3. Flo - vom Losfahren

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3. Flo - vom Losfahren

Chris Rea ~ Driving Home For Christmas

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Die unterschiedlichsten Emotionen spiegelten sich in seinem Gesicht wieder. Scheinbar schien er tatsächlich Skrupel zu haben, meinen Eltern etwas vorzumachen. Andernfalls sollte mich das eigentlich nicht wundern, er hatte ja bereits letztes Jahr das Problem gehabt sie anzulügen. Bei mir wiederum war das kein Thema gewesen.

Drei Monate! Drei verdammte Monate, hatte er sich mit mir getroffen, mich geküsst, mit mir geschlafen und war noch verheiratet? Wie hatte das gehen können? Er war doch, spätestens nach dem wir zusammengekommen waren, fast jede Nacht bei mir gewesen. Wie hatte sein Ehemann ... Ich schüttelte den Kopf, ich konnte es immer noch nicht fassen. Wie konnte es der andere Mann nicht mitgekommen haben? Oder waren sie da vielleicht schon in Trennung?

Klar, ich hätte einfach Micha fragen können, er sah nämlich tatsächlich so aus, als würde er mir alles erzählen wollen. Aber ich konnte es einfach nicht. Denn wenn ich die Wahrheit kannte, dann würde ich vielleicht nachgeben. Mich wieder einwickeln lassen von ihm und seiner Art, und das wollte ich nicht. Das mit uns war vorbei! Er hatte es selbst so entschieden! Für uns beide! Wäre ich ihm wichtig genug gewesen, hätte er mit mir geredet und vielleicht, ja, vielleicht hätten wir gemeinsam eine Lösung gefunden. Aber so. Nein, so hatte er sich seine Chance verspielt. Die paar Tage, sollte er tatsächlich mitfahren, würden ins Land ziehen und danach könnte ich endgültig mit ihm abschließen.

„Was muss ich tun?", fragte er leise und konnte mir dabei nicht in die Augen sehen. Also würde er tatsächlich mitfahren. Das Ungeziefer in meinem Bauch vollführte Sprünge, was ich zu ignorieren wusste. Es hatte nichts zu bedeuten! Fuhr ich mich selbst in Gedanken an. Dass er mit fuhr, würde lediglich dafür sorgen, dass ich ein paar ruhige, stressfreie Feiertage verbringen konnte. Ohne mir ständig anhören zu müssen, dass man mit Mitte Dreißig, endlich irgendwo angekommen sein sollte. Heiraten, Haus, Hund, Kinder und all den Scheiß.

Gut, mit dem Gedanken, dass es von meiner Seite keine Enkel geben würde, damit hatten sich meine Eltern abgefunden, vor allem auch, weil meine restlichen drei Geschwister schon in Produktion gegangen waren, aber die restlichen Punkte, die sollte ich gefälligst anstreben, wenn ich nicht alleine übrig bleiben wollte.

Ich meine, klar, wer wollte das schon? Übrig bleiben. Allein sein. Niemand! Aber ab und an war es eben nicht so einfach den Richtigen zu finden, schon gar nicht, wenn man gemeint hatte ihn gefunden zu haben und dann bitterenttäuscht wurde. Und irgendwie trotz allem immer noch an ihm hing.

„Keine Ahnung.", ich zuckte mit den Schultern. So genau hatte ich mir das auch nicht überlegt. Es war ja nicht so, dass ich irgendeinem Masterplan folgte. Es war lediglich eine spontane Schnapsidee. „Solange jemand zusieht, sind wir einfach das perfekte Paar, welches wir waren. Meine Eltern werden sich so darüber freuen, dass ich nicht mehr alleine bin, dass sie absolut nichts hinterfragen werden."

„Okay.", sagte er nach einer Weile und blickte erneut auf seine Schuhe. Was es da wohl zu sehen gab? „Okay - okay?", wollte ich mich nachversichern. Irgendwie lief die ganze Sache zu leicht. Doch er nickte bloß ausdruckslos. Viel zu gerne hätte ich gewusst, was er wohl gerade dachte. „Wir spielen bloß!", stellte ich sicherheitshalber noch einmal klar. Es sollte ja zu keinen Missverständnissen kommen. „Eine zweite Chance wird es für uns nicht geben."

Während ich sprach, beobachtete ich ihn. Doch er blickte nicht hoch. Sagte nichts und reagierte auch anderweitig nicht. Dann, nach einer Weile hob er doch den Kopf und sah mir kurz in die Augen, bevor er sich auf die Lippe biss.

Last Christmas - my fuckig life as a x-mas soundtrack Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt