14. Michael - du und ich

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14. Michael - du und ich

Mariah Carey - All I Want for Christmas Is You

***

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen und wartete sehnsüchtig darauf, dass endlich Scheinwerfer die Straße erleuchteten. Wenn man auf jemanden wartete, nach dem man sich von ganzem Herzen verzehrte, dann konnten lausige zehn Minuten einer halben Ewigkeit gleichkommen.

„Komm schon...", flüsterte ich und mein Atem stieg als kleine weiße Wölkchen hinauf in den Himmel. Ich war hier, bei ihm zu Hause. Hatte einfach nicht fahren können. Nicht schon wieder aufgeben, ohne gekämpft zu haben. Immerhin hatte ich eins am eigenen Leibe erfahren: Das Leben konnte schneller vorbei sein, wie man dachte. Und ein Leben ohne Flo konnte ich mir nicht mehr vorstellen.

Ich hatte es versucht. Wochen, Monate, hatte ich darum gekämpft ihn zu vergessen, aber nichts, absolut nichts hatte sich an meinen Gefühlen geändert. Und jetzt, da ich wusste, dass er mich auch liebte. Jetzt würde ich nicht mehr aufgeben. Ihn nicht mehr gehen lassen. Er gehört zu mir!

Als ich das begriffen hatte, wählte ich erneut die Nummer des Taxis und der junge Mann, der Gott sei Dank noch nicht weit weg war, kam erneut zurück und brachte mich hier her, nur damit ich erfuhr, das mein Herzchen sich auf die Suche nach mir gemacht hatte.

Ein Kribbeln flutete meinen Körper und Vorfreude machte sich in mir breit. Er wollte zu mir! Mich zurückholen! Vielleicht, ja vielleicht würde er mir irgendwann vergeben, dass ich gegangen war. Das ich in Bezug auf Lukas gelogen hatte. Und vielleicht auch verstehen, warum ich damals glaubte, das tun zu müssen. Es war ein langer und harter Prozess zu akzeptieren, dass ich Florian genauso sehr liebte wie einst Lukas. Und, dass es okay war. Dass ich das Andenken an meinen Mann und unsere gemeinsame Liebe nicht mit Füßen trat, wenn ich lebte, während er es nicht mehr konnte. Auch wenn es immer noch Tage gab, an denen mich die Schuld überfiel, erdrückte. Aber zum Glück gab es auch Tage wie heute. Da war ich bereit. Bereit für eine Zukunft mit Florian. Für eine Zukunft, in der ich frei leben konnte, ohne Schuld, ohne schlechtem Gewissen. Endlich wieder glücklich.

Ein Licht tauchte in der Ferne auf und ich zuckte unwillkürlich zusammen, obwohl ich nichts anderes getan hatte, als genau auf diesen Augenblick zu warten. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich schluckte schwer. Wurde von einer Sehnsucht überrannt, mit der ich für einen Augenblick nicht umgehen konnte. Schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bekommen.

Regelmäßig atmete ich tief ein und aus, ließ meine Lunge sich mit kalter Luft füllen, bevor ich sie wieder entließ. Das Geräusch des Motors erlosch und legte die Welt erneut in Stille. Kurz schlug die Autotür zu, dann hörte man das Knirschen des Schnees. Er war da. Endlich da. Ich schlug meine Augen auf. Begegnete seinem Blick. In der Bewegung hielt er inne. Blieb stehen, unsere Blicke verschmolzen in einander und mein Herz blieb mir stehen. Ich konnte weder Atmen, noch mich bewegen. Konnte ihn lediglich ansehen. Wie er da stand, umschmeichelt von tausenden von goldenen Lichtern, während mindestens genauso viele kleine Schneeflocken auf uns hinab rieselten. Und keine davon so perfekt, wie er es für mich war. Sein ernster Blick ging mir durch und durch. Sekunden verstrichen. Wurden zu Minuten, zu einer gefühlten Ewigkeit. In der wir einfach nur da standen. Dann, zuckte sein Mundwinkel, ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er breitete die Arme aus. Nichts konnte mich mehr halten. Mein Herz flatterte vor Freude und ich lief los. Überbrückte die Distanz, die uns nicht nur körperlich trennte, und fiel ihm in die Arme, zog ihn an mich, küsste ihn. Küsste ihn immer und immer wieder.

„Es tut mir so leid ...", raunte ich irgendwann, als ich nach Atem schnappen musste. „Alles, Flo, einfach alles...", musste ich loswerden, weil es raus musste, während ich ihn noch fester an mich zog. Es immer noch nicht glauben konnte, dass er in meinen Armen lag. Weil er es so wollte. Völlig nüchtern!
„Mir auch...", hauchte er gegen meine Lippen. „Mir auch...", dann verschloss er sie wieder mit seinen und meine Knie wurden weich.

Last Christmas - my fuckig life as a x-mas soundtrack Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt