Hier und Jetzt

653 20 1
                                    

Nachdenklich saß ich am Bett meines Sohnes und sah ihm beim schlafen zu. Er war grade erst eingeschlafen. Manchmal fragte ich mich wirklich, womit ich diesen kleinen Engel nur verdient hatte.

Wobei... ein Engel war er meistens nur, wenn er schlief. Wenn er wach war, war er wie die meisten 5 jährigen Jungs... frech und bereit alle möglichen Grenzen auszutesten. Doch egal was er immer wieder anstellte... wenn er mich mit seinen großen, funkelnden blauen Augen ansah, konnte ich ihm nicht lange böse sein.

Hätte ich gewusst, was mein letzter Urlaub... der letzte Tag damals... auf der Party eines Fremden... für Konsequenzen mit sich tragen würde und hätte mich jemand in den Monaten danach gefragt, ob ich alles genauso wiederholen wollen würde... hätte ich vermutlich NEIN gesagt!

Doch immer wenn ich meinen kleinen dunkelblonden und blauäugigen Jungen ansah, würde ich nichts von all dem ändern wollen.

***

Erst als damals die Wehen einsetzten wusste ich überhaupt, dass ich Schwanger gewesen war. Ich hatte nie was mitbekommen. Durch das hormonelle Implantat, mit welchem ich damals verhütete -um nicht jeden Abend an die Pille denken zu müssen, hatte mir meine Frauenärztin dazu geraten- hatte ich das ausbleiben meiner Periode nicht mitbekommen, denn ich hatte sie zuvor auch nicht bekommen... das war normal bei der Art von Verhütung... Doch hätte ich es wahrscheinlich von Anfang an mitbekommen, hätte ich diesen kleinen wunderschönen Jungen nie kennengelernt.

Zu meinen Eltern habe ich seither keinen Kontakt mehr. Sie wollten, dass ich Nils zur Adoption freigab. Wie hätte es denn auch bitte ausgesehen, wenn es an die Öffentlichkeit gekommen wäre, dass ihre 19 jährige Tochter ein Kind bekommen hat? Und das auch noch von einem Unbekannten? Der Skandal war vorprogrammiert. Doch als ich den kleinen Knirps nach der Geburt im Arm hielt, konnte ich ihn nicht mehr weggeben.

Also setzten mich meine Eltern -zum Glück mit meinem Sparbuch- vor die Tür. Ich versuchte bei Leo unterzukommen, doch auch sie wollte nichts mehr mit mir zutun haben! Ich war ja jetzt an etwas gebunden und konnte nicht mehr mit ihr shoppen, ins Kino oder Feiern gehen wann sie das wollte. Ich stand vor dem nichts.

Nur mit Hilfe einer Sozialarbeiterin, welche ich im Mutter-Kind-Heim kennengelernt habe, konnte ich mir mein Leben, welches ich jetzt führte, aufbauen. Sie half mir dabei eine kleine Wohnung in der Nähe von Köln zu finden und bei allen möglichen Behördengängen, damit ich meine laufenden Kosten decken konnte. Ich kam mir wirklich hilflos vor. Ich musste mich bisher nie um irgendwas kümmern. Ich meine... auch wenn sich meine Eltern nicht immer um alles gekümmert hätten, woher sollte ich wissen welche Versicherungen ich brauchte, was für Wohnnebenkosten der Vermieter trägt und welche Verträge ich selber abschließen muss? Und das alles auch noch mit einem Säugling? Sowas lernt man leider nicht in der Schule.

Kontakt zu Nils' Vater aufnehmen wollte ich nicht. Er würde mir wahrscheinlich sowieso nicht glauben, dass es sein Sohn ist. Und außerdem kannte ich ihn bis auf seinen Vornamen nicht. Vielleicht hätte er mir Nils damals sogar weggenommen! Nein, ich wollte und musste es alleine schaffen.

***

Und ich hatte es geschafft. Zwar hatte ich bisher immer noch keine Ausbildung gemacht und an ein Studium wollte ich immer noch nicht denken, aber ich hatte einen gut bezahlten Job als Kellnerin bei einer Eventcatering Firma bekommen. Diese betreute viele regionale Großveranstaltungen, aber auch überregionale. Die Firma war beispielsweise auch für das Catering des DFB zuständig. Zwar musste ich zu solchen Events wegen Nils meistens nicht mit, aber wenn es nicht anders ging, wurde uns sogar ein Babysitter gestellt.

Bei der Arbeit hatte ich auch meine jetzige Mitbewohnerin und mittlerweile sehr gute Freundin Laura kennengelernt. Sie war ebenfalls alleinerziehende Mutter, hatte schon früh ihre Eltern verloren und zum Rest der Familie nie Kontakt gehabt und so hatten wir irgendwann den Versuch gestartet, zusammenzuziehen und unsere Schichten so zulegen, dass immer einer für die Kinder da war.

Und bisher funktionierte es. Sogar sehr gut.

***

"Wurdest du auch ins Büro gerufen?", grinste ich Laura entgegen, als diese nach Luft japsend hinter mir den Gang des Firmengebäudes herunter gerannt kam. Mehr als ein nicken brachte sie nicht zustande als sie bei mir ankam. Ich war schon in der Firma gewesen, als der Anruf von meinem Chef kam, in dem er um ein Gespräch bat. Laura dagegen war mit Nils und ihrem Sohn Paul zuhause gewesen. "Frau Müller,...", japste sie noch immer. Anscheinend hatte mir meine Frage, wo die Jungs untergekommen sind, im Gesicht gestanden, denn das war die Antwort darauf gewesen.

Frau Müller war unsere ältere Nachbarin und gehörte für unsere Söhne schon fast zur Familie. Sie war sowas wie eine Oma für die beiden und auch wir konnten uns zu 100 % auf sie verlassen. Manchmal wüsste ich gar nicht, was ich ohne sie machen sollte. Im Notfall sprang sie immer ein.

Kurz blieb ich vor dem Büro meines Chefs stehen und sah Laura an. Diese hielt den Daumen hoch und so klopfte ich. "Ja bitte.", ertönt die dunkle Stimme von der anderen Seite der Tür. Ohne zu zögern traten wir ein.

"Danke das Sie so spontan herkommen konnte. Bitte setzt euch.", mit einer Hand deutete er auf die beiden Stühle welche vor seinem Schreibtisch standen. Laura und ich tauschten einen kurzen verwirrten Blick, bevor wir uns setzten. "Ich weiß, dass Sie beide Standort mäßig nicht so flexibel seid, aber wir haben kurzfristig einen großen Auftrag angeboten bekommen, welcher für uns das Sprungbrett zum internationalem Geschäft sein könnte.", begann er ohne Umschweife und ließ sich uns gegenüber auf seinen Stuhl fallen. "Leider fehlen uns für den Auftrag erfahrene Mitarbeiter, welche kurzfristig einspringen könnten.", führte er weiter aus.

"Herr Bachmann, wie sie selber bereits sagten, sind wir beide privat sehr eingeschränkt und ob wir da die richtigen für solch einen wichtigen Auft...", weiter kam ich gar nicht, da unterbrach mein Chef mich schon wieder. "Bianca, dass weiß ich doch... Natürlich würde ich dafür sorgen, dass Sie beide nicht den ganzen Tag eingeplant werden und für eine professionelle Kinderbetreuung würde ich ebenfalls sorgen.", führte er seinen Plan -ganz der einsichtige Chef, welcher er nun mal war- weiter aus. "Ich würde vorschlagen, dass Sie beide nur die Nachmittags- oder Abendschichten übernehmen. Dann könnten sie den Vormittag mit ihren Jungs zum Beispiel am Strand verbringen." mit jedem Wort wurde sein Angebot für mich immer interessanter. Nils hat noch nie das Meer gesehen. "Und sollten sie die Nachmittag- sowie die Abendschicht übernehmen wollen, dann wird Ihre Pause so gelegt, dass Sie die Kleinen auf jeden Fall ins Bett bringen könnten." "Wann soll es losgehen und wohin genau soll es gehen?", waren die letzte Details die ich noch wissen wollte. Mich hatte er mit seinem >Rund-um-Paket< überzeugt.

und plötzlich warst du da (Max Verstappen FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt