Augen.
»Du siehst super sexy aus, Babe und jetzt komm.«
Ohne mir noch einmal die Chance geben zu können, noch mehr zu trödeln, griff sie nach meinem Handgelenk und zog mich mit sich.
Eiligen Schrittes liefen wir schon fast den Gang hinunter. June trug so hohe Hacken, dass ich Angst hatte, sie würde sich die Beine brechen, doch sie lief elegant wie eine Gazelle. Zum Glück war ich kein Mädchen und musste solche Mörderdinger tragen.Draußen vor der Schule rief sie uns ein Taxi und es ging erneut in die Stadt. Der Zauber von Florida City hatte mich jedoch erstmal verlassen und daran waren diese unbekannten Arschlöcher nicht unschuldig.
Ungefähr fünf Minuten später hielten wir an und June stieg aus, also tat ich es ihr gleich. Das Gebäude sah unscheinbar aus, doch bereits am Gehweg hörte man die tiefen Bässe wummern. Der Boden vibrierte und ich bereitete mich schonmal darauf vor, mein Trommelfell zu zerstören.
Aufgeregt führte meine beste Freundin mich durch einen schmalen Flur und anschließend durch eine dicke Brandschutztür. Selbst diese Tür konnte den Lärm nicht vollständig einsperren, aber egal. Ich sollte Spaß haben.
Also? Wo waren nun die süßen Jungs?
Prüfend sah ich mich im Raum um, jedoch eher, um eine mögliche Gefahr frühzeitig erkennen zu können.
June steuerte in der Zwischenzeit jedoch schon auf die Bar zu und ich war auf mich allein gestellt.
Nun hatte ich zwei Möglichkeiten. Entweder ich hing mich an den Rockzipfel meiner Freundin oder ich sah mich mal ein bisschen um.
Ich entschied mich für letzteres und schlängelte mich durch die Menge aus verschwitzten Körpern, die sich zur Musik verrenkten.Plötzlich zuckte ich zurück. Diese Augen würde ich überall wieder erkennen. Dunkelblau, wie der Mariannengraben. Mein Abgrund. Einer der Schläger und er blickte zu mir herüber.
Verdammt!
Langsam trat ich rückwärts und kam mir lächerlich vor. Ich sollte ihn zur Rede stellen, ihn anschreien, doch ich hatte zu große Angst, dass er seine Tat wiederholte.
Der Junge schob sich jedoch durch die Menge zielstrebig auf mich zu. Mein Atem beschleunigte sich und ich hörte das Blut in den Ohren rauschen.
»Hey, warte!«, rief er mir über die laute Musik entgegen, doch ich dachte nicht mal im Traum daran, stehen zu bleiben. Hektisch sah ich mich nach June um. Ich wollte nur noch zurück ins Internat, doch ich sah sie nirgends. Da war nur ich und dieser Junge und lauter fremde Menschen, die mit Sicherheit zu betrunken waren, um mir zu helfen.»Warte doch! Ich will mit dir sprechen!«, kam es wieder aus seiner Richtung und ich schluckte. Meine Beine stemmten sich in den Boden, während ich widerwillig darauf wartete, dass er zu sprechen begann.
Als er vor mir stand, erkannte ich, dass er gut einen Kopf größer war, als ich. Er war ziemlich muskulös und sah zu mir runter, doch in seinen Augen lag nichts anderes als Reue.
Musste ich das verstehen? Trotzig sah ich zu ihm hoch, verschränken meine Arme vor der Brust und wartete, bis er zu sprechen begann.
»Hör zu, ich...ich wollte das neulich nicht. Meine Freunde sind nur so versessen darauf. Sie mögen es, anderen weh zu tun und zwingen mich, mitzumachen, weil sie sonst mir das gleiche antun«, begann er.
Ich schnaubte nur.
»Das ist natürlich eine super Erklärung«, sagte ich bitter und der Junge seufzte.
»Beschissen. Das weiß ich selber und ich weiß auch, dass es nicht zu entschuldigen ist, was wir getan haben. Ich wollte das nicht. Ehrlich nicht«, redete er mir sanfter Stimme weiter und ich glaubte ihm fast.
»Waren die Blumen im Krankenhaus von dir?«, platzte ich heraus und mein Gegenüber nickte. Konnte es wirklich sein, dass er so große Angst vor seinen Freunden hatte, dass er sich nicht zur Wehr setzte?
»Die waren schön. Danke, aber das macht das nicht wieder gut. Wegen euch Arschlöcher hab ich eine große Chance verpasst«, kam es von mir und der Junge gegenüber senkte beschämt den Blick, wie ein Hund der genau wusste, dass er etwas falsches gemacht hatte.
»Das wusste ich nicht. Ich kann nur jetzt sagen, wie leid es mir tut.«Ich musterte ihn und atmete tief durch. Warum konnte ich diesen Jungen nicht hassen? Er stand vor mir, zeigte sein schlechtes Gewissen und ich konnte nicht verhindern, dass ich anfing, ihm zu verzeihen und das nur wegen der Geschichte mit der Angst vor seinen Freunden, die ich nicht mal überprüfen konnte.
»Ist okay«, murmelte ich nur und biss mir auf die Unterlippe.
Der fremde Junge sah auf und musterte mich. Dann lächelte er. Er lächelte einfach und es war das schönste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Eines, das einem direkt ins Herz fuhr und einem gleichzeitig das Hirn aufweichte.
»Danke, das ist sehr großzügig«, sagte er ruhig. Ich kannte noch nicht einmal seinen Namen und doch sprachen wir nun so ruhig miteinander. Angst hatte ich keine mehr. Ich hoffte nur, dass ich es nicht bereuen würde, ihm verziehen zu haben. Dem Jungen mit den Ozean-Augen.
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The Heartbeat Dance
Ficção AdolescenteBlaue Flecken, eine blutende Nase und eine angebrochene Rippe. Das alles sind Souvenirs, die Silas von seinem ersten aufeinandertreffen mit einem geheimnisvollen Jungen mitnahm und dennoch kann Silas ihn nicht vergessen. Ein Tänzer und ein Schläger...