9 - Ungeduldig

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Ellie

Die Weihnachtstage vergehen wie im Flug. Es fühlt sich fast an, als wäre ich nie weggewesen, auch wenn ich meine letzten Tage in Freiheit gar nicht wirklich genießen kann, weil mir tausend Dinge im Kopf herumschwirren.

"Also, Ellie", sagt mein Vater erwartungsvoll, als ich mit gepacktem Rucksack im Flur stehe, bereit, mich von meinen Eltern zu verabschieden.

"Dad", sage ich. Ich weiß genau, was ihnen auf der Zunge brennt. Was machst du jetzt, Ellie? Wie ist der Plan? Ich lächele. Wieso bist du so früh zurückgekehrt? "Ich habe etwas mit euch zu besprechen", breche ich schließlich die Stille und meine Worte hören sich ganz förmlich an, so als stammten sie aus dem Mund einer anderen Person.

Meine Eltern schweigen, aber ich meine, Panik in ihren Augen aufleuchten zu sehen. Sie als Akademiker haben es wahrscheinlich beide noch nicht voll und ganz verkraftet, dass ich nach einem verschwendeten Lebensjahr mein Jurastudium abgebrochen habe und stattdessen ins Ausland abgehauen bin.

"Keine Sorge!", füge ich schnell hinzu und zumindest meine Mutter sieht augenblicklich etwas entspannter aus, "Es ist nichts Schlimmes. Ich werde... im neuen Jahr eine Ausbildung anfangen. Als Schreinerin."

Für einen Moment bleiben sie still. Dann fällt mir meine Mutter um den Hals. "Oh, Ellie! Das ist ja toll!" Ich drücke sie an mich. Ich bin mir nicht sicher, wie viel ihrer Freude echt ist, but i'll take it.

"Du hast dir das auch gut überlegt?", fragt mein Vater jetzt.

"Hab ich", sage ich und diesmal ist es sogar die Wahrheit. Ich hätte wissen sollen, dass Studieren nicht mein Ding ist. Mit den Händen zu arbeiten ist vielleicht ein Lesben-Klischee, aber es ist etwas, das mir wirklich Spaß macht. Von all den Dingen, die ich in den vergangenen Monaten ausprobiert habe, ist es das, was mich am meisten gepackt hat.

"Dann herzlichen Glückwunsch." Ich lasse mich auch von ihm umarmen und dann ist unsere Familienzeit auch schon vorbei. David ist gestern schon zurück in die Stadt gefahren, also muss ich den Bus zurück zu Iri und Nelly nehmen, aber das ist okay. Ich bin fast schon froh, als ich das Haus meiner Eltern hinter mir lasse und Zeit habe, allein mit meinen Gedanken zu sein. Auch wenn ich, ehrlich gesagt, nur noch an eines denken kann: An Davids Party und die Chance, Noah morgen Abend wiederzusehen.

Ich weiß, dass es naiv ist, davon auszugehen, dass Noah mich mit offenen Armen empfangen wird. Schließlich war ich es, die sie verlassen hat – auch wenn ich es, zugegebenermaßen, nie so gemeint habe. Ich war es, die ihr Herz gebrochen hat, indem ich sie hier alleine gelassen habe, obwohl wir andere Pläne hatten. Und trotzdem. Seit sie vor ein paar Tagen vor mir aus dem Bus ausgestiegen ist, kann ich meine Gedanken nicht mehr bremsen. Meine Gedanken an sie, an uns, daran, wie es vor nur ein paar Monaten noch zwischen uns war. In den vergangenen Monaten und Wochen hatte ich immer etwas, das mich davon abgelenkt hat, mich an sie zu erinnern. Töpfern, Schreinern, Reisen. Angelina. Die Version, die sie kennengelernt hat, ist eine andere Version von mir als die, die ich hier bin.

In meinen Gedanken habe ich nur auf Pause gedrückt, nie auf Stopp.

Noah

Nachdem ich an Heiligabend das Vogelnest besucht habe, bleibt es still. Als ich zu Hause angekommen bin, erwarte ich, dass Sofia mir ein dutzend Nachrichten hinterlassen hat, aber stattdessen habe ich nur einen unbeantworteten Anruf von Dad. "Hat Conny was gesagt?", fragt er fast schon gierig, als ich mich neben ihn auf die Couch setze. Ich runzle die Stirn. "Was sollte Conny gesagt haben?", frage ich ihn. "Es gab, ähm, nicht viel Klärungsbedarf. Das mit Sofia...war relativ offensichtlich."

Ellie &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt