Neuausrichtung

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Die Unruhe im Saal des Kongresscenters wollte kaum abebben.

Die Mitarbeiter von S&B waren in völliger Unruhe, aber niemand im Saal wollte die 'Veranstaltung' verlassen. Viele standen auf- aufgeregt, aufgewühlt, ja zuweilen auch ein wenig desorientiert.

Scotland Yard führte Benjamin Brown aus dem Saal, einige uniformierte Bobbies sicherten die Verbringung des überführten Sünders gegen einige übereifrige Mitarbeiter ab.

Lydia Bellamy war am Boden zerstört. Benommen vom Geschehenen und entkräftend wirkend hatte sie sich wieder auf ihren Platz in der ersten Reihe fallen lassen. Nun hatte sie, wonach sie so lange gesucht hatte: eine Gewissheit. Eine Gewissheit, die jedoch für Lydia Bellamy keine gute Wendung gebracht hatte. Der heutige und die folgenden Tage würden von ihr noch sehr viel mehr abfordern an Kraft.

Also war Paul Bellamy tot. Getötet – vermutlich in einer Affektreaktion. Über Motiv und Tatbegehung konnte jedoch für den jetzigen Moment nur spekuliert werden. Doch es änderte nichts am eigentlichen Fakt: Sie war nun allein mit Paula. Sie war Witwe- nicht mehr auf eine Rückkehr hoffende Frau. Und ihre Tochter eine Halbweise.

Für Lydia Bellamy stand eine schwere Zeit bevor.

Doch sie würde nicht allein sein in ihrem Schmerz, denn alle hier im Saal teilten ihn und waren uneingeschränkt bereit, ihre Anteilnahme zu erklären. Mehrere Frauen aus dem Personal, auch Frank Sutton selbst und Melina Hargraves waren noch bei ihr.

Trotz des Schmerzes, der in ihrer Kehle jedes Wort ersterben lassen wollte, bat sie Frank Sutton, doch irgendetwas zu den Leuten zu sagen- auch um die unruhige Meute zu beruhigen.

Viele Minuten waren seit den Ereignissen nun vergangen.

Frank Sutton konnte sich nicht freuen, den 'Showdown' mit Benjamin Brown für sich entschieden zu haben. Denn dieser Showdown hatte zu viel an Opfern gekostet.

„Geh. Sag etwas zu den Leuten.", forderte Lydia Bellamy mehrfach.

Frank Sutton ging kurz hinüber zu Mark Monroe und flüsterte ihm etwas zu, was jedoch niemand im Saal wegen der Unruhe verstehen konnte.

Dann ging Frank Sutton zurück auf das Podium und nahm das Mikrofon an sich.

Das stetige Rumoren schwellte nach und nach ab. Die Mitarbeiter von S&B wollten hören, was nun gesagt werden würde. Nach einer Minute, die Frank wie eine Ewigkeit erschien, hatten die Leute wieder Platz genommen. Ruhe war eingekehrt.

„Was wir soeben gehört und gesehen haben, lässt sicherlich unser aller Blut gefrieren- ihr wisst, was ich meine, denn ihr wart ebenso Zeugen davon, wie ich selbst."

Einige im Saal weinten. Man konnte deren Schluchzen bis zur Bühne wahrnehmen.

„Und ich selbst bin beschämt und betroffen. Ich bin beschämt darüber, dass ein Mann seine Gier nach Geld und Einfluss nicht unter Kontrolle bringen konnte und unseren Freund Peter aus unserer Mitte gerissen hat."

Mark Monroe hatte das Foto von Peter Bellamy wieder an die Wand projiziert- eingedenk der Situation hatte Frank Sutton darum gebeten.

„Und ich vertraue darauf, dass die Gerechtigkeit sich durchsetzen wird."

Frank Sutton sah hierbei Felicia Banneman an, die nahe bei Lydia Bellamy saß und ihr die Hand hielt. Auch Felicia Banneman hatte sich selbst überwunden und zurück auf den richtigen Weg einen Schritt unternommen.

„Wir haben diesen Tag mit Firmendingen angefangen und mit Firmenentscheidungen soll er enden – auch gerade weil wir soeben all diesen Wahnsinn erleben mussten. Wir alle müssen entscheiden, wie weit wir gehen würden und ob wir den Weg auch mit unserem Gewissen persönlich ausmachen können."

Frank Sutton sah, dass einige Leute im Publikum zustimmend nickten. Dies sprach Frank Sutton daher an.

„Ich sehe hier zustimmendes Nicken. Daher möchte ich mit Euch lieber einen Schritt zurück gehen mit unserer Arbeit, als vorschnell in die falsche Richtung. Und es ist mir egal, was dieser Schritt die Firma kosten wird. Und wenn wir einmal nicht vor dem Weihnachtsgeschäft die Produkte am Markt haben- es ist mir und sicherlich Euch auch im Moment egal. Doch langfristig: lasst uns einen Weg suchen- jedoch nicht heute. Nicht an diesem furchtbaren Tag für Uns. Wir nehmen uns die Zeit, um Uns als Firmenfamilie zu sammeln."

Einer der Programmierer stand auf.

„Ja? Jeremy?", fragte Frank Sutton den Mann.

„Ich möchte nicht, dass Lydia Bellamy denkt, dass wir sie allein lassen. Lydia? Peter war ein Teil von Uns. Du bist das auch.", sagte der Mann und nahm danach eine eindeutige Stellung ein, die für Gebet und Anteilnahme sprach.

Frank Sutton erkannte die Absicht des Mannes.

„Du hast mir aus der Seele gesprochen."

Frank schaltete das Mikrofon aus und legte es auf den Podiumstisch. Auch Frank Sutton nahm diese Geste ein, um in einer Schweigeminute für Peter Bellamy in Stille zu verharren.

Andere Mitarbeiter standen auf- bald waren es alle, die entweder zu Boden sahen oder zu Lydia Bellamy. Das stille Gedenken eroberte den Saal.

Nach dem Schweigen, bat Lydia Bellamy, dass sich alle wieder hinsetzen sollten. Auch ohne Mikrofon richtete sie einige Worte an alle.

„Ich werde diesen Moment wohl mein ganzes Leben nicht vergessen können. Ich kann nur sagen, mir zerreißt es die Brust- all der Schmerz und all die Trauer. Doch bevor ich gehe, möchte ich noch eines sagen: Peter lebt in Euch weiter- in jedem Einzelnen von Euch. Und ich bin froh, dass Frank an der Spitze der Firma steht, wenn jetzt auch allein. Ihr alle macht aus S&B, aus Sutton und Bellamy ein neues S&B. Ein Sutton und Beschäftigte. Brown hatte mich überredet, meine Anteile an die Firma zurück zu geben. Werdet nicht zu einem Brown, lasst nicht die Gier gewinnen über Euer Herz."

Lydia Bellamy zeigte kurz durch ein 'Klatschen' an, dass sie allen Dank. Dann folgte ein Handkuss in die Menge.

Begleitet von Felicia Banneman und Melina Hargraves verließ Lydia Bellamy dann langsam den Saal unter leichten und sachten Applaus der erneut stehenden Mitarbeiter der S&B.

Nachdem sich die Saaltür geschlossen hatte, setzten sich alle erneut und alle Blicke waren auf Frank Sutton gerichtet.

Frank nahm das Mikrofon nochmals.

„Ein besseres Schlusswort für diesen Tag kann ich nicht bringen. Lydia hat uns einen Weg aufgezeigt. Und auch ich werde zurückkommen. Die Frage ist nur wann. Doch dies wird sicherlich bald sein. Aber bis dahin werde ich mich kurieren und von zu Hause arbeiten. Wir bringen das Schiff gemeinsam auf einen Kurs! Und dann? Dann nehmen wir mal so richtig Fahrt auf: Wir putzen unser neues Flaggschiff, den neuen 'Coin Dreamer', dafür so richtig toll heraus. Und wenn S&B wirklich Sutton und Beschäftigte sein soll, dann werden wir lieber den Börsengang verwerfen und uns eine interne Lösung einfallen lassen. Wir überlegen uns da schon etwas, denn wir haben genug kluge Köpfe. Ich danke Euch vorab mit Applaus dafür."

Die Show war nun vorbei. Frank spendete durch Klatschen seinen Applaus und zeigte seine Anerkennung den Leuten. Dies kam ebenso zurück.

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