Mein Herz hämmerte so fest gegen meine Brust, dass ich das Gefühl hatte, die Erde würde beben.
Ich sollte umdrehen! Ich sollte weglaufen, solange mich diese Gestalten noch nicht erblickt hatten und doch bewegte ich mich weiter auf die Gruppe zu.
»Hey, lass ihn!«
Meine Stimme hörte sich fremd an. Augenblicklich waren die Augenpaare der Jungs auf mich gerichtet. Die blauen Augen waren dunkler geworden. Wie das Meer bei Gewitter. Er schäumte, gab mir innerlich den Befehl, zu verschwinden. Es war nicht meine Angelegenheit. Was mischte ich mich ein?
»Was sagst du?«
Dexter trat langsam auf mich zu, der Junge, dem zuvor mein Erbarmen so wichtig gewesen war, sah mich einfach nur an. Sein Blick war kalt und hatte nichts mehr mit dem so freundlichen Jungen gemein, welcher im Inneren des Gebäudes noch mit mir kommuniziert hatte.
»Ich sagte, dass du ihn lassen sollst.«
Ich musste verrückt sein, lebensmüde, todessüchtig. Nochmal wollte ich nicht die Fäuste spüren, aber ich konnte meine Klappe nicht halten.
»Habt ihr das gehört? Der Zwerg mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen«, lachte Dexter, doch es war keines dieser herzhaften Lachen. Es war kalt und boshaft. Noch ein Zeichen, einfach zu gehen.
»Verschwinde besser«, meldete sich schließlich der geschlagene Junge zu Wort, während er sich ein Taschentuch auf seine aufgeplatzte Lippe presste.
Ich starrte ihn nur an, verständnislos, verwirrt.
»Ja, hör lieber auf ihn, sonst hab ich kein Problem damit, dein Gesicht zu verschönern, kleiner Scheißer«, zischte Dexter. Sein Atem stank nach Rauch, Alkohol und sämtlichen anderen Substanzen, von denen ich gar nicht alle den Namen kannte.
Irgendwo in meinem Hinterkopf schrillten die Alarmglocken und ich trat einen Schritt zurück, mehr aus dem Grund, dem Mundgeruch von Dexter auszuweichen.
Wieder blickte ich zu dem Jungen, dem ich eigentlich nur helfen wollte, doch er sah weg, tat so, als wäre ich nicht hier.
Trotzig presste ich meine Lippen aufeinander.
»Schön«, knurrte ich nur und wandte mich zum Gehen. Ich hatte es nur gut gemeint und dieser Idiot machte sich vor seinen Freunden so in die Hose, dass er nichtmal ein kleines bisschen Dankbarkeit für mich übrig hatte, dafür, dass ich mich für ihn in die Hölle warf und das Risiko einging, die gleichen Schmerzen zu erfahren, wie er.
Schnellen Schrittes steuerte ich die Tür an und zerrte sie auf. Meine Beine beförderten mich zur Bar, wo ich mir zwei dieser johannisbeersaftartigen Dinger runter kippte. Der Alkohol brannte, kitzelte meine Geschmacksnerven und beruhigte mich augenblicklich ein wenig.
Meine Augen scannten den Raum nach June ab. Ich wollte nur noch weg von hier. Vorerst hatte ich genug von den Partys und undankbaren Jungs.
Als ich meine beste Freundin erblickte, ging ich schnell auf sie zu und zog leicht an ihrem Arm, damit sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkte und nicht mehr diesem wildfremden Jungen, der sie offenbar mit Komplimenten überschüttete, so wie die lächelte.
»Was ist denn?«, fragte sie wenig erfreut darüber, dass ich sie beide unterbrach.
»Lass uns gehen. Ich hab keinen Bock mehr und will nur noch ins Bett.«
Sie sah mich an und blickte entgeistert von mir auf ihre Armbanduhr und dann wieder zu mir.
»Es ist kurz vor Mitternacht. Die Party fängt doch jetzt erst so richtig an. Du kannst doch jetzt nicht gehen wollen«, war ihre Reaktion und ich seufzte. Das hatte ich vermutet, aber ich hatte doch gehofft, dass sie Gnade mit mir hatte.
»Die kann auch ohne uns richtig los gehen. Komm schon, June«, versuchte ich es weiter und zog eine Schnute.
»Dein Freund?«, meldete sich der Typ und deutete auf mich.
June schüttelte sofort den Kopf, doch ich bestätigte dies und grinste. Vielleicht ein wenig gemein, aber wenn der Typ ging, dann konnte ich June vielleicht noch überreden.
»Verstehe. Ich wünsch euch dann noch viel Spaß.«
Bingo! Der Typ drängte sich durch die Menge, weg von uns, doch meine Freude wurde wortwörtlich mit einem Schlag gehen meine Brust im Keim erstickt.
»Silas, gehts eigentlich noch?«, fragte sie leicht sauer, doch ich wusste, dass sie mich nicht lange hassen würde.
»Bitte komm.« Ich sah sie mit meinem Hundeblick an, der meistens eher aussah, als würde ich schlimme Schmerzen erleiden, aber egal.
Ergeben seufzte die Braunhaarige und warf sich ihre Haare über die Schultern.
»Meinetwegen, du Quälgeist. Mit dir als Freund braucht man echt keine Feinde mehr«, sagte sie, doch ich konnte sehen, wie sie leicht lächelte.
June griff nach meiner Hand und führte mich durch die Masse wieder zu der Tür. Draußen angekommen suchte ich automatisch die Umgebung nach der Jungsgruppe ab, doch sie war weg. Besser so.
June und ich machten uns auf den Nachhauseweg. Ja, wir hätten uns auch ein Taxi rufen können, aber June war zu geizig. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob sie wirklich keine Kohle mehr hatte, oder ob sie mich einfach dafür bestrafen wollte, dass ich ihr den Abend mit diesem Typen versaut hatte.
Irgendwann erreichten wir aber dann doch die Akademie. Die Türen waren verschlossen, so nach dem Motto, wer sich nicht an die Ausgangssperre hielt, musste draußen schlafen.
June kannte jedoch ein kleines Schlupfloch und durch den Eingang für die Angestellten kam man immer rein.
Mehr oder weniger elegant kletterten wir also über den hohen Metallzaun. Man konnte sich also vorstellen, wie es aussah, wenn zwei mehr oder weniger betrunkene, erschöpfte Menschen über den Zaun klettern. Genau, wie Fische, die man auf die Wäscheleine hing.
Irgendwie schafften wir es dann aber doch heile auf die andere Seite und konnten uns durch die alte, kleine Holztür ins Innere quetschen.
Auf leisen Sohlen schlichen wir die Gänge entlang, bis sich unsere Wege bei den Zimmern trennten. June gab mir noch einen Kuss auf die Wange mit der Info, dass sie immer noch sauer war. Das kaufte ich ihr allerdings nicht ab und als ich mich dann endlich in mein Bett legen konnte, ging es mir augenblicklich um Welten besser.
Leise brummte ich auf und vergrub meine Nase in meinem weichen Kissen.
Ärgerlich war nur, dass ich mich schon wieder über den Jungen ärgerte und mich dann über diesen Fakt noch mehr ärgerte.
Nach einer Weile hatte aber der ganze Ärger in mir keine Chance mehr und ich sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
DU LIEST GERADE
The Heartbeat Dance
Novela JuvenilBlaue Flecken, eine blutende Nase und eine angebrochene Rippe. Das alles sind Souvenirs, die Silas von seinem ersten aufeinandertreffen mit einem geheimnisvollen Jungen mitnahm und dennoch kann Silas ihn nicht vergessen. Ein Tänzer und ein Schläger...