33

5.2K 167 22
                                    


Nach einer Stunde Fahrt durch die Dunkelheit wurde ich immer langsamer und hielt Ausschau nach der sehr schlecht einsehbaren Zufahrt in den Wald.

Ich war schon lange nicht mehr an diesem Ort gewesen. Ich vermied es so gut es ging her zu kommen, doch wenn mein Opa Hilfe brauchte - wenn er alle paar Monate nach dem Rechten sah - oder einige Arbeiten an der Hütte vornehmen wollte, konnte ich ihm schlecht absagen.

Die Erinnerungen an meine Eltern und das was ihnen hier damals passierte, ließ mich einfach nicht los, auch wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte.

Jedes Mal wenn ich diesen Wald betrat, spürte ich sofort dieses unangenehme Ziehen in meinem Magen, das sich anfühlte, als würde ich mich bald übergeben müssen...


Nachdem wir einige Meter langsam am Waldrand endlang gefahren waren, erspähte ich die Einmündung, die durch unzählige Kieselsteine auf dem Boden gekennzeichnet war.

Zögerlich lenkte ich ein und ließ den Wagen mit minimaler Geschwindigkeit um die Kurve gleiten.

Je näher wir der Hütte kamen, desto nervöser wurde ich.

Das letzte Mal das ich hier war, musste vor circa einem Jahr gewesen sein.

Ich musste Opa helfen die Haustür zu reparieren und ein paar Bäume zurecht zu schneiden, die die Hütte bereits eingenommen hatten.
Auch damals fühlte ich mich mehr als unwohl, war jedoch froh, dass ich das Haus nicht betreten musste, sondern nur davor stand.

Doch jetzt, wo ich ohne Opa hier war und auch noch in der Hütte schlafen musste, schien das Gefühl noch schlimmer zu werden und ließ die negativen Emotionen in mir hochkochen...


Nach einigen weiteren Metern kamen wir vor dem Holzhaus zum Stehen.

Ich schaltete den Wagen ab, zog den Schlüssel aus der Zündung und starrte ihn in meinen Fingern an.

Im Augenwinkel nahm ich wahr, dass mein Patient mich nervös musterte.

„Ist alles okay bei dir?
Ich sehe dir an, dass dieser Ort dich irgendwie beunruhigt und du eigentlich gar nicht hier sein möchtest..."

Langsam sah ich zu ihm auf.

Er hatte gespürt, was das alles mit mir machte, auch wenn er nichts darüber wusste, was hier vor fast zwanzig Jahren passiert war.

„Es geht schon... alles okay.
Komm, lass uns aussteigen", gab ich hastig von mir und schnallte mich ab, denn ich war noch nicht bereit ihm zu erzählen, was mit mir los war.

Schnell lief ich um Sues Auto und öffnete die Beifahrertür, um meinem Patienten beim Aussteigen zu helfen.

Vorsichtig ließ ich ihn bei mir einhaken und stützte ihn. Mit zögerlichen Schritten bewegten wir uns zur Haustür.

Mein Herz pochte wild, meine Gedanken rasten und ich musste versuchen mich zu beruhigen.
Es würde schon nichts passieren...

Als wir an unserem Ziel ankamen, zückte ich mit zittrigen Fingern den Schlüssel und schloss die Tür auf.

Mit lautem Knarzen öffnete sich die schwere Pforte und gewährte uns Einblick in das dunkle Innere des Holzhauses.

Sofort stieg mir der vertraute aber gleichzeitig auch einschüchternde Geruch meiner Kindheit in die Nase.

Bis zu meinem sechsten Lebensjahr liebte ich ihn, da er mir signalisierte, dass ich unbeschwerte Stunden im Haus, im Wald und am See verbringen und meine freie Zeit zum Spielen genießen würde.

Doch nach dem Tod meiner Eltern hasste ich ihn, da ich Schmerz, Trauer und auch Hass mit ihm verband und mich - selbst so lange Zeit nach den Ereignissen - noch nicht von diesen Gefühlen befreien konnte.


Ich ließ meine Hand an der kalten Holzwand entlanggleiten und tastete nach dem Lichtschalter.
Kurz darauf betätigte ich ihn und der Raum erhellte sich.

Langsam fuhren meine Augen über die mir bekannten Möbel und ich musterte jeden Winkel des Wohnbreichs.

Dass ich das Innere zuletzt gesehen hatte, musste bestimmt vier oder fünf Jahre her gewesen sein, denn zu dem Zeitpunkt lebte meine Oma noch.

Gemeinsam mit Opa waren wir am Todestag meiner Eltern hier. Meine Großmutter hatte es zur Tradition werden lassen, an diesem Tag herzukommen. Ich hatte das drei oder vier Mal mitgemacht, mich aber in den anderen Jahren dagegen gestäubt, denn erst als ich älter wurde und spürte, wie sehr meine Oma dieses Ritual brauchte, hatte ich mich darauf einlassen können.

Nachdem meine Oma verstarb, war ich lediglich ein Mal im Wald, aber nicht mehr in der Holzhütte. Und das hatte auch einen guten Grund...


Als ich spürte, dass mein Patient seinen Kopf neugierig durch die Tür steckte und ebenfalls alles beäugte, wurde mir klar, dass es langsam an der Zeit war hineinzugehen.

Mit unbehaglichem Gefühl in meiner Magengrube wagten wir die ersten Schritte gemeinsam in den Wohnbereich, bevor ich die Pforte wieder hinter uns schloss.

Alles hier sah noch genauso aus wie damals.

Außer gelegentlich ein paar Konserven auszutauschen, hatten meine Großeltern in all den Jahren nichts verändert.
Obwohl sie selbst nie hier waren um die Hütte so zu nutzen wie meine Eltern es damals taten, hatten sie es nicht geschafft sie zu verkaufen, sondern kamen lediglich her, um den Ort am Leben zu halten und hier an Mama und Papa zu denken.


„So, da wären wir", sagte ich dann zu meinem Patienten, um mich endlich von meinem Gedankenchaos zu befreien, ohne den Blick dabei von den Möbeln zu nehmen.

Er nickte begeistert.

„Wow, wie schön es hier ist. Alles sieht so gemütlich aus."

„Ja, das stimmt.
Setz dich doch auf den Sessel dort, ich drehe schnell die Heizung an."

Er befolgte meine Anweisung und ich lief nacheinander auf die drei Heizkörper zu, in der Hoffnung, dass sie noch funktionierten.
Erleichtert schloss ich kurz meine Augen als ich hörte, wie das Wasser darin zu rauschen begann.
Zumindest erfrieren würden wir nachts hier drin nicht...

Als ich meinen Patienten ansah, beobachtete ich ihn dabei, wie er ein Gähnen unterdrückte und blickte zur Uhr. Mittlerweile war es 11 und stockfinster. Ich konnte nicht leugnen, dass ich nicht auch kaputt gewesen wäre.

„Ich glaube, ich bin genauso müde wie du", gab ich lächelnd von mir und bekam ein Schmunzeln zurück.

Und endlich bemerkte ich, dass seine Augen wieder etwas von ihrem Strahlen zurück bekommen hatten.

Er schien sich nun in Sicherheit zu fühlen und etwas entspannen zu können.

Doch dann fiel mir auf einmal etwas Entscheidendes ein und mein Herz begann daraufhin wieder heftig zu pumpen.

Es gab hier kein Sofa.

Lediglich zwei kleine Sessel und meine alte Kindercouch standen im Wohnzimmer, da es einfach zu klein war um ein Sofa dort unterzubringen.

Zwar gab es neben dem Doppelbett noch ein Drittes, das ich als Kind genutzt hatte, jedoch war die Matratze nicht länger als 1,40m.

Oh Mann!
Das bedeutete also, wir mussten uns zusammen in das Ehebett meiner Eltern legen...

****

Hey,
tut mir leid, dass das Kapitel erst heute kommt - gestern habe ich es nicht mehr zu Ende schreiben können.

Ich hoffe aber ihr mochtet es trotzdem ☺️

Ganz ohne Klischees geht es bei Wattpad natürlich nicht, daher kommt am Ende dieses Kapitels eins und die beiden müssen sich so wie es aussieht ein Bett teilen 😅. Wird das wohl gut gehen?

Bis bald, F.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt