Kapitel 9

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Die Wellen rüttelten mich hin und her. Es fiel mir nicht gerade leicht, zurück zum Strand zu kommen, da Lucas und ich uns mit der Wasserinsel ziemlich weit aufs Meer hinausgekämpft hatten. Kann er nicht einfach einen Sinneswandel haben, zurückkommen und mich wieder auf die Luftmatratze lassen ?  Naja, immerhin verschuf mir die Situation Zeit zum nachdenken. Klar hatte ich mich bestimmt wie seine Mutter angehört aber er lag mir eben am Herzen und ehrlichgesagt vermisste ich den Lucas, mit dem man über alles reden konnte. Mit dem ich immer Spaß gehabt hatte. Der immer für mich da gewesen war. Wieso hatte er sich bloß so negativ verändert ? Und warum verheimlichten meine Freunde etwas vor mir ? Ich machte mir Sorgen um sie. Diese "Sache" schien echt etwas Ernstes zu sein. Sie sollten bloß keine gefährlichen Sachen machen, denn genau nach dieser Art von Geheimnis hörte sich das für mich an. Doch wie sollte ich "gefährlich" bei ihnen schon definieren ? Sie waren ganz normale, unauffällige Schüler. Eine Welle der Traurigkeit überkam mich. Ich musste an Jayden denken. Er hatte eine Freundin. Sie hatten sich umarmt und sich verliebt angeschaut. Da empfand ich schonmal etwas für einen Jungen und dann musste ausgerechnet der vergeben sein. Ich wollte mit ihm zusammen sein, aber das war nicht möglich. Ich musste mich damit abfinden. Bevor ich weiter im Selbstmitleid versinken konnte, gelang ich an den Strand. Keuchend ließ ich mich auf mein Badehandtuch fallen. "Na da hast du dich ja mal ganz schön ausgepowert. Bei den Wellen ist das nicht einfach, vorwärts zu kommen. Wieso bist du nicht auf der Luftmatratze geblieben ?", fragte meine Mutter. Ich sog viel Luft ein, um antworten zu können, aber Lucas war schneller. "Sie sucht doch immer nach einer neuen Herausforderung. Da kam ihr das Schwimmen gerade recht. Ich wollte sie ja wieder auf die Luftmatratze ziehen, aber sie macht was sie will, das weißt du doch.", nun war er zu weit gegangen. Ich würdigte ihn keines Blickes und er schwamm arrogant lachend davon. Früher hatte er unsere Eltern nie auch nur ein klein wenig angelogen. Jetzt schien ihm das egal zu sein. Ich schüttelte nur betrübt den Kopf. In unserer Tasche befanden sich einige kleine Wasserflaschen, von denen ich mir eine griff, um sie zur Hälfte zu leeren. Ja, das Schwimmen hatte gutgetan aber ich suchte doch nicht nach neuen Herausforderungen ! Was für eine blöde Bemerkung ! Meine Mutter blickte mich aus mitfühlenden Augen an. "Und was ist wirklich passiert ?", fragte sie. "Ach, keine große Sache, ich vermisse nur den alten Lucas... Es ist, als wäre der nette Typ in Omaha geblieben und hätte seinen bösen Zwilling hierhergeschickt." Hatte ich das gerade wirklich gesagt ?! Wie peinlich ! Aber so fühlte es sich nunmal an. Zu meiner Mutter war ich immer ehrlich, auch was meine Gefühle anging. Sie lachte bitter auf. Mit der in Falten gelegten Stirn wirkte sie älter und traurig. "Ich weiß. Keine Ahnung, was mit ihm los ist, aber mit der Zeit wird er bestimmt wieder wie der alte Lucas." Mein Vater bekam unser Gespräch nicht mit. Er saß da und starrte konzentriert auf sein Telefon. Mum wandte sich ihm zu. "Und du, leg jetzt endlich das Ding da weg und geh schwimmen. Wir sind nicht zum Strand gekommen, damit du irgendwelche geschäftlichen Telefonate führen kannst!" Nachdem er nicht sofort reagierte, stupste sie ihn leicht in die Seite. Kurz darauf waren meine Eltern schwimmen gegangen. Ich hockte immer noch auf dem Strandtuch und beobachtete die verschiedenen Leute. Manche spielten mit Wasserbällen, andere ließen sich ebenso auch Luftmatratzen treiben. Es wurde Ping Pong gespielt und sich auch einfach nur gesonnt. Die Leute sahen zufrieden und glücklich aus. Ausgelassen. Ich beschloss, mich auch ein wenig zu entspannen also legte ich mich auf das Handtuch und schloss die Augen. Keine Ahnung, wie ich es geschafft hatte, den Lärm der anderen Strandbesucher auszublenden, aber nach kurzer Zeit nahm ich nur noch das Meeresrauschen wahr. Dieses unglaublich beruhigende Geräusch ließ mich all meine Sorgen vergessen. Ich schlief nicht, war aber auch nicht hellwach. Es tat gut, einfach mal an nichts zu denken.


Doch es blieb nicht lange so ruhig. Warum auch ?! Ein bekanntes Lachen riss mich aus meiner Entspannungsphase. Ich sprang auf und stand nun direkt vor Kyle. Er hatte jedoch nicht gelacht. Es war Jayden gewesen. Die ganze Clique war da. Sie hatten Badesachen an und Handtücher unter den Armen. Wieso hatte ich denn nichtmal am Wochenende Ruhe von denen ?! Spätestens jetzt hatten mich alle bemerkt. Sophie war die Erste, die etwas sagte. "Oh, hi Emily ! Wir haben versucht dich zu erreichen, weil wir fragen wollten, ob du mit uns zum Strand kommst, aber du warst ja offensichtlich nicht da." Ich nickte nur und war nicht wirklich erpicht darauf, mit ihnen zu reden. Jayden fügte hinzu : "Jetzt habt ihr circa eintausend Nachrichten auf eurem Anrufbeantworter." Er lachte. Anscheinend bemerkte er nicht, dass ich immer noch sauer war. Und zugleich traurig. Jetzt finde dich doch endlich damit ab, dass er ein Arsch ist und eine Freundin hat ! , befahl ich mir. Eine Zeit lang starrten wir uns einfach nur gegenseitig an. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten und ich wusste es genauso wenig. Schließlich brach Ann das Schweigen. "Wir können ja zusammen schwimmen." Ich schüttelte den Kopf. Nein, darauf hatte ich keine Lust. Ich wollte nicht immer mehr angelogen werden. In einer Freundschaft war kein Platz für Lügen. Wortlos gingen sie weiter und suchten sich ein paar Meter entfernt einen Platz. Während sie noch ihre Sachen auspackten, flüchtete ich in das warme Wasser. Der Rest der Familie lag auf einer Wasserinsel, also schnappte ich mir die zweite und schwamm, bis ich den Boden unter den Füßen verlor. Dann schaffte ich es nach mehreren Anläufen auf die übergroße Luftmatratze. Die Clique beobachtend, lag ich einfach nur da. Als sie anfingen, herumzualbern, musste ich grinsen. Genau in dem Moment schwamm ein älterer Herr an mir vorbei und sah mich verständnislos an. Sicher musste es komisch auf ihn wirken, ein Mädchen zu sehen, das grundlos anfing zu grinsen aber das war mir egal. Wie gerne wäre ich jetzt bei ihnen gewesen. Ich hätte auch Spaß gehabt. Ich wollte, dass alles ganz normal wurde zwischen ihnen und mir. Aber es war nicht möglich. Sie logen mich nur an und dieses Geheimnis würde immer zwischen uns stehen. In Überlegungen vertieft, war mir gar nicht aufgefallen, wie jemand auf mich zukam. Bei meinem Glück war es natürlich Jayden. Hätte er mich nicht einfach in Ruhe lassen können ? Schnell ging ich alle Möglichkeiten durch, einem Gespräch zu entfliehen. Sich schlafend zu stellen hätte nichts gebracht, da er mich ja schon gesehen hatte und zum Strand kam ich nicht so schnell... Oder vielleicht doch ? Ich wollte auf keinen Fall mit ihm reden, also sprang ich kurzerhand aus der großen Plastikschale und schwamm so schnell ich konnte Richtung Strand. Klar musste das ziemlich bescheuert ausgesehen haben aber auch das war mir egal. Wie sich herausstellte war es DER Pechtag schlechthin für mich. Jayden schwamm nämlich sehr schnell und hatte mich bald schon eingeholt. Er packte mich sanft am Arm und ich zuckte zusammen. WIESO ZUCKTE ICH DENN BITTESCHÖN ZUSAMMEN ? Ich war wütend auf mich selbst. Widerwillig hielt ich an. "Wow, du bist echt schnell.", er keuchte vor Anstrengung. "Was willst du, Jayden ?" "Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Die anderen würden mich töten, wenn sie wüssten, dass ich dir das sage aber das müssen sie ja nicht erfahren." Gespannt hörte ich ihm zu. Jegliche Wut war aus meinem Gesicht gewichen. Er fuhr fort. "Diese Sache... naja ich wollte dir nur sagen, dass es zu gefährlich wäre dir das zu erzählen. Ich möchte, dass du weißt, dass wir uns damit nicht gegen dich richten, sondern dich nur beschützen wollen." Ok... das war wenigstens relativ brauchbar für mich. Sollte ich jetzt zickig sein oder mich bedanken ? "Danke, aber ich denke, dass ich auf mich selbst aufpassen kann... egal worum es geht." "Emily... wir wollen dich da nicht mit reinziehen. Wir hoffen einfach, dass wir bald in Ruhe gelassen werden." Das musste ich erstmal verarbeiten. Wurden sie etwa erpresst ? War es so schlimm ? Endlich hatte ich die richtigen Worte gefunden. "Aber das erklärt nicht, warum Ann sich nicht mit mir treffen wollte. Hör zu... ich kann einfach nicht bei euch sein, wenn dieses Geheimnis zwischen uns steht. Aber trotzdem danke." Er überlegte kurz. "Verstehe... aber du bist nicht mehr wütend, oder ?" Ich schüttelte den Kopf. Klar, war ich sauer, dass sie mich schützen wollten, als wäre ich ein kleines Kind, aber wenn ich ihm das gesagt hätte, hätte ich mich tatsächlich verhalten wie ein kleines Kind. "Und du gehst uns nicht mehr aus dem Weg ?" Wieder schüttelte ich den Kopf. "Also... sind wir wieder Freunde ?" "Ja." Ich spürte, dass er noch irgendetwas sagen wollte, aber er schluckte es hinunter und lächelte nur. Dann schwamm er zurück zu den anderen. Kurze Zeit später hatte ich auch schon den Strand erreicht und wir brachen auf. Wir brauchten nicht lange bis zu unserem Haus, immerhin lag es ja fast direkt am Strand. Sobald wir angekommen waren, ging ich auch schon unter die Dusche. Es war als wäre ich von vielen Lasten befreit und neue wären dazugekommen. Zum einen konnte ich wieder normal mit meinen Freunden umgehen und würde sie nicht mehr ignorieren, zum anderen machte ich mir unglaubliche Sorgen. Die Situation war anscheinend extrem ernst. Irgendwie würde ich herausfinden müssen, was da vor sich ging und versuchen, ihnen zu helfen. Ich hatte ja noch keine Ahnung, worum es überhaupt ging.




Ich hoffe, dass es euch gefällt ! ;)


















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