If you tell the truth,
you don't have to remember anything.
Mark Twain
_________________________»Nächste Verhandlung: der Staat gegen Adams«, rief der Gerichtsdiener.
»Die Angeklagte Harper Adams wird von Mr Isaac Roberts vertreten, Vertreter der Anklage ist Mr Davis Jackson.«
»Danke und Guten Tag, meine Herren Anwälte«, sagte Richter Silveria auf dem Richterpodium. Er ließ ein kleines Lächeln aufblitzen, und John, der ihn von seinem Platz neben Sherlock im vollbesetzten Zuschauerraum beobachtete, wusste, dass es das letzte Lächeln war, das man von ihm zu sehen bekommen würde. Der rundliche, gedrungene Silveria war ein ehemaliger Staatsanwalt und genoss den Ruf, der schärfste Hund am Londoner Gericht zu sein. Bei dieser Vorverhandlung war das zwar noch nicht so wichtig, aber Harper hätte sich keinen strengeren Richter aussuchen können, und Sherlock fragte sich, ob sie am Ende tatsächlich die Hand dabei im Spiel gehabt hatte.
"Guten Tag, Euer Ehren«, antwortete Isaac Roberts.
Sherlock reckte den Hals, um den Anwalt besser sehen zu können, den Schutzheiligen aller geldgierigen Fieslinge. Roberts war einer der bekanntesten Strafverteidiger der Stadt, wenn er es auch noch nie mit einer Mordanklage zu tun gehabt hatte.
Gewöhnlich beschäftigte er sich damit, hochrangige Koksdealer vorm Knast zu bewahren, eine Spezialität von Anwälten, die ihr Honorar gern in bar bekamen und sich einen Platz in der Hölle sichern wollten. Roberts trug das Beste, was man für Kokain kaufen konnte: einen dunklen Anzug von Armani, Gucci Schuhe und eine Jerry-Garcia-Krawatte, die wie ein vorderes Pendant zu seinem glatten Pferdeschwanz aussah. Der Typ verwechselte Gerechtigkeit mit Bereicherung, und Sherlock begann zu kochen. Den kümmerte es doch einen Dreck, ob Harper unschuldig oder schuldig war.
»Guten Tag, Euer Ehren.« Davis schoss wie ein Pfeil von seinem Sitz. »Die Anklage ist bereit zu beginnen.«
Richter Silveria machte ein Zeichen. »Bitte führen Sie die Angeklagte herein.«
Sherlock gab es einen schmerzlichen Stich, als Harper in einem orangenen Häftlingsoverall, Handschellen und Fußfesseln hereingebracht und an ihren Platz geführt wurde.
»Wenn ich fortfahren dürfte, Euer Ehren«, sagte Davis.
»Der Staat ruft Detektive Inspector Lestrade in den Zeugenstand.«
Sherlock verfolgte, wie der grauhaarige Polizist aufstand, seine Krawatte zurechtrückte und zum Zeugenstand marschierte, wo sie vereidigt wurde. Lestrade sah so ernsthaft und geradlinig aus - er würde einen hervorragenden Zeugen für die Anklage abgeben. Er fragte sich erneut, was aus Donovan geworden war, und blickte sich im Saal um. Sie war nirgends zu sehen, was sie nicht weiter überraschte.
»Guten Tag, Inspector«, begann Davis. »Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den elften Januar dieses Jahres lenken. Haben Sie im Rahmen Ihrer Dienstpflichten gegen neun Uhr abends die Angeklagte Harper Adams verhört?«
»Ja, das habe ich. «
»Bitte schildern Sie dem Richter, was Ihnen an der Erscheinung des Angeklagten auffiel.«
»Ms Adams hatte offenbar menschliches Blut an ihren Händen und an ihrer Kleidung.«
Die Zeugenbefragung nahm ihren Lauf, Davis führte Greg durch die Höhepunkte des auf Video aufgezeichneten Geständnisses, und Sherlock hörte mit wachsender Verzweiflung zu. Sie registrierte nur zwei Einsprüche von Roberts und ein halbherziges Kreuzverhör, das jedoch sowieso nichts geändert hätte. Bei der Voruntersuchung musste der Staatsanwalt bloß belegen, dass glaubhafte Beweise für eine Mordanklage vorhanden waren, und das würde ihm mit Leichtigkeit gelingen.
Die Reporter kritzelten auf ihren Notizblock und die Gerichtszeichner zeichneten hektisch, als Richter Silveria verkündete: »Der Staat hat in allen Punkten nachgewiesen, dass auf Grund der jetzigen Beweislage die Anklage auf Mord lauten muss. Ich ordne daher an, dass der Angeklagten Harper Adams der Prozess gemacht wird. «
Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch. »Sollen wir eine Kaution festlegen? «
Davis schnellte in die Höhe. »Euer Ehren, der Staat lehnt eine Freilassung gegen Kaution in diesem Fall ab. Wir denken, dass Fluchtgefahr bei Ms Adams besteht, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir beabsichtigen, keine Abstriche bei der Höhe des Strafmaßes zu machen. Wir haben heute öffentlich angekündigt, dass wir die Höchststrafe fordern werden.«
In Zuschauerraum spürte Sherlock, wie sich ihm das Herz zusammenzog. Es würde also tatsächlich keine Verhandlungen geben. Die Aussicht entsetzte ihn. Er versuchte, Harpers Gesicht am Tisch der Verteidigung zu erkennen, konnte aber nur ihr Profil mit dem hoch erhobenen Kinn sehen. Sein Anwalt stand lässig auf, als ginge es um nichts.
»Euer Ehren«, sagte Roberts, »die Verteidigung versucht mit ihrer Taktik der Angstmacherei zu verwischen, dass keine wirkliche Fluchtgefahr bei Ms Adams besteht. Es ist eine Sache, die Freilassung gegen Kaution bei der Anklageerhebung zu verweigern, aber eine andere, sie nicht bei der Vor-Untersuchung zu bewilligen, Euer Ehren. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, bei dem zu diesem Zeitpunkt keine Kaution festgesetzt wurde.«
Richter Silveria bediente sich wieder seines Hammers. »Ich gebe Ihnen Recht, Mr Roberts. Ihre Mandantin wird gegen Kaution freigelassen. Die Kaution wird auf 250 000 Dollar festgesetzt. Nächster Fall, bitte.«
Sherlock war erleichtert, trotz der hohen Summe. Er wusste, dass Harper die zehn Prozent, die sie hinterlegen musste, um freigelassen zu werden, leicht aufbringen würde, und er konnte nun einen weiteren Versuch wagen, sie umzustimmen. Vielleicht würde der Geschmack der Freiheit sie für seine Argumente empfänglicher machen. Die Galerie leerte sich wie auf Kommando, alle Reporter, Zeichner und Zuschauer strömten hinaus, doch Sherlock blieb zurück.
Während Roberts seine Unterlagen in die Aktentasche packte, drehte Harper sich auf einmal um und ließ ihren Blick über die Reihen wandern. Sherlock fragte sich, warum, denn Kate war nicht unter der Menge, wahrscheinlich hatte sie sie gebeten, nicht zu kommen. Er stand auf, als die Letzten hinausgegangen waren, und merkte, dass Harper ihn anstarrte. Sein Herz rutschte in die Magengrube, wo es nichts verloren hatte, und er stand da wie festgewachsen. Er hasste Gefühle. Nicht umsonst verdrängte er sie andauernd.
Er sah sie direkt an. Seine Augen verrieten eine stillschweigende Verbundenheit, bevor ihr Ausdruck wieder reserviert wurde und sie sich abwandte. Aber er hatte sich diesen Blick nicht eingebildet. Sie hatte Ausschau nach ihm gehalten. Er blieb schweigend und aufrecht stehen, was eine Aussage in sich selbst darstellte. Harper log, doch wenn es in dieser Stadt noch so etwas wie Gerechtigkeit gab, brauchte er nur aufzustehen und so lange die Wahrheit zu sagen, bis jemand sie hörte. Er würde Zeugnis ablegen. Er schwor sich, niemals aufzugeben und nicht nachzulassen, bis er die Wahrheit ans Licht gebracht hatte.
Lange hatte Harper auf das Richterpodium geblickt, bevor sie hinausgeführt worden war, über dem der Union Jack und das goldene Siegel des Königshauses hingen, Symbole, die zur Ausstattung jedes Gerichtssaals gehörten und denen sie bisher keine größere Beachtung geschenkt hatten. Jetzt aber musste Harper feststellen, dass diese Symbole ihr mehr bedeuteten als die Kelche, Hostien und Rosenkränze ihrer Kindheit, und sie überlegte, ob sie ersatzweise an den Hammer des Richters glaubte, weil sie nicht mehr an das Kreuz glaubte. Möglich war es. Harper wusste, dass sie die Weisheit nicht gepachtet hatte und nicht besser war als andere Menschen. Doch zum ersten Mal in ihrem Leben kam sie zu dem Schluss, dass sie auch nicht schlechter war.
Eine Viertelstunde später eilten Sherlock und John aus dem Gericht und am Rathaus vorbei, vorwärts getrieben von dem kalten Wind. Die Journalisten drängten sich immer noch vor dem Gerichtsgebäude, aber sie hatten es geschafft, ihnen zu entkommen. Jetzt mussten sie zurück und versuchen, endlich einen Zusammenhang zwischen der dritten Person, die sich im Haus befunden haben musste. Er wusste das ihn dazu gebracht hatte, Kate zu verhören, und er wollte herausfinden, was dieses Etwas war. Auf den Gehsteigen herrschte Gedränge, so dass sie nur mühsam vorankamen, und plötzlich bemerkte er überrascht, wie eine zierliche Gestalt mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze auf sie zuging.
»Sherlock Holmes«, sagte sie.
Direkt vor ihnen und völlig außer Atem stand Kate.
»Da ist etwas, was ich Ihnen erzählen muss.«
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sherlock holmes und die verschwörung um harper adams
FanfictionEs erscheint einfach. 𝘡𝘶 einfach. Die angesehene Anwältin Harper Adams hat gestanden, ihren Exmann ermordet zu haben, doch das fällt Detective Inspector Greg Lestrade schwer zu glauben, denn Harper macht trotz ihres Geständnisses nicht den Eindru...