10 - Unerwartet

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Noah

Es ist Punkt 22:31, als ich bei David auf der Matte stehe. Ich bin frisch geduscht und trage das einzige Partykleid, das ich besitze: ärmellos, mit fuchsiafarbenen Pailletten und viel zu kurz für dieses Wetter. Ich habe zwar mir zwar eine Strickjacke übergezogen und eine Thermostrumpfhose untendrunter, trotzdem bin ich froh, als Dav mir die Tür öffnet und ich nicht länger in der Kälte stehen muss.

"Hey." Ich umarme ihn und lächele an ihm vorbei, weil unsere letzte Begegnung noch in meinem Gedächtnis nachbrennt. Zu meiner Überraschung kommentiert er nichts, sondern drückt mich nur kurz und herzlich an sich. "Schön, dass du kommen konntest", sagt er wie der perfekte Gastgeber und lässt mich los.

"Ist zwischen uns... alles okay?", frage ich. Meine Entschlossenheit des letzten Abends ist noch nicht verflogen. Ich meine es ernst; wenn ich mir eins vorgenommen habe, dann, Sachen nicht mehr unausgesprochen im Raum stehen zu lassen.

David sieht mir in die Augen und sein Blick ist unerwartet warm. "Ja, klar." Er sieht hübsch aus. Sein schwarzes Hemd ist durchzogen von schimmernden Lurex-Fäden, die glitzern, wenn das Licht richtig darauf fällt. Die Noah von vor zwei Jahren hätte sich direkt wieder in ihn verliebt. Schade, dass ich nicht mehr sie bin.

"Noah, ich bin's doch gewohnt, von dir abgewiesen zu werden", sagt er jetzt. Für einen Moment bleibt seine Miene ernst, dann fängt er an zu grinsen und ich verdrehe die Augen. "Es tut mir...", ich verliere den Faden, als ich meine, Maya hinter ihm im Flur entdeckt zu haben.

"Schon okay." Er wartet gar nicht auf meine Antwort, sondern klopft mir auf die Schulter. "Jetzt geh schon."

Ich lächele ihm dankbar zu und dränge mich an ihm vorbei ins Innere der Wohnung. Mann, ich hatte ganz vergessen, wie luxuriös er wohnt! Die Wohnung von David muss bestimmt hundert Quadratmeter groß sein und ist so schicki-micki eingerichtet, dass man das Gefühl hat, Gast in einem teuren Hotel zu sein. An den Wänden hängen große, gerahmte Kunstdrucke und die Einbauschränke ziehen sich bis an die hohen Schrägen. Jona und David haben Diskokugeln verschiedener Größen im Wohnzimmer neben einer großen, silbrigen Ballon-"2024" aufgehängt und durch das gedimmte Licht habe ich das Gefühl, mich in einem Hybrid aus Rooftop-Bar und überteuertem Club zu befinden.

"Happy 2024!", schreit Jona, als er mich sieht und drückt mir ein Hütchen auf den Kopf, auf dem in verschlungenen Buchstaben Happy New Year steht. Das kleine Gummiband schneidet in meinen Hals ein. 

"Zu früh!", schreie ich zurück, aber Jona scheint das nicht sonderlich zu interessieren. Hinter ihm huscht ein Haufen rotblonder Haare vorbei und schnell dränge ich mich an ihm vorbei, um den Haarhaufen zu verfolgen.

"Maya, warte!" Ich greife nach ihrem Handgelenk, bevor sie in der Menge verschwinden kann, und endlich dreht sie sich um. Natürlich ist es Maya. Sie ist Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und ihre Augen sind umrundet von kleinen, aufgeklebten blauen Sternen, die ihre Augen noch blauer scheinen lassen, als sie ohnehin schon sind.

"Oh, hey, hab dich gar nicht gesehen", sagt sie unschuldig und schüttelt meinen Griff ab.

"Maya", sage ich und kann ein Seufzen nicht unterdrücken, "Gehst du mir aus dem Weg?"

Sie schüttelt den Kopf. "Hab dich wohl nicht gesehen", antwortet sie und zuckt mit den Schultern. Dafür, dass sie sonst so vorlaut ist, bleibt sie erstaunlich wortkarg.

"Können wir...reden?" Ich ziehe sie etwas zur Seite, als ein paar Mädchen sich an uns vorbeidrängen. Jona folgt ihnen und zwinkert mir im Vorbeigehen zu. Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf Maya.

"Es tut mir Leid", sage ich. Das tut es wirklich. "Du hast jeden Grund, wütend auf mich zu sein." Ich würde ihr am Liebsten erzählen, wie es tatsächlich zu dem Kuss gekommen ist, aber jedes Wort, das David zu mir gesagt hat, würde sie noch mehr verletzen. Ich hätte ihn einfach wegstoßen sollen. "Ich war... keine gute Freundin", gebe ich zu.

Ellie &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt