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The truth carries a weight no lie can counterfeit.
Manku Allahabadi
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Ein bitterkalter Wind schlug Sherlock und John entgegen, als sie mit Kate auf die Flee Street traten. Kate spürte, wie sie augenblicklich eine rote Nase bekam und ihre Wangen spröde wurden. Sherlock versuchte, seine zerzausten Haare mit den Fingern zu kämmen, wohl wissend, dass es zwecklos war und er sich sowieso keine Gedanken um sein Äußeres machen sollte. Er war auf dem Weg zu einer Mandantin - na schön, nicht-wirklich-Mandantin. War es jetzt erlaubt, in sie verliebt zu sein, da er wusste, dass sie keine Mörderin war?

»Nehmen wir uns ein Taxi«, sagte Sherlock. »Es ist zu kalt zum Laufen.«

»Das Hotel ist nur etwa zehn Blocks von hier entfernt. Harper hat mir den Namen auf den Anrufbeantworter gesprochen.« Kate schlug den Kragen ihrer schwarzen Jacke hoch und kniff die Augen gegen den Wind zusammen. »Wir können zu Fuß gehen.«

»Natürlich können wir das, aber wir müssen nicht.« Sherlock spähte die Straße hinauf und hinunter, aber es war kein Taxi in Sicht. Die Beleuchtung war spärlich, ebenso der Verkehr in Richtung Kingsway. Ein Mann in Wollmantel und Strickmütze ging an ihnen vorbei, sein Schal flatterte um seinen Hals. Zu dieser späten Stunde war er sicher auf dem Weg zur nahe gelegenen U-Bahn-Station. Weit und breit kein Taxi.

»Warum gibt es eigentlich mehr Anwälte als Taxis auf der Welt? Taxis sind viel nützlicher.«

»Komm schon, Sherlock«, sagte Kate und schloss ihre Jacke.

»Gehen hält fit.«

»Na gut. « Sherlock lenkte seine Schritte widerstrebend auf den Kingsway und das Hotel zu. »Ich gehöre ja nicht zu den Leuten, die sich aufregen, wenn ihre Haare beschissen aussehen.«

»Ich auch nicht.« Kate fiel automatisch in Gleichschritt mit ihm. »Ich habe schon viel zu viel Zeit damit verschwendet, mir Gedanken über meine Haare zu machen. Und über mein Gewicht. Und meine Augen. Und meine Hüften.«

Eine Böe traf Sherlock mitten ins Gesicht, die Staub in seine Augen schleuderte und sie tränen lassen würde wie die eines altersschwachen Hundes. »Ich mache mir nie Gedanken über mein Äußeres.«

»Schon komisch zu denken, dass ich mein ganzes Leben mit diesem oberflächlichen Kram verbracht habe.«

»Du bist erst zwanzig«, entgegnete nun John. Sherlock senkte den Kopf gegen den Wind. Wenn das so weiterging, würde er eine Gesichtsstarre bekommen. »Dein Leben hat noch gar nicht richtig angefangen.«

»Und ich habe es schon vermurkst«, erwiderte Kate ganz ruhig, und Sherlock schielte zu ihr hin, weil die Worte sich so merkwürdig nach ihm selbst anhörten. Kates Kopf war ebenfalls gesenkt, und ihr Haar wehte wie ein rotes Seidentuch hinter ihr her, als stünde sie vor der Windmaschine im Studio eines Fotografen. Doch sie sah nicht mehr aus wie ein Model mit ihrem entschlossenen Gang und der schützend auf den Bauch gelegten Hand. Als sie an der dunklen Front eines aufgegebenen Ladens vorbeikamen, wirkte Kate davor allein und verloren.

»Weißt du, das sehe ich überhaupt nicht so.«

»Nein?«

»Nein.« Er schien sie etwas aufgemuntert zu haben. Sherlock gefiel es, wie sie nun lächelte. Vielleicht war Empathie ja doch nicht so schlecht. »Du hast zwar einen großen Fehler gemacht, aber du strengst dich wie verrückt an, ihn wieder gutzumachen. Du bist heute zu uns gekommen und uns von deinem Gefühl wegen George erzählt, obwohl er dein Freund ist. Dazu gehört viel Mut.«

»Den Mut habe ich von meiner Schwester«, sagte Kate. John lachte. »Du meinst, so etwas ist erblich? Ihr Adams-Schwestern lauft alle herum und gesteht zwanghaft schwere Verbrechen? Weil ihr einen übersteigerten Schuldkomplex habt?«

sherlock holmes und die verschwörung um harper adamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt