22 - Wiedersehen

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Noah

Ich versuche, Maya anzurufen, aber sie nimmt meine Anrufe nicht an. "Hey, wenn du das hörst, ruf mich zurück, ja?" Das ist jetzt schon die dritte Nachricht, die ich ihr auf den AB spreche. Ich kann nur hoffen, dass ihr Akku vielleicht den Geist aufgegeben hat und es nichts Schlimmeres ist. Als ich auflege, schaue ich in drei erwartungsvolle Gesichter.

"Ich... werde es nachher nochmal versuchen", sage ich ratlos und meide es dabei, ihnen in die Augen zu sehen.

"Du kannst auch noch hierbleiben und wir warten zusammen", schlägt Ellie vor, aber ich schüttele den Kopf. Die letzten Stunden haben mich so erschöpft, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Oder einen 500-m-Lauf. Oder... generell gelaufen. "Ich glaub, ich muss gehen", sage ich stattdessen. Ich umarme erst David, dann Jona, der erstaunlich still für seine Verhältnisse ist und winke Ellie dann zum Abschied zu.

Als ich sie endlich hinter mir gelassen habe, fällt Erleichterung von mir ab. Dieser ganze Tag... Ich freue mich einfach darauf, nach Hause zu kommen, wo ich alleine mit meinen Gedanken sein kann. Mit neuer Energie erklimme ich die Stufen in den siebten Stock des Wohnheims und stocke dann, als ich eine Frau bemerke, die sich vor der Tür zu meinem Wohnheimzimmer zusammengerollt hat wie eine Kellerassel. Ihr schwarzes Haar ist zu einem dicken Zopf zusammengebunden und einige wirre Strähnen fallen ihr ins Gesicht, aber ich erkenne sie trotzdem sofort.

Es ist Sof.

"Hey..." Bei dem Klang meiner Stimme schreckt sie nach oben, als hätte sie mich erst jetzt bemerkt. Ist sie etwa eingeschlafen? Sofia streicht sich ein paar Haare aus der Stirn und ein winziges Lächeln huscht über ihr Gesicht.

"Ich hab auf dich gewartet." Sie lässt sich nichts anmerken. Ich würde ihr am liebsten tausend Fragen stellen: Wie lange sitzt du schon hier? Was machst du hier? Und, wichtiger als alles andere: Ist alles okay? Aber als ich sehe, wie erschöpft sie aussieht, hebe ich sie mir für später auf.

"Ich war unterwegs", antworte ich stattdessen schlicht, "Lass uns erstmal reingehen."

Sie nickt. Das "Reingehen" stellt sich aber als komplizierter heraus, als ich dachte. Ich biete Sof meinen Arm an, als mir ihr riesiger Bauch auffällt, den sie vor sich herumträgt. Mist. Da war ja was.

"Danke." Sofia zieht sich an mir nach oben und sieht mir schweigend dabei zu, wie ich die Tür aufschließe. "Kann ich... vielleicht heute Abend hier übernachten?"

Für einen Moment zögere ich, will einen zynischen Kommentar machen, sowas wie Was ist denn aus Ollie geworden? Aber sie ist Sof, meine Sof, zumindest war sie das noch vor nicht allzu langer Zeit. Es ist nicht das erste Mal, dass wir zu zweit in meinem Bett schlafen, wenn auch nicht hier. Obwohl es das erste Mal ist, dass wir dabei eigentlich zu dritt sind.

"Klar", antworte ich.

"Willst du... was zu trinken? Hast du Hunger?" Ich öffne meinen Minikühlschrank und schaue mich nach etwas Essbarem um. Da sind noch die Reste des Thai-Essens vor ein paar Tagen, eine leicht bedenklich aussehende Limette und ihre angeschrumpelte Gegenseite. "Wir können auch was bestellen?" Ich sehe mich zu ihr um und sie schüttelt den Kopf. "Schon okay", antwortet sie leise. Sie hat sich auf mein Schrankbett gesetzt und starrt den grau-melierten Plastikboden an, als wäre er die nächste Mona Lisa. "Wo warst du?", fragt sie dann und zieht ihre Beine zu sich an, quetscht sich mit großer Mühe in einen Schneidersitz, ihr gigantischer Bauch in ihrer Mitte.

"Ich war bei Jona", antworte ich und überlege kurz, den Rest zu verschweigen. "Und David und... Ellie."

Sie reißt die Augen auf.

"Wir sind nicht wieder zusammen!", entgegne ich schnell und mit Nachdruck.

"Das will ich auch hoffen", grummelt sie.

Ellie &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt