24 (Lesenacht: Kapitel 2/5)

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„Lass es einfach auf dich zukommen. Ich hoffe, dass der Ort, an den ich dich bringe, dich an etwas aus deiner Vergangenheit erinnern kann."

Zuversichtlich, aber doch nervös nickte er.
„Gut, dann gehen wir."

-

Nachdem ich ihn in mein Auto bugsiert hatte, startete ich den Motor und fuhr los.

Die Fahrt verlief sehr ruhig und niemand von uns redete. Trotzdem fühlte sich die Stille für mich nicht unangenehm an. Ich spürte, dass ich ihn mit seinen Gedanken allein lassen musste und nicht bedrängen durfte.

Langsam näherten wir uns der Fußgängerzone und ich hielt Ausschau nach einer Parkmöglichkeit. Da es nun bereits dunkel war, gestaltete sich das nicht ganz so einfach. Kurz darauf hielt ich am Straßenrand an, stellte den Motor ab und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.

„Wir sind da", gab ich leise von mir und beobachtete meinen schweigsamen Beifahrer. Er nickte nur, ohne mich dabei anzusehen.

Ich stieg aus und half dann ihm aus dem Auto heraus, bevor ich ihn bei mir unterhaken ließ.

Schritt für Schritt navigierte ich uns in die Fußgängerzone und steuerte direkt auf einen Laden zu.

Natürlich war es das Juweliergeschäft.

Das Geschäft, vor dem man auf ihn geschossen und ihn dabei schwer verletzt hatte. Das Geschäft, das der letzte Ort war, an dem er sich befand, bevor er sein Gedächtnis verlor.
Der letzte Ort aus seiner Vergangenheit.

Ich hoffte so sehr, ich tat das Richtige. Plötzlich war ich mir total unsicher. Mutete ich ihm vielleicht zu viel zu? Überforderte ich ihn?

Ich spürte, dass sich seine Muskeln, die meine rechte Körperseite berührten, anspannten, als wir vor der Absperrung an der Ladentür zum Stehen kamen.

Auch, wenn er sich an nichts erinnern konnte, schien er dennoch etwas zu fühlen. Das merkte ich ihm deutlich an, weil seine Körpersprache es mir verriet. Sein Blick war starr, seine Muskeln steif und seine Atmung flach.

Irgendetwas wühlte ihn enorm auf.
Zu gerne hätte ich auch nur für eine Sekunde in seinen Kopf schauen können.

Minutenlang musterte er das Gebäude.

„Hier also...", hauchte er, ohne den Blick vom Geschäft abzuwenden.

Ich nickte.

„Sollen wir einmal ganz herum gehen?", fragte ich ihn, woraufhin er mit „mmhmm" antwortete.

Ganz langsam setzten wir uns wieder in Bewegung.

Nervös beobachtete ich meinen Patienten aus dem Augenwinkel und konnte erkennen, dass er jeden Quadratzentimeter des Juweliers mit seinen Augen abscannte. Er ließ sie hin- und herspringen und suchte mit ihnen nach den kleinsten Hinweisen auf seine Vergangenheit.

Stumm und im Zeitlupentempo umrundeten wir das Gebäude, bis wir wieder am großen Schaufenster neben dem Eingang ankamen.

Währenddessen hatte ich mich immer wieder umgesehen und gehofft, niemand bemerkte uns.

Mein Patient zog mich an die riesige Glasscheibe heran und fokussierte dann das Innere des Ladens genauso, wie ich es vor einigen Tagen getan hatte.
Nichts war hier seitdem verändert worden.

Ohne sich zu rühren starrte er auf alles, was sich ihm bot.

Langsam wurde mir kalt und obwohl ich es unbedingt vermeiden wollte, da ich wusste er würde es mitbekommen, begann ich zu zittern.

Wieso war ich bloß ohne Jacke unterwegs?

„Ok, das reicht. Gehen wir", sagte er bestimmt.

Natürlich tat er es meinetwegen, aber das konnte ich nicht zulassen.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt