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Es gibt zwei Möglichkeiten, sich täuschen zu lassen. Der eine ist zu glauben, was nicht wahr ist; der andere ist, sich zu weigern, zu glauben, was wahr ist.
Søren Kierkegaard
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Sherlock und John stiegen in der dritten Etage eines viktorianischen Mehrfamilienhauses aus dem Aufzug und betrat einen eleganten, schiefergrau gestrichenen Flur mit platinfarbenen Wandleuchten im Artdéco-Stil. John zog den Zettel mit der Nummer von Kate Adams Eigentumswohnung aus ihrer Jackentasche und entzifferte ihn, wobei er beinahe mit einem hochgewachsenen Mann in zerrissenen Jeans zusammenstieß, der es offenbar sehr eilig hatte. Sein schwarzer Rucksack schlug gegen ihre Schulter.

John entschuldigte sich automatisch, während der Junge wortlos an ihr vorbei zum Aufzug drängte. »Hat deine Mutter dir keine Manieren beigebracht?«, rief er ihm nach, aber der Fremde blieb stumm und verschwand hinter der silbrigen Fahrstuhltür.

Er sah auf seinen Zettel. Neben der Nummer des Apartments stand Kates Telefonnummer. Sie hatten sich angemeldet, bevor sie hinaufgefahren waren, weil es die Vorschriften des Sicherheitspersonals in der Eingangshalle so verlangten.

Nun gingen sie den Flur entlang, fand die richtige Tür und John dachte schweren Herzens an die bevorstehende Aufgabe.

Wie sollte sie einer jungen, alleinlebenden Frau diese Hiobsbotschaft überbringen? Hör mal, deine Schwester hat ihren Ex-Mann umgebracht? John klopfte zögerlich an die Tür. Er hasste es, wenn sein Job aufwühlend und tragisch wurde. Er brauchte einen Job, der sie emotional weniger in Anspruch nahm.

Arzt in der Notaufnahme vielleicht. Oder Krebsspezialist für Kinder.

Kate "Katy" Adams, eingehüllt in einen blauen Chenillebademantel mit einem Muster aus übergroßen Kaffeetassen, kauerte schluchzend auf dem weißen Sofa. Den Kopf mit dem leuchtend roten Pferdeschwanz hatte sie in Johns Armen vergraben, und ihre knochigen Schultern bebten beim Weinen. Sie war sehr groß, aber dünn und feingliedrig und war sofort in Tränen ausgebrochen, als John ihr mitgeteilt hatte, dass ihre Schwester ihren Ex-Schwager ermordet hatte.

»Ich kann es nicht fassen. Wells ist tot?«, heulte Kate. John, der deutlich mehr Sympathie ausstrahlen konnte als Sherlock, zog sie an sich, und das Mädchen brach in seiner Umarmung zusammen, so dass beide in den daunenweichen Polstern des Sofas versanken.

Sherlock sah sich im Zimmer um, um seine berufliche Distanz zu wahren. Die ganze Wohnung war in einem warmen Cremeweiß gehalten, sogar der Couchtisch und das große Hi-Fi-Regal hinter dem Sofa bestanden aus weiß gebeiztem Holz. Das Regal war gut bestückt mit CDs und einer erstklassigen Stereoanlage. Bücher waren keine zu sehen, mit Ausnahme einiger dekorativ verteilter, glänzender Bildbände. Die gesamte Einrichtung ließ auf Mittel schließen, die die der meisten jungen Erwachsenen - und auch mancher Anwälte - bei weitem überstiegen. Er stellte sich Kates luxuriöses Singledasein vor und wusste sofort, dass er nicht mit ihr tauschen wollte, trotz aller materiellen Vorteile.

»Harper hatte mich gefragt, ob ich vielleicht mitkommen könnte... zum Abendessen. Sie wollte nicht allein hingehen«, stammelte Kate zwischen zwei Schluchzern. »Ich hatte ein Shooting und habe es nicht rechtzeitig geschafft. Wäre ich doch nur gegangen...«

»So darfst du nicht denken. Es ist nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür«, versicherte ihr John

»Ich habe Wells gestern noch gesehen ... beim Shooting.«

»Was für ein Shooting?«

»Eine Fotosession in der Innenstadt, für die Zeitung. Er war zu den Zeiten, in denen er und meine Schwester noch zusammen waren, mein Manager und hatte mich für das Kaufhaus Highsmith gebucht, und dort war auch der Termin. Er war auch dort.«

sherlock holmes und die verschwörung um harper adamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt