11. Flo - der Morgen danach

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11. Flo - der Morgen danach

My December - Linkin Park

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„Pssst...", vernahm ich leise und blinzelte, um zu realisieren, wo ich mich befand. Aber mein Kopf dröhnte, und selbst der kleine Streifen Licht, der durch die Tür drang, in der mein Neffe stand, tat mir in den Augen weh. Also tat ich das einzig Richtige und schloss sie wieder. „Ich komm gleich.", ertönte eine leise, sanfte Stimme und sorgte für Gänsehaut. Dann hörte man in der Ferne leise, tapsende Schritte.

„Onkel Flolii müde?", flüsterte Nicky fragend und schien jetzt näher am Bett zu stehen. „Ja, und wir wollen ihn nicht aufwecken, nicht wahr!", raunte Michael zurück, während er irgendwas auf mein Nachttischkästchen abstellte. „Aber Nicky wach...", flüsterte dieser sehr bestimmt und halb laut, dafür sehr dicht an meinem Ohr. Stöhnend presste ich mir die Hände an die Ohren, weil jedes seiner Worte weh tat. „Onkel Flolii wach!", verkündete der Dreikäsehoch nun fröhlich in voller Lautstärke und wurde von einem „Psst!", angehalten wieder leise zu sein. „Wollen wir was spielen?", fragte Michael und bekam sogleich ein wohl sehr strahlendes und quiekendes „Ja!". Ich hingegen presste meinen Augen fest zusammen, weil mir sogleich ein weiterer Stich durch den Kopf schoss. Was zur Hölle hatte ich bloß getrieben? „Bau schon mal auf. Ich bin gleich da!", versicherte Micha und die tapsenden Schritte entfernten sich wieder. Also wagte ich einen weiteren Versuch. Vorsichtig öffnete ich mein rechtes Auge, brauchte etwas, um in der Dunkelheit was zu sehen, nur um blinzend sein Gesicht zu erkennen. Micha schien in der Hocke vor meinem Bett zu sitzen.

„Hey...", hauchte er. „Hey...", erwiderte ich rau und fragte mich, ob ich vielleicht einen Hamster verschluckt hatte, so pelzig fühlten sich zumindest mein Mund und meine Kehle an. „Ich hab dir Aspirin und Wasser gebracht. Nimm was davon und schlaf noch ein bisschen. Es ist ziemlich früh, aber Nicky wollte nicht mehr schlafen. Ich bespaß ihn ein wenig unten, dann hast du noch etwas Ruhe.", versicherte er. Streckte seine Hand aus und fuhr mir liebevoll durchs Haar. Meine Kehle wurde eng und mein Herzschlag stockte, während das Ungeziefer in meinem Bauch einen Tango vollführten. Was zum Henker war hier los? „Schlaf schön, mein Herz.", fügte er zärtlich hinzu, das mir die Kehle staubtrocken wurde. Wer hätte gedacht, dass da noch mehr ginge? Beugte sich vor und küsste meine Stirn. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Nur dieses unbeschreibliche Gefühl seiner warmen Lippen auf meiner Stirn blieb.

Müde rollte ich mich auf den Rücken, die stechenden Kopfschmerzen einfach mal ignorierend. Waren wir gestern nicht auf Martins Party? Ein Stechen sorgte dafür, dass ich die Augen zusammen kniff. Oh ja, dieser Kater konnte doch nur Martins Punsch geschuldet sein.

Blind tastete ich mein Nachtkästchen ab und nahm mir die Tabletten, die Michael für mich bereitgestellt hatte. Ich brauchte erstmal einen klaren Kopf. Heiligabend, Michael, dieser Aufruhr in meinem Inneren, von dem ich langsam ahnen konnte, woher er herkam und dazu diese grässlichen Kopfschmerzen ließen mich nicht klar denken. Aber ich brauchte einen klaren Kopf. Musste verstehen, was sich zwischen uns verändert hatte.
Also rappelte ich mich etwas hoch und schluckte zwei der Aspirin mit einem gefühlten Liter Wasser herunter. Besser!

Ächzend ließ ich mich zurück aufs Kissen sinken und schloss die Augen. Ließ all die Gedanken zu, die mein Kopf zurückhalten wollte, und stöhnte auf. Da waren sie wieder. Alle die Bilder, all die Worte, einfach alles. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn auch liebte ... Bitter lachte ich auf und öffnete die Augen. So viel Wahrheit. So viel Nähe und doch so viel Schmerz. Was sollte es schon ändern ... Er hatte mich verlassen. Er hatte mir schon einmal Liebe geschworen und dann, dann war er weg. So viel Logik. So viel Vernunft und doch war das Einzige, was in meinem Kopf immer und immer wieder hallte, sein Gemurmeltes "ich liebe dich".

Last Christmas - my fuckig life as a x-mas soundtrack Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt