Prolog

274 44 216
                                    

Mondschein tauchte das Fort Moraux in reinstes Silber, als die bruktischen Flaggen mit ihren weißen Löwen zu Asche verbrannten und ihre Glut von der zerbrochenen Lilie Saint-Mitres überschattet wurde.
Es war, als wüsste die ganze Welt um die Geschichte, die in diesem Moment geschrieben wurde.
Das nahende Ende des Krieges.
Das Ende der Qualen und Massaker.
Das Ende bruktischer Tyrannei.

All das erstreckte sich zu den Füßen des Marschalls von Saint-Mitre, Yves Bloche, dem Helden der Welt, als er andächtig die Reihen seiner Soldaten abschritt und den traurigen, grauen Haufen bruktischer Kriegsgefangener passierte. Entwaffnet, gedemütigt, vollkommen harmlos.
Und nicht ein Tropfen Blut war an diesem Abend vergossen worden, um sie alle in seiner Gewahrsam zu wissen.
Zufrieden strich sich Bloche über seinen ergrauten Spitzbart.
Ja, die drei Moiren waren wahrhaftig auf ihrer Seite.
Aber was war anderes zu erwarten gewesen in einem Kampf gegen einen Feind, dessen Feldmarschall eine Magierin erster Klasse war? Eine Ketzerin vor den drei Schicksalschwestern?

Abfälling schüttelte er den Kopf.
Abscheulichkeit hin oder her, lange war sie ihm ebenbürtig gewesen - und hatte schlussendlich mit der Kapitulation ihrer Armee auch die eigenen Leute gerettet. Gefangenenlager waren erbarmungsvoller, als im Dreck des Schlachtfelder durchbohrt von Kugel oder Schrapnell zu verrecken.

"Leutnat Decreaux?"
Die Stimme des Marschalls ließ den jungen Offizier aufzucken, als er die hagere Gestalt seines Befehlshaber vor ihm auftragen sah und noch einer zähen Sekunde des Schreckens salutierte.

"Haben Sie alle Vorkehrungen zum Verhör des Feldmarschalls getroffen?"

"Jawohl, mein Marschall", brachte er zittrig hervor. "Wir haben Adamium-Ketten anfertigen und anbringen lassen und drei Füsiliere bewachen die Kammer. Alles Veteranen, die alle schon als Asse im Töten von Magiern gelten."

"Gut", nickte Bloche ihm mit einem angedeuteten Lächeln zu. Der Junge war zuverlässig. Gewissenhaft. Vielleicht noch ein wenig schlotternd, aber er war zu frisch im Dienst als Ordonnanzoffizier des Helden seiner Zeit, um ein mutiger Großkotz zu sein. Gerade jetzt, wo man ihn als Ersatz herangezogen hatte, nachdem sein Vorgänger von dem Sperrfeuer des Feindes zerfetzt worden war.

Gerade wollte der Marschall sich der schweren Eichentür zuwenden, welche die Gedärme des Forts schützte, da quietschte Decreux:"Mein Marschall, mit Verlaub aber-aber sind Sie sich sicher, dass das so eine gute Idee ist?"

Verwirrt wich er zurück.

"Natürlich, Leutnant. Feldmarschall Palinquas war das Zentrum feindlicher Agitationen und Kriegspläne. Ihre Armee hat sich zwar ergeben, aber der Krieg ist offiziell noch nicht vollkommen vorbei. Ihr Wissen könnte nützlich sein."

"Aber dafür haben wir doch Verhörexperten!", platzte es aus dem blonden Leutnant heraus. Klein und dürr wie er war, erinnerte er mehr an einen Hundewelpen als an einen Soldaten. "Sie ist gefährlich. Valon ist dank ihrer Magie ein Ödland. Sie hat jahrelang unsere wirtschaftlichen Zentren belagern lassen, und uns damit fast ausgeblutet! Und-"

"Und sie ist nichts als ein dreister Emporkömling, der die gesellschaftliche Leiter aufsteigen wollte und stattdessen in die Tiefe gestürzt ist", schnitt Bloches Stimme schärfer als gewollt durch die Luft. Denn Decreaux hatte recht. Er musste nicht in diesen Raum und sich der Dämonin des Westen aussetzen.
Zumindest rationale Gründe fehlten ihm.

Ertappt seufzte er und fügte an:"Ich habe sie nicht seit Jahren meine Rivalin genannt und jeden Sieg mühsam erkämpft, nur um mich mit ihrem Parade-Pallasch an der Wand meines Studierzimmers zufrieden zu geben. Ich will ihr endlich einmal in die Augen sehen und darin die Gewissheit erblicken, verloren zu haben.Ich will einen Sieg. Einen endgültigen."

Die Geißel von ValonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt