88. Kapitel

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Erneut wache ich schweißgebadet auf. Mein Herz hämmert mich dabei verrückt gegen die Brust. Meine Atmung geht schnell. Es hat sich so verdammt echt angefühlt. Es war aber alles nur ein Traum. Ein sehr schlimmer Traum. Ein Albtraum. Es war nicht echt.

Noch immer verfolgt sie mich bis in meine Träume. Obwohl sie tot ist, sehe ich sie dennoch jedesmal. Ich will vergessen und aufatmen. Aber sobald sie auftritt, kann ich all die schrecklichen Tage nicht hinter mir lassen. Ich kann nicht abschließen. Es fühlt sich so an als würde ich zurück ins diese Zeit geschleudert werden. Die Angst. Das bedrückende Gefühl und die Furcht. Diese Gefühle trug ich in dieser Zeit permanent mit mir mit. Und es war schrecklich. Noch schlimmer ist es, wenn ich sie immer noch spüren muss. So wie jetzt auch wieder. Auch wenn sie kurz andauern im Vergleich zu damals, reicht das schon vollkommen aus mich fertig zu machen. Es ist so als würden mich diese Tage bewusst verfolgen. Sie wollen, dass ich leide. Sie nicht vergesse.

In mir entstehen Zweifel. Viele Fragen fangen an in meinem Kopf zu schwirren.

Bin ich es nicht wert glücklich zu sein?

Habe ich etwas falsch gemacht damals und meine Albträume wollen mir damit etwas sagen? Es bestätigen?

Bin ich ein schlechter Mensch und hatte als Folge diese Erlebnisse verdient? Die Entführung? Die Zwangsehe? Den Verlust meiner Geliebten Menschen? Ein Leben ohne Eltern? Ein Leben ohne Freiheit? Ein Leben ohne Sicherheit?

Gibt mir Ömer die Schuld dafür, dass seine Familie wegen mir in Brüche gegangen ist?

Bin ich schuld am Tod seiner Eltern und seiner Oma?

Ist er sauer auf mich?

Ich ertrinke in Selbstzweifel und Gewissensbissen. Plötzlich gebe ich mir die Schuld an allem. Ich bin verwirrt und total verunsichert. Dieser Traum hat mir erneut den Boden unter den Füßen genommen. Schon allein ihr Gesicht zu sehen hat mich erschaudern lassen. Der Albtraum fühlte sich so echt an, dass mein Körper immer noch stark zittert. Dieser Albtraum hat ein bedrückendes Gefühl in mir ausgelöst. Ich presse meine Lippen fest zusammen, um meinen Schluchzen zu unterdrücken.

Ich will Ömer nicht aufwecken. Der Arme musste heute zu viel wegen mir mitmachen. Ich habe ihn regelrecht auf die Folter gespannt und mit seiner Geduld gespielt. Schuld dafür waren meine Hormone. Er blieb aber überraschenderweise sehr geduldig und hat mir jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Der Schlaf sei ihm deshalb gegönnt.

Doch ich merke wie mir unzählige Tränen die Wange hinunterkullern und mein Körper vor Unruhe bebt. In mir brennt es vor Schmerz und ich kann nichts dagegen tun. Ein kurzes Wimmern entweicht aus meinem Mund. Ich schnappe tief nach Luft. Merke jedoch, dass meine Lungen nach viel mehr Oxygen schreien. Vorsichtig und so leise wie es geht versuche ich mich auf die Beine zu stellen und taumele mit hängenden Schultern und schlappen Leibe auf die Terrasse zu. Ich muss mich von diesem Albtraum beruhigen. Auch wenn ich öfter dieselben Alpträume habe, machen sie mich jedesmal aufs neuste so fertig.

Ich sehe nicht nur Azize sondern auch meine Eltern und sogar Sofia in meinen Träumen. Doch diese Träume enden auch immer in Albträume. Ich bin auch nach diesen Träumen nervlich fix und fertig. Letztens habe ich gesehen wie ein Korb aus Stroh über Wasser geschwommen ist. Ich näherte mich diesem Korb. Ich dachte mir dabei nichts. Doch als ich mich dem näherte und reinsehen konnte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Dort drinnen lag Sofia. Nicht glücklich mit einem Lächeln so wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie lag tot mit einem leidenden Gesicht und voller Blut in diesem Korb. Es war schrecklich sie so zu sehen. Wenn ich mich an diesen Traum erinnere wird mir ganz übel und ein flaues Gefühl setzt sich zusätzlich in mein Magen.

Es soll endlich aufhören...

Mit einem enormen Kraftaufwand versuche ich leise die Terrasentüre zuzuschieben, damit die kühle Luft nicht ins Zimmer dringt. Ömer soll beim Schlafen nicht frieren. Doch je mehr sich die Türe zuschiebt, desto mehr drohe ich jegliche Kraft zu verlieren. Ich muss mich mühevoll an der Klinke festhalten. Meine Beine fühlen sich mit einem Mal taub an. Ich spüre nichts mehr. Meinen Körper. Das Brennen in mir. Die Schritte meines nachtaktiven Kindes. Nichts. Ich verliere die Kontrolle über meinen gesamten Körper.

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