Kapitel 4

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Mein erster Schultag an der Highschool von Miami begann völlig normal. Ich stand auf, duschte, machte mich fertig und frühstückte. Dann packte ich meine Sachen. Im neuen Schuljahr wurde auch hier ein neuer Stundenplan gemacht aber der ersteTag unterlag immer noch dem alten. Damit auch gleich am ersten Tag richtig unterricht gemacht werden konnte. Die Klassenlehrerin würde uns heute den neuen Stundenplan geben und am nächsten Tag galt der dann auch schon. Als ich an diesem Morgen vor dem Spiegel stand, brauchte ich etwas länger als sonst, um mich zu entscheiden. Nach geschlagenen zehn Minuten trug ich dann endlich einen knielangen weißen Rock und eine rote Bluse. Meine Socken waren ebenfalls weiß. Etwas Schlichtes, damit keiner mich irgendeiner speziellen Art von Schülerin zuordnen konnte. Beim Frühstück herrschte Stille. Alle aßen nur stumm ihr Brot. Mein Bruder fing immer wieder an zu grinsen. Ich hatte keine Ahnung warum. Trotzdem war seine gute Laune extrem ansteckend. Lucas würde auf die gleiche Schule gehen, wie ich. Allerdings begann er heute die zwölfte Klasse und damit sein Abschlussjahr. Ich würde nicht viel mit ihm unternehmen können, da er Klausuren, Tests und erst recht die Abiturprüfungen sehr ernstnehmen musste. Nach dem Essen machten wir uns gemeinsam auf den Weg, gespannt darauf, was uns erwarten würde.

Nach ein paar Minuten standen wir vor dem großen Gebäude. Es gab ein Haupthaus und viele Abzweigungen zu den verschiedenen Treppen, Räumen und Trakten. Wir traten ein. Das war die Aula. Links konnte man Fundsachen abgeben, in der Mitte des Raumes befand sich nur eine große freie Fläche, wahrscheinlich für die Schüler in einer regnerischen Pause. Etwas weiter hinten gab es eines Gang, der nach draußen, vorbei am Lehrerzimmer und am Krankenzimmer führte. An diesem Gang befand sich ein Treppenhaus. Außerdem gab es zwei seperate Abzweiungen zu dem jeweiligen Treppenhaus. Sie mussten über uns zusammen führen. Rechts an der Wand befand sich eine elektronische Tafel, die die Vertretungen jeder Klasse anzeigte. Außer, man hatte keine Vertretungen. Ich hatte keine Zeit, mir das alles weiter anzusehen, das würde mir schon irgendjemand später zeigen. Wahrscheinlich der Klassensprecher. Es waren nur noch zehn Minuten bis Unterrichtsbeginn und ich hatte keinen Schimmer, wo mein Klassenraum war. Ich suchte den Raum 125. Gerade traf eine Gruppe etwas älterer Schüler ein. Sie wollten gerade nach oben gehen, als ich fragte : " Entschulgigung, könnt ihr mir sagen, wo der Raum 125 ist ?" Ein Mädchen mit braunem glatten Haar antwortete: "Du folgst einfach dieser Treppe", sie deutete nach rechts, " in den ersten Stock und gehst durch die Glastür dort, dann befindest du dich in dem Erdkundetrakt, wo sich dein Klassenraum befindet. Ist doch dein Klassenraum, oder ? Dann musst du einfach nur noch nach der Tür mit der Nummer 125 suchen und du hast ihn gefunden. Deine Klassenkameraden sind entweder schon in dem Raum drin oder stehen davor." " Vielen Dank.", erwiderte ich und folgte der Wegbeschreibung. Lucas blieb noch bei den Schülern und fragte sie nach seinem Raum. Ich nahm nur noch Gesprächsfetzen wahr, aber es schien so, als wäre er direkt an seine neuen Klassenkameraden geraten. Wie praktisch ! Kurz drehte ich mich um und wurde überrascht. Es sah so aus,als... FLIRTETE mein Bruder da etwa gerade ? Er kannte das Mädchen doch gar nicht ! Die Augenbraue aufreißerisch nach oben gezogen unterhielt er sich mit ihr. Er lehnte lässig neben ihr an der Wand. Das machten doch wirklich nur Player.  Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Das würde ich später machen. Die Treppe, die Glastür, alles passierte ich wie beschrieben. Alle Schüler waren schon im Raum, eine Lehrerin hatte ihn wohl gerade aufgeschlossen. Nun wollte auch sie in das Klassenzimmer gehen, als sie mich bemerkte und sagte : " Hallo, du bist dann wohl Emily." Ich nickte. Die Lehrerin hatte glatte blonde Haare, trug eine schwarze Hose und ein schwarz- weiß gestreiftes T-shirt. Sie bedeutete mir, ihr zu folgen und ging zu ihrem Tisch. Es wurde still im Raum. Schnell hatte ich Ann ausfindig gemacht. Sie nickte mir zu und deutete auf einen Platz neben sich. Ich ging durch die Reihen, den neugierigen Blicken ausweichend und nahm auf dem Stuhl am Nachbartisch von Ann platz. " Hi. Oh übrigens, unsere Klassenlehrerin heißt Ms. Miller." Wow, sie wusste, was ich gerade fragen wollte. " Danke für die Info. Heute haben wir doch nur Englisch, Mathe und Bio, oder ? Also in Doppelstunden." Das Doppelstundenprinzip war bei meiner alten Schule noch nicht eingeführt worden. " Ja stimmt.", bekam ich zur Antwort. Ich fühlte mich beobachtet. Und das wurde ich auch. Jayden sah mich verstohlen von der Seite an. Oh nein, jetzt bloß nicht rot werden, dachte ich mir. Zu spät. Das war ich schon, ich spiegelte mich mit feuerrotem Gesicht in der Fensterscheibe.Wieso war mir das bloß so peinlich ? ICH hatte IHN entdeckt wie er MICH anguckte... da hätte er doch eigentlich rot werden müssen. Meine neue Klasse bestand circa aus 30 Leuten. Als ich nachzählte, waren es 29. Ms. Miller begann ihren Vortrag : " Wie ihr unschwer erkennen könnt, haben wir eine neue Schülerin. Emily." Nun richtete sie sich direkt an mich : " Unser Klassensprecher, Jayden, wird dich in der großen Pause herumführen und dir alles zeigen." Das mit dem Klassensprecher und dem Herumführen hatte ich erwartet. Aber JAYDEN DER KLASSENSPRECHER ?! War er vielleicht seriöser, ordentlicher, verantwortungsbewusster, als er aussah ? Stimmt, Ann hatte das erwähnt. War er nur in seiner Clique der Obermacho ? Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen, dass Jayden der Klassensprecher sein könnte? Ich drehte mich um und warf ihm einen Blick zu. Er erwiderte ihn kurz und schaute dann wieder nach vorne. Ms. Miller kündigte nun an, den neuen Stundenplan vorzulesen. Alle Schüler holten ein Blatt Papier und Stifte heraus, um ihn zu notieren. Ich tat es ihnen gleich. Wir hatten montags, dienstags, und freitags acht Stunden. An den anderen Tagen hatten wir sechs Stunden. Jeden Mittwoch hatten wir in der ersten und zweiten Stunde Sport. Der Rest des Plans war mit ganz normalem Unterricht gefüllt. Danach begann die Englischlehrerin den Unterricht. Das Thema war leider Grammatik. Es war immer langweilig, wenn man Grammatik wiederholte oder neu dazu lernte aber es musste nun mal sein. Immerhin war das in der Muttersprache noch recht einfach. Die ersten beiden Stunden gingen also schleppend vorüber. Ich erinnerte mich, wir hatten jetzt Mathe, allerdings auch in unserem Klassenraum also ließ ich meine Tasche an meinem Stuhl hängen und ging hinüber zu Jayden. Er hatte schon gewartet : " Na dann wollen wir mal. Ich zeige dir alles und du wirst dich nie verlaufen." Ich bezweifelte das jedoch. Trotzdem musste ich grinsen. Er war fröhlich und schien nicht auf unser Gespräch gestern anspielen zu wollen. Der Junge ging vorweg und ich folgte ihm zur Tür hinaus. Er zeigte mir den Trakt der Naturwissenschaften, den Oberstufentrakt, den Musiktrakt, den Trakt über uns, der keinen Namen hatte und aus normalen Klassenräumen bestand, sowie das Außengelände. Der Schulhof war riesig. Und mit riesig meine ich gigantisch abnormal groß. Es gab einen großen Sportplatz, einen noch größeren Wald, der das Gelände fast komplett umrundete, einen kleinen Fußballplatz, und eine große steinerne Fläche mit einer ebenfalls steinernen Insel, auf der sich viele Blumenbeete befanden. Überall standen Holzbänke, auf denen Schüler saßen und sich unterhielten. Viele jüngere Schüler spielten Fußball. Jayden drehte sich einige Male um, damit er sehen konnte, wie ich reagierte. Ich wusste nicht, was ich empfand, als ich seinen blauen Augen begegnete. Jetzt reiß dich doch mal zusammen ! Das ist ein ganz normaler Junge ! , befahl ich mir. Mochte ich Jayden ? War ich vielleicht an den richtigen Typen gelangt ? Hatte er eine Freundin ? Wieso dachte ich darüber nach ? Die zwanzig Minuten Pause reichten gerade so, um alles gezeigtzubekommen. Wir begaben uns zurück zum Klassenraum. " Echt riesig das alles, oder ?", fragte Jayden nach. " Ja, ich glaube ich werde mich doch das eine oder andere Mal verlaufen." Er lachte. " Kann schon sein aber du kannst ja immer jemanden fragen. Ob Klassenkamerad oder sonst jemand, dir wird geholfen." Das klang etwas zu schön, um wahr zu sein.

In Mathe war es schon weniger langweilig. Der Lehrer, Mr. Meinen- Namen- kann- man-sich-leicht-merken-Smith verstand es, gute Laune zu verbreiten. So hat mir dieses Fach zum ersten Mal Spaß gemacht. In der zweiten großen Pause, nach dem Mathematikunterricht, führte Ann mich in die große Mensa. Ganz vorne gab es einen Bestelltresen und ein Buffet. Hinter dem Tresen standen Frauen, die den Schülern alles mögliche verkauften. Von Süßigkeiten, bis hin zu belegten Brötchen. Die Wagen des Buffets waren noch leer. Es war ja auch noch keine Mittagszeit. An den vielen weißen Tischen saßen Schüler und unterhielten sich. Ann ging auf einen dieser Tische zu. Daran saßen Schüler aus unserer Klasse. Ich hatte mir ihre Gesichter, aber nicht die Namen merken können. Meine neue Freundin setzte sich auf einen Stuhl und ich nahm auf einem daneben platz. Nun begann sie, die Personen vorzustellen. Sie folgte dabei dem Uhrzeigersinn. " So, das ist Jayden, den kennst du ja.", sie deutete mit dem Finger auf die weiteren Personen, während Jaden mich anlächelte. " Sophie, Max und Kyle" Dann wandte sie sich flüsternd an mich : " Sophie und Max sind ein Paar. Außerdem glaube ich, dass Kyle irgendwas mit einer aus der Parallelklasse hat." Ok, das war direkt. Wieso erzählte sie mir das ? Langsam wurde ich rot. Schon wieder. Jayden grinste immer noch. Was war denn mit DEM los ? Gerade so konnte ich noch aufhalten, mir die Hand vor den Kopf zu schlagen, um zu symbolisieren, wie ich sein Verhalten fand. Er benahm sich wirklich merkwürdig. Trotzdem grinste ich innerlich. Es schien so, als wäre ich auf dem richtigen Weg, zur Clique zu gehören. Erster Tag und schon hatte ich Freunde, das war ein tolles Gefühl. In Filmen wurden die neuen Schüler oft ausgegrenzt, allerdings wäre es sonst auch nicht spannend, da sie am Ende ja eh immer Freunde fanden. In der restlichen Pause unterhielten wir uns über ganz normales Schulzeugs.Das war irgendwie komisch. Ich hatte das Gefühl, sie würden ohne mich über etwas Anderes reden. Dieses Gefühl schien sogar sehr stark zu sein. War das nur Einbildung ? Immerhin verhielten sie sich mir gegenüber ansonsten nett und offen.Wieso konnte nicht ein Mal etwas ohne Probleme funktionieren?

Der Biologieunterricht war sogar richtig interessant. Vor den Ferien schienen sie, mit dem Thema " Hund" angefangen zu haben. Während die anderen genervt zusammentrugen, was sie darüber schon alles wussten, saß ich fasziniert da und folgte dem Unterricht. Dieses Thema hatte ich noch nie gehabt. Biologie wurde hier, wie auf meiner alten Schule, in einem Fachraum unterrichtet. Das hieß, man durfte nichts essen oder trinken, wenn man sich in dem Raum befand. Die Biologiefachräume wurden auch gleichzeitig für das Fach Chemie benutzt. Hier gab es nur Tischreihen und keine einzelnen Tische mehr. Es gab unter jeder Tischreihe eine lange Ablagefläche, auf der viele Kaugummis klebten und Sachen geschrieben waren. Wie eklig ! Das Problem hatten sie an dieser Schule also auch. Ich saß in der dritten Reihe, rechts neben mir befand sich Ann und links neben mir befand sich... JAYDEN ! Gut, er gehörte zur Clique und hatte vorher wohl auf meinem Platz gesessen. Das entschärfte die Situation. Fühlte ich mich jetzt schon verfolgt ? Komm, das ist echt krank, dachte ich. Als es zum Ende der Stunde gongte, sprangen die Schüler regelrecht auf. Das musste für die anderen ziemlich langweilig gewesen sein. Nun hatten wir Schulschluss, aber ich hatte das Bedürfniss, mich noch kurz mit Ann zu unterhalten. Wir standen dann also vor der Schule und ich begann zu reden : " Weißt du, ich habe da ein kleines Problemchen. Mit... Jayden. Ich ähm fühle mich immer so komisch in seiner Gegenwart und ich äh ... glaube ich mag ihn... irgendwie." Puh, das musste raus. Ann wirkte nicht überrascht. Konnte ich mir da nach so kurzer Zeit überhaupt sicher sein, dass ich Jayden mochte ?" Ich verstehe. Und ich glaube, er mag dich auch. Sein Grinsen ist ja nicht zu übersehen." Das freute mich irgendwie : " Das ist der erste Junge, den ich mag. Was soll ich nur machen ? Ich habe ja keine Erfahrungen damit." " Achte einfach darauf, wie sich das alles entwickelt. Das wird schon. Irgendwann fragt er dich bestimmt, ob du mit ihm etwas unternehmen willst und dann lernt ihr euch besser kennen und wer weiß, vielleicht werdet ihr ja auch ein Paar." Hinter Ann kam nun jemand aus der Schule. Der große braunhaarige Junge schlich sich an und hielt Ann dann die Augen zu. Sie wusste sofort, wer das war. " Oh, Emily das ist Mark, mein Freund." Der Junge reichte mir geschäftlich die Hand, grinste aber immer noch. " Hi." Ich erwiderte sein " Hi". Es gab nun nichts mehr mit Ann zu bereden, also beschloss ich, die Beiden allein zu lassen. Ich ging nach Hause. Eben gerade hatte ich schon wieder ein glückliches Paar gesehen. Wollte ich eine Beziehung mit Jayden ? Ich kannte ihn doch noch gar nicht richtig...

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