69

3.1K 115 32
                                    


Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich nun erfahren würde, aber ich spürte, dass es alles andere als positiv sein musste.

Doch ich hatte keine Wahl.
Egal wie schlimm es werden würde, seit Wochen wollte ich das Rätsel um Kierans Vergangenheit lösen und in diesem Augenblick passierte es wirklich. Ich war also am Ziel.

Unter dem Esstisch begann ich damit, unruhig meine Finger zu kneten.

Ich musste einfach nur zuhören und durchhalten.


Connor fuhr fort.

„Mitten in der Nacht, auf gefrorener Fahrbahn, kam unsere Mutter mit ihrem Wagen ins Schleudern, krachte in die Leitplanke und war sofort tot."

Gänsehaut breitete sich auf meinen Unterarmen aus. Was für ein furchtbarer Unfall...

„Unser Vater starb ungefähr ein Jahr später - an einer Überdosis Schlaftabletten. Vermutlich hatte er unabsichtlich eine zu große Menge geschluckt. Seit dem Tod unserer Mutter schlief er keine Nacht mehr ohne die Dinger ein.
Wir waren acht und dreizehn, als wir Vollwaisen wurden und wohnten dann bei unserer Oma Katherine."

Langsam ausatmend wischte ich meine feuchten Hände am Stoff meiner Hose ab.
Kieran und Connor hatten also ein ähnliches Schicksal als Kinder erlitten wie ich.

„Obwohl sie alles für uns tat und wir eine schöne restliche Kindheit bei ihr hatten, kam mein Bruder dann im Teenageralter mit den falschen Menschen in Kontakt. Er suchte Anerkennung und Aufmerksamkeit bei ihnen und vor allem nach einer Vaterfigur. Leider fand er sie in der falschen Person. Dem Anführer einer kriminellen Bande.

Will rutschte in eine Gang hinein, die mit Drogen dealte."

‚Will' hieß Kieran also.

„Nachdem ich das rausbekommen hatte, versuchte ich alles, um ihn von diesen Leuten fern zu halten, doch es gelang mir nicht. Will entfremdete sich immer weiter von mir und unserer Großmutter und wir mussten tatenlos dabei zusehen.
Er beteuerte zwar immer wieder, er habe nichts mit dem Dealen zu tun, sondern wäre einfach nur ein stummer Mitwisser, doch allein, dass er Umgang mit diesen Menschen hatte, machte Oma und mich komplett fertig.

Dann begann ich irgendwann meinen Job beim Radiosender und zog in dieses Haus hier. Ich hatte weiterhin guten Kontakt zu Oma, doch einfach zu wenig Zeit, um mich ausreichend um sie zu kümmern.

Als ich das Angebot bekam, weltweite Reportagen zu drehen, ging für mich ein Traum in Erfüllung - auch, wenn das bedeutete, ich wäre noch weniger bei ihr.

Einige Zeit später erhielt unsere Großmutter dann die Diagnose Krebs.

Zu erst standen die Chancen auf Heilung ziemlich gut. Sie bekam immer wieder Chemotherapien und Bestrahlung, machte Kuren und ging in die Reha. Das zog sich über viele Jahre und kostete eine Menge Geld.

Obwohl ich gut verdiente und sie und Will unterstützte, reichte es nur ganz knapp zum Überleben für sie.

Wie ich später erfuhr, begann Will in dieser Zeit, in die Geschäfte dieser Gang mit einzusteigen, um unserer Oma die Therapien mitzufinanzieren."

Connor pausierte kurz und fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht, ehe er weitersprach.
Ich saß stocksteif auf meinem Stuhl und wagte es nicht mich zu rühren.

„Er hat zwar immer beteuert, nie selbst Drogen zu konsumieren, aber ich weiß bis heute nicht, ob das stimmt.

Immer wieder hatte ich versucht ihn zur Vernunft zu bringen und ihn angebettelt sich einen richtigen Job zu suchen. Er sagte zwar jedes Mal zu, tat jedoch nichts und blieb in der Gang. Unzählige Male hatte ich ihn von der Straße aufgesammelt und wachrütteln wollen, doch das scheiterte.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt