18 - Schachzüge

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Ellie

"Wann fängt deine Ausbildung noch mal an, El?"

Es sind noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, seit ich vor Davids Tür aufgekreuzt bin und schon habe ich das Gefühl, als würde meine Anwesenheit sein Leben so sehr aus der Bahn werfen, dass er mich nicht eine Sekunde länger hier aushalten kann.

Ich werfe David einen Seitenblick zu. "Willst du mich so schnell schon loswerden?", frage ich und dann: "Nächste Woche."

"Nein, natürlich nicht!", antwortet er wenig überzeugend.

Ich seufze. "Dav, wenn ich ausziehen soll, sag das einfach. Ich bin dir nicht böse."

"Es ist nur...", er sieht fast schon peinlich berührt aus. Geht es etwa um das Mädchen von gestern? "David, was?", frage ich genervt.

"Du findest es bestimmt nicht allzu toll, wenn meine, ähm, Ablenkungen... ", er lässt den Satz in der Luft hängen. Es geht nicht um das Mädchen. Es geht um die Mädchen. Ich bin sein persönlicher Cockblock und das hat er mit seiner Einladung nicht bedacht. Unglaublich.

"Ist das dein Ernst?" - "Sorry." Er knirscht mit den Zähnen.

Ich weiß, ich sollte es nicht tun. Ich weiß, dass das die schlechteste Idee ist, die ich je hatte. Aber es ist meine Chance. "Ich könnte dir helfen", sage ich schließlich.

"Was meinst du?", fragt David, ernsthaft verwirrt. Bin ich mir sicher, dass ich das tun will?

"Mit Noah." Ihr Name brennt auf meinen Lippen.

Ich sehe seine Kinnlade wie in Zeitlupe herunterklappen. Fast kann ich hören, wie sich die kleinen Rädchen in seinem Kopf drehen, wie er kurz überlegt, ob er das gerade richtig gehört hat. "Du verarschst mich, oder?", fragt er dann. "Ellie, sag mir bitte klar und deutlich, was du meinst und ob du mich gerade komplett verarschen willst."

Ich zucke mit den Schultern. "Wir sind Freunde." Streng genommen stimmt das sogar, zumindest, wenn man von der losesten Definition von Freundschaft ausgeht, die auf diesem Planeten existiert. "Ich weiß, was sie mag. Und ich meine, dich mochte sie ja auch mal, also ist das gar nicht so weit hergenommen. Das Problem war nur, dass sie mich lieber mochte als dich."

"Sehr charmant." Er sieht mich finster an.

"Mein Punkt ist...", fahre ich fort, "dass du jetzt, wo sie eh nichts mehr mit mir zu tun haben möchte - abgesehen von unserer großartigen Freundschaft, natürlich - freies Feld hast. Ich könnte deine persönliche Wing-Woman sein."

"Das ist die schlimmste Idee, von der ich je gehört habe", sagt David, aber sieht dabei nicht uninteressiert aus. "Außerdem gibt's da noch das kleine Problem, dass Noah schon eine Freundin hat. So viel zu 'freiem Feld', also."

So weit habe ich tatsächlich nicht gedacht. "Ähm." Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln. "Ach, Maya?", frage ich dann in gespielter Überraschung. "Die sind nicht zusammen."

Ich sehe, dass David die Stirn runzelt. "Du kennst sie ja nicht mal."

"Ich kenne aber Noah. Und wenn selbst wir erst Wochen nach unserem ersten Kuss zusammengekommen sind, dann wird eine Party-Knutscherei sicher nicht direkt zur Hochzeit werden." Ich überrasche mich selbst damit, wie überzeugend ich klinge.

"Weißt du, dass du gerade ziemlich arrogant und selbstverliebt klingst, El?", lacht David. Wieder zucke ich mit den Schultern. "Was?", frage ich entwaffnend, "Wir waren magisch. Und ist das nicht genau das, was du willst?"

Er schweigt einen Moment zu lang und nickt schließlich. "Ich meine... wenn du es so sagst. Ja, irgendwie schon."

"Na also." Ich vergrabe mein schlechtes Gewissen in einem Winkel meines Gehirns, "Also, wann?"

"Wann was?!"

"Wann lädst du sie zu uns ein?"

Noah

"Das ist komisch." Ich betrachte die Nachricht auf meinem Handydisplay.

"Was ist los?" Maya beugt sich über den Tisch und ich drehe das Display so um, dass sie mitlesen kann.

"David." Ich ziehe die Augenbrauen hoch. "Er hat mich zum Essen eingeladen. Heute Abend." Ein seltsames Kribbeln steigt in mir auf. Was soll das? Hat es nicht gereicht, dass er versucht hat, mich an Silvester zu küssen? War es nicht peinlich genug, als wir versucht haben, uns danach 'auszusprechen'?

"Soll ich mitkommen?", fragt Maya direkt. Ich zögere einen Moment. Ich könnte ja sagen, könnte mich hinter Maya wie hinter einem Schutzschild verstecken. Aber dann denke ich an das ganze vergangene Jahr, an Davids und meine gescheiterte Beziehung, an die komische Zeit, die danach folgte, und schüttele den Kopf.

"Ich glaube, ich muss das selbst klären." Die Worte hören sich richtig an. "Ein für alle Mal." Und vielleicht ist es wirklich das Richtige, eine Aussprache, sodass danach alles wieder beim Alten ist. Wenn ich schon meine und Sofs Freundschaft im Moment nicht wieder geraderücken kann, kann ich vielleicht etwas wieder richtig stellen. Mein Blick ruht auf unseren leeren Kaffeetassen.

"Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn irgendwas ist, ja?", fragt Maja.

"Ist schon okay." Meine Gedanken sind schon nicht mehr bei unserem Date, sondern bei dem, was mich heute Abend erwartet. Schon wieder muss ich den Impuls unterdrücken, mich bei ihr zu entschuldigen. Sie verdient jemanden, der voll bei ihr ist. Die Worte brennen mir auf der Zunge, aber ich schlucke sie herunter. Das ist eine Konversation für einen anderen Tag.

"Zieh nichts an, was sexy ist", sagt sie jetzt und ich schnaube vor Lachen. "Ich dachte eigentlich, ich packe die Strapse aus", entgegne ich und wackele mit den Augenbrauen.

"Kannst du ja", sagt sie und zwinkert mir zu, "Aber erst, wenn du wieder zurückkommst."

Ich lache und greife nach ihrer Hand. "So läuft das also."

"Genauso läuft das." Sie sieht sehr zufrieden aus.

Ellie &Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt